Protocol of the Session on June 5, 2008

Deshalb wird die Prävention auch künftig das Bündel an Mitteln sein, das weiterentwickelt und betrieben werden muss. Eine kriminelle Karriere setzt nicht erst mit der Strafmündigkeit ein, sondern sie hat vielfältige Vorboten.

Wer als Kind nicht dazu erzogen wird, dass Regeln einzuhalten sind und es diesbezüglich einen gesamtgesellschaftlichen Konsens gibt, wird sich auch als Erwachsener beständig über alle Regeln hinwegsetzen. Gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme sowie die Achtung der Rechte anderer werden ihm stets fremd sein.

Hier sind vor allem und zunächst die Eltern gefragt. Sie sind in der Wahrnehmung ihres Erziehungsauftrags zu unterstützen, wenn sie an ihre Grenzen stoßen. Dies ist eine wesentliche Aufgabe des Staates. Dann sind die Schulen in der Pflicht. Sie werden unmittelbar mit nicht bewältigten häuslichen Problemen, mit solchen mangelnder Integration oder dem Drogenmissbrauch konfrontiert und sollen dort Reparaturbetrieb spielen, wo das Elternhaus seine Pflichten nicht erfüllen konnte, aus welchen Gründen auch immer.

Das ist eine große Verantwortung. Sie ist nur im Verbund mit anderen Institutionen zu bewältigen. Deshalb ist eine stärkere Vernetzung der schulpsychologischen Dienste, der Schulsozialarbeiter, der Jugendämter und der Polizei unabdingbar.

Hier müssen Erziehungsdefizite aufgearbeitet werden. Sollte es dann noch nicht gelingen, Jugendliche von Straftaten abzuhalten, ist es wichtig, dass die Strafverfahren schnell und effektiv durchgeführt werden. Damit dies gelingt, ist das Zusammenwirken der Jugendhilfe, der Polizei und der Justiz, am besten in einem Haus des Jugendrechts, unverzichtbar.

Natürlich ist Jugendkriminalität und ihre zunehme Brutalisierung kein wirklich neues Phänomen, sondern ein solches, das die Rechts- und Innenpolitik schon lange begleitet. Sogar schon zu Zeiten Shakespeares waren diese Probleme präsent, und sie endeten damals bei Romeo und Julia ebenso ungut, wie sie heute enden.

(Beifall bei der FDP)

Neu ist allerdings die allgemeine Bereitschaft zum Umgang mit dem Thema. Es wird nicht mehr so viel beschönigt, so viel vernebelt, sondern die Probleme werden klar erkannt und benannt.

Wir haben in Deutschland Probleme aufgrund mangelnder Integration ausländischer Mitbürger durch die Bildung von Parallelgesellschaften. Es gibt Erziehungs- und auch Betreuungsdefizite in nicht wenigen sozialschwachen, bildungsfernen Familien.

Wir haben einen nicht zu unterschätzenden Alkohol- und Drogenkonsum bei Kindern und Jugendlichen. Vielen in unserer Gesellschaft fehlt die Zivilcourage, um junge Menschen in der Öffentlichkeit auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Das klare Benennen nur eines Teils der Ursachen für Jugendkriminalität ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

Diesen und auch die weiteren notwendigen Schritte gehen wir in dem gemeinsamen Antrag mit der Regierungsfraktion.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Bamberger.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wer glaubt, dass Medizin nur hilft, wenn sie besonders bitter schmeckt, der irrt. Wer glaubt, man könne die erhoffte Wirkung einer Arznei schlicht durch eine Erhöhung ihrer Dosis verstärken, der irrt ebenfalls.

(Beifall der SPD)

Dies ist es aber gerade, was die CDU-Fraktion tut, wenn sie in ihrem Antrag alte Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts erneuert. Solche Bestrebungen haben sich schon in der Vergangenheit – wie ich meine – aus guten Gründen nicht durchgesetzt. Auch bei der Anhörung im Rechtsausschuss haben sich die Experten ganz überwiegend für die effektive Nutzung des bereits vorhandenen vielfältigen Instrumentariums des Jugendstrafrechts ausgesprochen, nicht aber für dessen Verschärfung.

Meine Damen und Herren, schon 1882 hat der berühmte Kriminologe Franz Eduard von List den Satz geprägt, dass nur eine gute Sozialpolitik die beste und wirksamste Kriminalpolitik ist. Daran hat sich bis heute nichts geändert. (Beifall der SPD)

Dies ist eine Politik, die Chancengleichheit herstellt, die jungen Menschen Bildung ermöglicht und Perspektiven aufzeigt, eine Politik, die alle integriert und die Ausgrenzung und Armut verhindert.

Die Landesregierung verfolgt bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität einen ganzheitlich orientierten Ansatz. Akzente setzen wir vor allem im präventiven Bereich sowie bei der Frage der zügigen und zielgenauen Reaktion auf Straftaten Jugendlicher. Wir können auf eine Vielzahl von präventiven Projekten im Bildungs- wie im Polizeibereich verweisen. Betonen möchte ich auch die Förderung von Schulsozialarbeit – dies wurde bereits gesagt –, die Unterstützung von Projekten zur Vermeidung von Schulverweigerung, die in der Tat sehr wichtig ist, sowie die Sprachförderung, die ebenso wichtig ist. Meine Damen und Herren, demgegenüber sind Strafrechtsverschärfungen unnötig, wenn nicht gar kontraproduktiv. (Beifall der SPD)

Die Forderung der CDU-Fraktion nach einer verstärkten Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende ist verfehlt, weil Menschen zwischen 18 und

21 Jahren noch einen Entwicklungsprozess durchleben. Unsere Verurteilungsstatistik belegt zudem, dass kein Grund vorliegt, sich der derzeit bereits gegebenen Differenzierungsmöglichkeit zu berauben. In den Jahren 2005 und 2006 wurde in Rheinland-Pfalz etwa die Hälfte der Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht verurteilt.

Meine Damen und Herren, auch die von der CDU geforderte Einführung eines Warnschussarrestes führt in eine Sackgasse. Einem Verurteilten kann durch empfindliche Bewährungsauflagen nachdrücklich genug vor Augen geführt werden, dass er für das begangene Unrecht einzustehen hat. Kommt er diesen Auflagen nicht nach, kann ein Nichtbefolgungsarrest gegen ihn verhängt werden. Von einem Freispruch zweiter Klasse kann also überhaupt keine Rede sein.

(Beifall der SPD)

Umgekehrt kann ein Warnschuss-Arrest eine Erfolg versprechende Bewährung sogar gefährden.

Gegen das von der CDU behauptete Bedürfnis eines höheren Strafmaßes spricht schon die Tatsache, dass bereits der derzeitige Strafrahmen nur selten ausgeschöpft werden muss. In Rheinland-Pfalz sind 2006 nur vier Personen zu einer Jugendstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt worden.

Meine Damen und Herren, zudem ist auch bei der Expertenanhörung im Rechtsausschuss erneut deutlich geworden, dass nur die Erhöhung des Überführungsrisikos abschrecken kann. Hier setzen wir mit der geplanten Schaffung von weiteren 20 Stellen für Dezernentinnen und Dezernenten bei den Staatsanwaltschaften sowie von weiteren Stellen in der Polizei in den beiden kommenden Haushaltsjahren an.

Effektive Aufklärungsarbeit – es gibt sie in RheinlandPfalz – erhöht den Druck auf Straftäter. Für eine weitere Beschleunigung der Verfahrensabläufe sind wir mit dem Projekt „Haus des Jugendrechts“ auf einem guten Weg. Das Konzept hat sich in Ludwigshafen bereits bewährt. In Mainz haben Staatsanwaltschaft, Polizei und Stadt vor einigen Wochen die Arbeit im Haus des Jugendrechts aufgenommen. Die Entwicklung weiterer Häuser des Jugendrechts an anderen Standorten werden wir vorantreiben.

(Beifall der SPD)

Speziell zur Bekämpfung jugendspezifischer Aggressionsdelikte ist im Ministerium des Innern und für Sport eine Rahmenkonzeption der Polizei erarbeitet worden. Hierdurch werden die Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität jugendlicher Mehrfach- und Intensivtäter enger vernetzt und weiter optimiert.

Meine Damen und Herren, dies sind nur einige Belege dafür, dass wir unseren ganzheitlich orientierten Weg bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität mit aller Konsequenz weitergehen. In der Richtigkeit unseres Vorgehens hat uns die Anhörung der Experten im Rechtsausschuss bestärkt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU „Jugendkriminalität wirksam bekämpfen“ – Drucksache 15/1836 –. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP „Den nachhaltigen Kampf gegen Jugendkriminalität und ihre Ursachen fortsetzen“ – Drucksache 15/2267 –. Es ist unmittelbare Abstimmung über den Antrag vorgesehen. Wer stimmt dem Antrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist die letzte Landtagssitzung vor der Urlaubszeit. Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Ferienzeit und hoffe, dass Sie sich gut erholen und wieder gut erholt Ihre Arbeit aufnehmen können. Ich lade Sie zur nächsten Plenarsitzung am 27. August 2008 ein.

Ich danke Ihnen. Wir haben die Tagesordnung erledigt. Die Sitzung ist geschlossen.