Protocol of the Session on April 16, 2008

Deswegen ist es in der juristischen Literatur noch unentschieden oder umstritten, ob man diese Regelung, diese Grundgesetzänderung an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorbei so einsetzen könnte.

Sie haben den Gesetzentwurf wieder auf den Weg gebracht. Wir werden sehen, was daraus wird.

Es gibt Stellungnahmen des Bundesinnenministeriums zu Anfragen unterschiedlicher Parteien, auch der Linken, die sich auf die Konvention beziehen, in der es um die Stärkung der Rechte von Migranten in Europa geht. Es wird noch einmal auf diese Situation hingewiesen. Ich denke, das müssen dann die Verantwortlichen im Bund noch diskutieren und auf den Weg bringen, wenn es so gewollt sein sollte. Ich will auch noch sagen, in der Koalitionsvereinbarung steht auch dazu ein entsprechender Hinweis.

Jetzt komme ich zum Inhalt des Gesetzes. Ich habe schon gesagt – Sie haben es auch schon gesagt, Herr Klöckner –, unsere Arbeitskreise im Land, die Gremien, die es dazu gibt, haben sich mit der Situation der Ausländerbeiräte bei uns in Rheinland-Pfalz beschäftigt.

Sie haben die Analyse abgegeben, wie sie auch im Gesetzentwurf und in der Begründung noch einmal nachzulesen ist, seit 1994 hat sich vieles bei den Ausländerbeiräten verändert, so wie wir sie jetzt haben. Wir hatten ursprünglich fast 25 % Wahlbeteiligung, als die Beiräte eingeführt worden sind. Jetzt liegt diese Wahlbeteiligung bei 9 %.

Viele Wahlgänge sind nicht gültig gewesen, weil die 10 %-Hürde nicht übersprungen worden ist. Die Beteiligung ist insgesamt zurückgegangen. Wir haben noch 33 solcher Beiräte, die direkt gewählt sind, und einige, die von den Kommunen eingesetzt worden sind.

Ich glaube, dass auch nach der Welle der Einbürgerungen nach dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz tatsächlich Reformbedarf an dieser Institution der Ausländerbeiräte und den entsprechenden Regelungen im Kommunalwahlrecht besteht, sodass nach der Analyse nur noch die Frage blieb, was sinnvollerweise verändert werden sollte.

In Nordrhein-Westfalen gibt es einschlägige Vorschläge. Dort ist das eine oder andere auf den Weg gebracht worden. Jetzt gibt es den Vorschlag im Gesetzentwurf

der SPD, der auf einige Dinge dezidiert eingeht. Herr Noss wird sicher aus Sicht der antragstellenden Fraktion noch auf das eine oder andere eingehen.

Es soll grundsätzlich bei den Zahlen bleiben, dass eine Gemeinde 1.000 Menschen mit Migrationshintergrund beherbergen sollte, diese also dort wohnen sollten. Trotzdem wird der Kreis derjenigen, die aktiv und passiv wahlberechtigt sein sollen, ausgeweitet, und zwar entscheidend ausgeweitet.

Bei den passiv Wahlberechtigten sollen neben den eigentlichen Menschen mit Migrationshintergrund auch diejenigen, die diesen Status früher einmal besaßen und jetzt die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben und dazu noch die Spätaussiedlerinnen und -siedler, die kraft Gesetz Deutsche sind, in diese Regelung mit einbezogen werden.

Hinzu kommt, dass das Gremium nur noch dann einen Wahlgang benötigt, wenn eine Liste aufgestellt worden ist, die mehr Kandidaten beinhaltet als tatsächlich gewählt werden sollen, das heißt, wenn eine tatsächliche Auswahl auch stattfindet. Wenn das nicht der Fall ist, dann soll keine Wahl stattfinden, sondern es soll ein Beirat von den kommunalen Verantwortlichen einberufen werden können.

Herr Klöckner, Sie haben das auch gesagt, es sollen dann auch Zubesetzungen stattfinden können. Dabei ist – so steht es auch in der Begründung – vor allem an Stadt- oder Gemeinderäte gedacht, die dann dieses Gremium ergänzen.

Wichtig ist auch, dass beim passiven Wahlrecht noch hinzukommt, dass jeder Bürger, der hier wohnt und sich in diesem Bereich engagiert – das könnten Sie zum Beispiel sein, Herr Klöckner –, in dieses Gremium gewählt werden kann. Man braucht nicht unbedingt einen Migrationshintergrund zu haben. Man verspricht sich damit – so kann man es nachlesen – eine bessere Verschränkung und eine Verstärkung der Integrationsarbeit.

Wenn man das alles Revue passieren lässt, denke ich, dass es eine sinnvolle Grundlage bildet, auf der wir diskutieren können. Ich will einmal sagen, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch einmal miteinander reden sollten. Wir wollten – das halte ich für wichtig – auch die Betroffenen in dieser Frage anhören. Das sind die Menschen mit ehemaligem Migrationshintergrund und die Kommunen.

Wir sollten gemeinsam im Innenausschuss – ich denke, dass dieser Ausschuss zuständig sein wird –

(Staatsministerin Frau Dreyer: Sozial- und Innenausschuss!)

oder im federführenden Ausschuss eine Anhörung durchführen und auch die Details noch einmal diskutieren. Vor allem will ich sagen, dass die Betroffenen die Gelegenheit erhalten sollten, Stellung zu beziehen. Ich will dann sehen, ob man an der einen oder anderen Stelle noch etwas verändern muss, soll oder kann.

Ich denke, insgesamt ist das eine Diskussionsgrundlage, mit der auch die CDU-Fraktion in die Diskussion gehen kann. Wir sichern diese Zusammenarbeit zu.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Schmitz.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns über alle Fraktionen im rheinland-pfälzischen Landtag über die Bedeutung der Integration einig. Wir wissen, dass sich an der Frage „erfolgreiche Integration“ die Zukunft unseres Landes mit entscheidet.

(Beifall der FDP)

Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung 2006 darauf hingewiesen. Die für das Soziale zuständige Ministerin, Frau Dreyer, hat in der Vorstellung des Integrationskonzepts 2007 deutlich gemacht, dass der Bereich „Ausländerbeiräte“ dringend reformbedürftig ist.

Wir haben von unserer Seite darauf verwiesen, dass sich Integration an vier zentralen Parametern entscheiden wird. Das ist zum einen der Parameter „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, was nur über die Teilhabe an Ausbildungsplätzen und über eine vernünftige Schulqualifikation möglich ist. Das wiederum gründet viertens auf entsprechender Sprachkompetenz. Das, was im Integrationsbericht voriges Jahr präsentiert wurde, dass beispielsweise nur 25 % der Jugendlichen zwischen 15 Jahren und 18 Jahren überhaupt einen Ausbildungsplatz haben, hat uns allen Angst gemacht.

Meine Damen und Herren, einer der Punkte, der über diese harten Fakten und über diese vier Kategorien hinausweist, ist die Frage der demokratischen Teilhabe, der Teilhabe insbesondere der 300.000 Mitbürger in Rheinland-Pfalz, die keinen deutschen Pass besitzen und von daher im Zentrum der bisherigen Bemühungen der Ausländerbeiräte standen.

Diese Ausländerbeiräte, die nicht mit echter Kompetenz ausgestattet waren, sind hoffnungsfroh gestartet. Meine Vorrednerin hat es erwähnt, 1994 hat es immerhin eine Wahlbeteiligung von 25 % gegeben. Das flachte dann zu einer Situation ab, in der die demokratische Rechtfertigung dieser Ausländerbeiräte nicht mehr gegeben war.

Jetzt haben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD die Alternative, die sich sehr stark an den Erfahrungen des Landes Nordrhein-Westfalen anlehnt, die sozusagen ersatzweise zum kommunalen Wahlrecht und auch ersatzweise zu einer Vertretung der tatsächlichen Zielgruppe neue Wege sucht und bereit ist, in den Ausländerbeirat Menschen zu entsenden, die an sich, im engeren Sinne, nicht zu dieser Zielgruppe zählen.

Wir werden in den kommunalen Beiräten für Migration und Integration, wie sie zukünftig heißen werden, im Ergebnis also ganz unterschiedliche Beiratsmitglieder vorfinden:

Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne kommunales Wahlrecht, die auch bisher im Beirat vertreten waren und die ausschließlich ihre Migrations- und Integrationsbeiratsposition vorzuweisen haben,

Mitbürgerinnen und Mitbürger, die in diese Beiräte entsandt wurden und zusätzlich auch das kommunale Wahlrecht besitzen – eine etwas eigenwillige Konstruktion, aber sei es drum – und

Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Ausländerbeiratsmitglieder sind, das kommunale Wahlrecht besitzen und beispielsweise über ihre demokratische Legitimation als Mitglieder des Gemeinde- oder Stadtrates auch mitentscheidungsbefugt sind.

Diese Konstruktion ist sehr kompliziert, aber wir hoffen alle, dass sie dauerhaft zu einem guten Ergebnis führen wird.

Das, was wir mit dem Ausländerbeirat und der nachlassenden Unterstützung erlebt haben, muss uns zu denken geben. Wir hoffen natürlich alle, dass diese Probleme nun einigermaßen beherrscht werden.

Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf einer Anhörung zugeführt werden muss. Ich glaube, dies ist auch unisono Position der übrigen Fraktionen. Nach dieser Anhörung werden wir mehr wissen, und dann wird auch Gelegenheit sein, sich tatsächlich inhaltlich zu positionieren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schmitz.

Bevor ich Herrn Kollegen Noss das Wort erteile, darf ich weitere Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen. Ich begrüße Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Sozialkundekurs im Rahmen der Beruflichen Integrationsmaßnahme für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen der Rheinhessen-Fachklinik Alzey sowie Vertreterinnen und Vertreter rheinland-pfälzischer Ausländerbeiräte und ihrer Dachorganisation, der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte RheinlandPfalz, den stellvertretenden AGARP-Vorsitzenden, Herrn Musa Koc, und den Geschäftsführer der AGARP, Herrn Miguel Vincente. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag! (Beifall im Hause)

Bitte schön, Herr Kollege Noss.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Rheinland

Pfalz leben fast 700.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Das sind fast 17 % der Bevölkerung, die darunter zu subsumieren sind. Dies sind Menschen, denen wir auch Teilhaberechte am gesellschaftlichen wie auch am kulturellen Leben zubilligen müssen. Gleiche Bildungschancen und berufliche Möglichkeiten sind hierfür sehr wichtige Voraussetzungen, wie wir alle wissen. Herr Kollege Dr. Schmitz hat vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund häufig große Probleme haben, was ihre berufliche Ausbildung betrifft.

Eine Möglichkeit, in dieser Situation entsprechend zu wirken, ist eine Weiterentwicklung der derzeit bestehenden Ausländerbeiräte, die zukünftig Beiräte für Migration und Integration genannt werden sollen. In der Gemeindeordnung und in der Landkreisordnung sind die entsprechenden Bestimmungen dafür verankert. Zu den ausländischen Einwohnern zählen zurzeit auch Staatenlose. Die Ausländerbeiräte müssen dort gewählt werden, wo mehr als 1.000 ausländische Mitmenschen wohnen. Um eine gültige Wahl zustande zu bringen, ist allerdings eine Wahlbeteiligung von 10 % erforderlich, eine Zahl, die – wie wir alle wissen – in letzter Zeit häufig gerissen wurde. Ich glaube, wenn sich jemand bemüht, ein entsprechendes Gremium zu installieren, ist nichts frustrierender, als wenn anschließend gesagt wird: Es war zwar alles wunderbar, aber es sind nur 9 % Wahlbeteiligung zustande gekommen. – Dies ist nämlich ungefähr der Durchschnitt der Wahlbeteiligung. So haben wir bei 55 Versuchen, einen Ausländerbeirat zu etablieren, lediglich 33-mal eine Wahlbeteiligung von 10 % erreicht. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Ausländerbeiräte einzuberufen.

Dadurch, dass zwischenzeitlich viele Menschen mit Migrationshintergrund eingebürgert wurden bzw. auch viele Aussiedler einen Migrationshintergrund haben, die allerdings bei der bisherigen Ausgestaltung des Rechts nicht an diesen Gremien teilnehmen konnten, haben wir uns entschlossen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Integrations- und Migrationsarbeit auf eine wesentlich breitere Basis stellt und dabei hilft, erfolgreicher und zielgerichteter zu arbeiten. Als erste Maßnahme haben wir daher im Gesetzentwurf die 10 %-Hürde wegfallen lassen. Damit die Wahl eines Beirates für Migration und Integration auch tatsächlich stattfinden kann, ist nunmehr lediglich erforderlich, dass sich mehr Personen zur Wahl stellen, als Plätze im Migrationsbeirat zur Verfügung stehen. Falls dies nicht der Fall ist, findet keine Wahl statt, sondern in diesem Fall soll ein Beirat für Menschen mit Migrationshintergrund eingerichtet werden.

Wahlberechtigt sind alle ausländischen Einwohner und alle Spätaussiedler. Wählbar sind ausländische Einwohner, Spätaussiedler sowie erstmals alle Bürger der Gemeinde. Viele Deutsche sehen in der Migrationsarbeit eine sehr wichtige Herausforderung und möchten sich entsprechend in den Gremien betätigen. Dies war in der Vergangenheit nicht möglich. Wir haben in unserem Gesetzentwurf nun diese Möglichkeit geschaffen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bis zu einem Drittel der Mitglieder des Migrationsbeirats laut einer Satzung der Gemeinde zusätzlich zu entsenden, sodass

wir letztendlich ein breit gefächertes Spektrum an Personen haben, die sich in der Migrationsarbeit einbringen.

(Beifall der SPD)

Der Beirat wählt aus seinen Mitgliedern einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden. Der Beirat kann über alle Angelegenheiten der Migration beraten und entsprechende Vorschläge an die Gremien der Gemeinde unterbreiten. Er kann sich gegenüber der Gemeinde äußern, und vor allen Dingen hat der Vorsitzende oder einer seiner Stellvertreter Rederecht in allen Gremien der Gemeinde. Dies bietet vielschichtige Mitwirkungsmöglichkeiten, die den Integrationsgedanken mit Sicherheit weiter voranbringen.

In den Landkreisordnungen wurden ebenfalls die entsprechenden Bestimmungen geändert. Ich glaube, wir haben mit dieser Änderung die Basis für ein erhebliches Mehr an Beteiligungsmöglichkeiten im politischen Raum für Menschen mit Migrationshintergrund geschaffen, auf der sich die weitere Arbeit aufbauen lässt.