Protocol of the Session on December 11, 2008

Dann nenne ich auch, ganz aktuell, Ihr etwas eigenartiges Vorgehen bei der Auswahl des neuen Vizepräsidenten des Landessozialgerichts, als Sie sich Ihres eigenen Vorschlags offensichtlich so wenig sicher waren, dass Sie dem eigentlichen Besetzungsvorschlag sozusagen einen Hilfsvorschlag mitgegeben haben. Herr Minister, Führungsstärke sieht anders aus.

(Beifall der CDU)

Nun ist das, was ich gerade beschrieben habe, nämlich die Enttäuschung über die Personalpolitik, ein Sonderproblem der Richterschaft. Dass aber die Justiz weithin unter einer enormen Überlastung leidet, trifft alle Angehörigen der Justiz. Viele Kollegen aus dem Landtag berichten mir von Gesprächen, die sie in den letzten Wochen in ihren Bürgersprechstunden geführt haben. Auch ich hatte vor Kurzem ein solches Gespräch. Da saß eine Dame bei mir, die berichtete, dass in einem familiengerichtlichen Scheidungsverfahren schon seit einem Jahr keine Terminierung mehr stattgefunden hat. Ist das noch die Justizgewähr, die die Menschen draußen im Land von uns erwarten dürfen? Ich glaube, sagen zu können: Das ist sie ganz sicher nicht.

(Beifall der CDU)

Herr Minister, nun haben Sie in Ihrem Haushaltsentwurf einige Stellenmehrungen vorgesehen. Das begrüßen wir. Das zeigt immerhin die Einsicht der Landesregierung, dass es so, wie es war, nicht weitergehen kann. Nur muss man natürlich auch fragen: Langt das? Reicht das? Oder – wie es heute und auch schon gestern mehrfach angesprochen worden ist – darf bzw. muss es nicht auch ein bisschen mehr sein? –

Ganz besonders drückend ist für uns als CDU – worauf wir schon früh hingewiesen haben – die Überlastung der Sozialgerichtsbarkeit. Aufgrund des enormen Anstiegs der Verfahrenszahlen, die Sie ebenfalls kennen und die vor allen Dingen auf die Hartz-IV-Gesetzgebung zurückgeht, arbeiten auch die Sozialgerichte in Rheinland-Pfalz an bzw. manchmal sogar jenseits der Belastungsgrenze. Es sind schon bis zu 1.000 Fälle pro Richter vorgekommen. Dass solche Spitzenbelastungen zu Verfahrensverzögerungen führen müssen, ist klar. Die, die das ausbaden müssen, sind oft die Ärmsten der Armen, Menschen, die dringender als Sie und ich darauf angewiesen sind, dass die Fragen, die in ihrem Verfahren eine Rolle spielen, geklärt werden. Oft geht es dort nämlich einfach nur um die nackte Existenzsicherung.

Herr Bamberger, bei der Aufstellung des Haushalts haben Sie sich aber dafür entschieden, das Problem einfach auszusitzen, und keine Stellenmehrungen vorgeschlagen. Im Ausschuss haben Sie auf unsere Nachfrage erklärt, dass Sie diese Problematik mit Stellenumschichtungen bewältigen können. Ihre Partei hat dann aber offensichtlich kalte Füße bekommen. Sie hat jetzt einen Antrag vorgelegt, in dem sie fordert, sechs neue Sozialrichter einzustellen. Daran finde ich zunächst einmal bemerkenswert, dass Sie, kaum dass der Vorschlag in der Welt ist, bei den Betroffenen damit hausieren gehen. Wie man hört, berichten Sie in Versammlungen, wie vorbildlich sich die SPD um die Sozialgerichte bemüht. Die CDU würde zwei Stellen fordern, die FDP

gar nichts, aber die SPD würde sechs Stellen für die Sozialgerichte fordern.

(Ramsauer, SPD: So ist das! Das ist gut!)

Meine Kollegen und ich, wir fragen uns mit Fug und Recht, warum Sie das nicht gleich beim Finanzminister durchgesetzt haben. Dann muss mir auch noch einmal jemand erklären, wieso jetzt sechs Stellen gefordert werden, während Sie doch gesagt haben, dass eigentlich nur ein Bedarf nach vier Stellen besteht. Herr Bamberger bzw. die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wo ist da die Logik?

(Zurufe von der SPD)

Nun könnte man es dabei belassen und sagen, es ist ja toll, dass die Sozialgerichte mehr Stellen bekommen. Das kann ich aber nicht. Vor allem da Publikum anwesend ist, muss man den Dingen einmal auf den Grund gehen. Deswegen kann ich es Ihnen leider auch nicht ersparen, das Thema „sechs neue Sozialrichterstellen“ noch etwas zu vertiefen.

(Harald Schweitzer, SPD: Haben Sie etwas dagegen?)

Es geht mir, bei Lichte betrachtet, nicht um die Idee als solche, wenn sie denn ehrlich und fair durchgeführt würde. Aber ich will Ihnen einmal auseinanderklabüsern, dass genau das nicht geschieht. Ich sage ganz deutlich, dass diese Geschichte im Grunde ein ganz schlimmes Beispiel aus der Abteilung Täuschen und Tricksen ist.

(Beifall der CDU)

Was passiert, wenn Ihr Antrag von diesem Parlament beschlossen wird? Im Haushalt 09 stehen dann Mittel für 75 Sozialrichter in der ersten Instanz. So weit, so gut. Im Kleingedruckten Ihres Antrags findet man aber, Sie wollen, dass im Jahr 2010, also gerade einmal ein Jahr später, die Zahl der kw-Vermerke bei diesen Richterstellen von drei auf neun erhöht wird. Dann muss man der Öffentlichkeit – da oben sitzen Vertreter der Öffentlichkeit – auch erklären, was das bedeutet.

Das bedeutet ganz konkret, 2010 können von 75 Sozialrichterstellen neun wieder wegfallen, sodass es dann nur noch 66 Sozialrichter in der ersten Instanz geben könnte. Wie viel ernsthaften Willen besitzen Sie eigentlich, die sechs neuen Stellen überhaupt zu besetzen, wenn sie im nächsten Jahr gleich wieder zur Disposition gestellt werden? So viel zum Thema „Stärkung der Sozialgerichte“ durch die SPD-Landtagsfraktion.

(Beifall der CDU)

Mein Verständnis von Politik ist das jedenfalls nicht. Unser Ansatz ist, ehrlich zu sagen, was geht und was nicht geht. Natürlich würde auch ich gerne vier Stellen fordern. Das tun wir aber nicht, weil das in der schlimmen Haushaltslage, in die uns die Landesregierung hineinmanövriert hat, nicht darstellbar ist.

(Zuruf der Frau Abg. Schmitt, SPD)

Schweren Herzens haben wir uns mit zwei Stellen begnügt, Frau Schmitt. Wir haben aber noch etwas gemacht: Wir haben nämlich gefordert, die alten kwVermerke für drei Stellen aufzuheben. Das heißt dann unter dem Strich 71 sichere Stellen für die Sozialgerichte im Jahr 2010.

(Licht, CDU: So ist das!)

Bei Ihnen von der SPD sind es 66 Stellen. Da frage ich mich: Wer tut mehr für die Sozialgerichte in diesem Land? – Ganz eindeutig wir, die CDU.

(Beifall der CDU)

Es kommt aber noch schlimmer.

(Ramsauer, SPD: Zunächst reden Sie nur! Es passiert gar nichts!)

Herr Ramsauer, es kommt noch schlimmer. Haben Sie sich einmal die Gegenfinanzierung angesehen? Darüber haben Sie überhaupt nicht gesprochen, Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Bestimmt ist Ihnen das peinlich. Das darf es auch sein. Sie kürzen nämlich die Mittel bei den Richtern der Amts- und Landgerichte und bei den Staatsanwälten.

(Zuruf der Frau Abg. Schmitt, SPD)

Sie streichen aber nicht gleichzeitig dort sechs Stellen, die dem Kürzungsbetrag entsprechen. Das ist – ich bringe es auf den Punkt – zutiefst unehrlich.

(Pörksen, SPD: Das müssen Sie gerade sagen! Sie mit Ihren Luftbuchungen! Lauter Luftbuchungen!)

Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie den Menschen draußen im Land nämlich eines erklären: Für sechs neue Sozialrichter streichen wir sechs Staatsanwälte oder sechs Richter. Das machen Sie aber nicht. In der Bibel gibt es die schöne Geschichte, dass es Jesus gelang, mit zwei Fischen und zehn Broten 5.000 Menschen zu speisen. Ihre Version von der Geschichte ist, mit 270.000 Euro machen Sie gleichzeitig sechs Staatsanwälte und sechs Sozialrichter satt.

(Ramsauer, SPD: Wo waren Sie denn gestern?)

Liebe Landesregierung, das, was Jesus vermochte, schaffen Sie nicht. Wir lehnen es ab, auf diese Art und Weise die Öffentlichkeit zu täuschen. Wir sind auch bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Ehrlichkeit. Dazu gehört, keine Luftschlösser zu versprechen.

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Je mehr Sie widersprechen, umso mehr merke ich, dass ich recht habe.

In der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind es vor allem – das wissen wir auch in diesem Hohen Hause – die Staatsanwaltschaften, die Not leiden. Ich bin den Kollegen von der SPD wirklich dankbar, dass sie durch ihren Berichtsantrag im zurückliegenden Rechtsausschuss über die Situation bei der Staatsanwaltschaft Koblenz

gerade den Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage geliefert haben.

Um es auf den Punkt zu bringen: Unsere Staatsanwaltschaften bräuchten effektiv 55 Stellen, um den gleichen Deckungsgrad an Personalbedarfsabdeckung zu erreichen, den die Richter bereits haben. Das sind aber auch keine 100 %, wie man sich draußen im Land vielleicht vorstellt, sondern das sind noch nicht einmal 90 %. Der Bedarfsdeckungsgrad liegt bei 88 %.

Wir würden gern diese 55 Stellen fordern. Das können wir aber nicht verantworten. Das ist dasselbe Thema, das ich vorhin schon bei den Sozialrichtern angesprochen habe. Zehn Stellen zusätzlich zu den 20 Stellen, die Sie in den Haushalt eingestellt haben, müssten es dann aber doch schon sein. Auch da gilt, um es klar zu sagen: Wir wollen echte Stellen und keine Papiertiger mit kw-Vermerken.

Meine Damen und Herren, die Justiz besteht aber nicht nur aus Richtern und Staatsanwälten. Viele weitere engagierte Männer und Frauen in anderen Laufbahnen sorgen in gleicher Weise dafür, dass die Justiz funktioniert. Auch sie leiden unter der bestehenden Personalknappheit.

Wir begrüßen es selbstverständlich, dass Sie im Haushalt mehr Stellen für die Bewährungshilfe ausweisen. Das ist eine entscheidende Forderung, die wir schon seit Jahren erheben.

Wir begrüßen, dass Sie auch bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern draufsatteln. Die übernehmen nämlich immer mehr zentrale Aufgaben in der Justiz. Es ist für jeden Einzelnen von uns wichtig, aber auch für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz, dass die Grundbuchämter, die Vormundschafts- und Nachlassgerichte sowie die Handels- und Vereinsregister gut ausgestattet sind. Aber auch hier gilt, dass die 30 Stellen, die der Haushalt neu ausweist, nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sind.

Der Rechtspflegerbund, die Interessenvertretung der Betroffenen, beziffert den Stellenbedarf nach den üblichen Bedarfsberechnungen auf 180 Stellen. Das ist schlapp das Sechsfache.

Wir wissen, dass es gar nicht genügend Ausbildungskapazitäten gibt, um diese Bedarfslage auf einen Schlag zu befriedigen. Herr Minister Bamberger, Sie haben aber angedeutet, dass es aus Ihrer Sicht für den übernächsten Doppelhaushalt weitere Stellenmehrungen geben soll. Wir unterstützen Sie dabei und werden Sie beizeiten beim Wort nehmen.

Ein weiterer Punkt, der uns sehr am Herzen liegt, ist die Beförderungssituation in den verschiedenen Justizlaufbahnen. Wenn wir uns über Frustration in der Justiz unterhalten – das ist ein zentrales Anliegen von mir von heute Mittag –, hat das auch damit zu tun, dass die Justizangehörigen immer mehr das Gefühl haben, dass Beförderungen in immer weitere Ferne rücken. Das ist weiß Gott nicht nur ein Problem der Rechtspfleger, sondern auch der Bewährungshilfe und ganz deutlich auch des Strafvollzugs.

Stellen in der Eingangsstufe werden vermehrt, ohne dass sich dies in einem Mehr an Beförderungsstellen niederschlägt. Heute Morgen haben wir, die wir anwesend waren, gehört, dass die SPD-Fraktion für die zahlreichen Beförderungsstellen bei der Polizei dankbar ist. In der Justiz gilt bei dem Thema Fehlanzeige. Wir haben dies zum Gegenstand eines Haushaltsbegleitantrags gemacht, der detailliert beschreibt, was Not tut, um Frustration abzubauen.

(Pörksen, SPD: Der ist schon wieder mit dem Füllhorn unterwegs!)

Wir würden uns freuen, wenn die anderen Fraktionen die Bereitschaft erkennen ließen, dieses Anliegen zu unterstützen.

(Beifall der CDU)

Ich komme zu einem anderen wichtigen Bereich in der Justiz, der verdientermaßen stets großen Raum bei den Haushaltsberatungen einnimmt. Das ist der Strafvollzug. Wir haben uns stets zum Ziel gesetzt, Humanität und Sicherheit im Strafvollzug bestmöglich in Deckung zu bringen. Dazu gehört, dass die Anstalten unseres Landes den Verfassungsvorgaben eines humanen Strafvollzugs entsprechen.

Strafvollzug muss – da sind wir uns wohl alle einig – Perspektiven für ein straffreies Leben eröffnen können, indem z. B. Ausbildungsgänge und Schulabschlüsse nachgeholt werden können oder auch eine angemessene Beschäftigung möglich ist. Wir freuen uns, dass im kommenden Doppelhaushalt mit der Inbetriebnahme der Anstalt Wittlich ein großer Schritt nach vorne getan wird, um diesem Ziel näher zu kommen.