Protocol of the Session on December 12, 2007

Dabei wissen wir, dass diese Fähigkeiten von Elternhaus zu Elternhaus – dafür sind die Kinder auf keinen Fall verantwortlich, manchmal auch nicht die Elternhäuser, weil es objektive Schwierigkeiten gibt – sehr unterschiedlich sein und die Kinder sehr unterschiedliche Voraussetzungen finden können. Da ist das Kind aus der Migrantenfamilie, in der man nicht deutschsprachig aufgewachsen ist, und die Herausforderung, dann in einer deutschen Schule zu sein, ein Vielfaches dessen ausmacht, als wenn man mit seiner Muttersprache in die Schule kommt.

Da ist das Kind aus der Familie, in der man daheim nicht intensiv kommuniziert, nicht miteinander liest, nicht miteinander spielt, auch eine Realität in unserer Gesellschaft. Die wollen wir nicht, die wünschen wir uns nicht, aber sie ist da. Wir sind verpflichtet, auch diesen Kindern eine Chance zu eröffnen, soweit die Gemeinschaft dies kann. Das wird nie das Elternhaus ersetzen können, aber doch einen gewissen Ausgleich in den Chancen bieten können.

Da sind durchaus auch Kinder aus Familien, die es sich materiell leisten und auch intellektuell leisten könnten, die Kinder besser zu fördern, die sich aber aus anderen Gründen dazu nicht in der Lage sehen.

Das alles gibt es neben – Gott sei Dank – auch intensiver Zuwendung einer ganz großen Zahl der Elternhäuser. Wir haben darauf die Antwort gegeben, dass wir mit dem Stichwort „Bildung von Anfang an“ sehr früh fördern wollen, sehr früh helfen wollen, vorhandene Defizite auszugleichen, und Stärken, die in den Kindern angelegt sind, auch zu fördern. Wir haben dies mit unserem Konzept der Ganztagschulangebote fortgesetzt – ich sage „der Angebote“ –, um deutlich zu machen, das endet nicht mit dem ersten Grundschuljahr, sondern diese

besondere Förderung, dieser Nachteilsausgleich und die Vorteils- oder Chancenförderung bei besonderen Befähigungen müssen fortgesetzt werden.

Jetzt sagen einem nun einmal die Fachleute und alle internationalen Stimmen, dass es unter diesem Gesichtspunkt Sinn macht, die Kinder länger gemeinsam in die Schule gehen zu lassen als nur bis zum vierten Schuljahr. Es ist doch nicht zu bestreiten, dass es so ist, dass diese Empfehlungen da sind.

(Keller, CDU: Aber keine wissenschaftliche Begründung! – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Keine wissenschaftliche Begründung? – Ich wollte noch die PISA-Studie mit hierher nehmen. Was haben Sie uns mit der PISA-Studie gepiesackt, aber diese Aussage leugnen Sie jetzt hier. Was wollen Sie denn, lieber Herr Keller?

(Starker Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Lieber Herr Keller, ich komme in aller weihnachtlichen Ruhe noch dazu, was bei Ihnen alles in diesem Zusammenhang stimmt und was nicht stimmt.

(Keller, CDU: Bringen Sie mir die wissenschaft- lichen Begründungen!)

Ich stelle das auf jeden Fall fest, dass es so ist. Ich habe außer Ihnen jetzt noch niemand gehört, der bestreitet, dass das in diesen Studien steht.

(Keller, CDU: Nein!)

Gut. Es gibt einige Dinge, die sind einfach sinnlos, weil, wenn man es nicht wahrnehmen will, es auch keinen Sinn hat, dass man es dreimal sagt. Wenn Sie jetzt aber wirklich bestreiten, dass all diese Studien darauf ausgehen zu sagen, dort, wo zu früh sortiert wird, haben die Kinder einen Nachteil in den Chancen, das ist nämlich die Hauptkritik am deutschen Schulsystem gewesen, dann kann ich das nicht nachvollziehen, oder ich habe das Ganze nicht zu Kenntnis genommen. Mein Gott!

(Beifall der SPD)

Aus Ideologie kann man doch nicht auch die Wirklichkeit verdrehen. Man kann immer noch eine andere Meinung haben, aber dass das dort steht, kann man doch nicht bestreiten, weil man es sonst immer wieder vorlesen müsste. Aber vielleicht ist das auch nicht genug.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Grundansatz, danach zu suchen, wie man diese Förderung optimal hinbekommt, der eint uns hoffentlich trotz der gedanklichen Verweigerungshaltung eines Teils der CDU.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann haben wir uns in diesem Land – im Übrigen liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP über 15 Jahre gemeinsam – für die Gleichwertigkeit – nicht die Gleichheit, sondern die Gleichwertigkeit – von beruflicher und allgemeiner Bil

dung eingesetzt und eine Reihe von Zeichen gesetzt, die es teilweise bis heute noch in keinem anderem Land gibt: Hochschulzugang, Meisterprüfung aufwerten usw.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Selbstverständlich bleibt es ausdrücklich dabei. Liebe Frau Morsblech, es ist wirklich ein abenteuerliches Unterfangen, ausgerechnet Frau Ahnen und mir zu unterstellen, wir hätten einen Bruch zur beruflichen Bildung.

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Mit Verlaub, wo ein weiterführendes Schulsystem organisiert ist, ist doch kein Bruch, und schon gar nicht, wie sie es behauptet hat, mit dem dualen System.

(Pörksen, SPD: Also wenn ein Bruch, dann dort!)

Entschuldigung, das ist schlicht und einfach völlig daneben, was Sie da gesagt haben.

(Beifall der SPD)

Sie werden keinen leidenschaftlicheren Befürworter des dualen Systems finden als mich. Was soll also eine solche Unterstellung?

Deshalb bleibt es dabei, dass das berufsbildende Schulsystem in unser Gesamtsystem als besonders wichtig und wertvoll in unserer Form, die Menschen zu befähigen, ihr Leben zu meistern und beruflich erfolgreich zu sein, in voller Anerkennung einbezogen ist und bleibt, solange wir etwas zu bestimmen haben.

Ich will einen weiteren Punkt noch einmal festhalten. Es kann doch in diesem Land wie auch in allen anderen deutschen Ländern niemand ernsthaft bestreiten, dass es dringend notwendig ist, jetzt über die Frage nachzudenken und Entscheidungen auf den Weg zu bringen, wie wir die demografischen Veränderungen, nämlich eine geringere Zahl an Schülerinnen und Schülern in den kommenden Jahren, in unser Schulsystem so mit einbinden, dass auch im Eifelkreis und im Landkreis Rheinpfalz, die völlig unterschiedlich sind in ihrer Dichte, oder irgendwo anders, ein möglichst ortsnahes und möglichst qualifiziertes und differenziertes Schulsystem angeboten wird.

Wer sagt, dann bleibt alles, wie es ist, macht doch den Menschen etwas vor. Dann wird es zwangsläufig zu mehr Schulschließungen kommen, als wenn man Einheiten schafft, die funktionsfähig sind. Das ist doch nur eine Grundrechenart, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Wenn mir jetzt noch jemand sagt, dass bei dem prognostizierten Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler alle Schulen, wie sie jetzt sind, einfach erhalten bleiben könnten, dem muss ich wirklich sagen: Dann machen Sie den Leuten etwas vor. – Das darf man nicht tun. Wie man es organisiert, darüber können wir politisch streiten, aber dass man es organisieren muss, mit der

Demografie umzugehen, darüber kann man nicht ernsthaft streiten.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es denn nicht so, dass wir über diese Frage der Chancengleichheit auch entlang der Datenlage, die uns vorliegt, ernsthaft nachdenken müssen? Wollen wir es uns weiterhin leisten, dass nach den Statistiken aus Arbeitnehmerfamilien gerade einmal 23 % der Kinder die Chance auf eine Studienausbildung haben?

(Baldauf, CDU: Das hat doch nichts mit Schulform zu tun!)

Habe ich jetzt über Schulform geredet?

Lieber Herr Baldauf, versuchen Sie einfach einmal, einen Moment zuzuhören.

Ich rede davon, unabhängig, welche Antworten wir geben. Wollen wir uns dies weiterhin leisten? Ist es nicht eine Ungerechtigkeit per se, und ist es nicht ein Vertun von Fähigkeitsressourcen in unserem Land? Sind wir uns einig, dass das so nicht bleiben kann?

(Lelle, CDU: Was haben Sie in den 15 Jahren gemacht?)

Lieber Gott im Himmel.

(Zurufe von der CDU)

Sie können nur in politischen Kategorien denken, die von Keiferertum und Angreifen geprägt sind. Kann man sich nicht einen Moment von diesem Pult aus, und dann anschließend meinetwegen intellektuell, mit einem Problem sauber auseinandersetzen, außer dass Ihnen die Parteipolitik aus den Ohren hängt?

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Wenn das alles so schrecklich ist – Frau Kohnle-Gros, ja –, wie Sie es hier darstellen, warum hat denn das Saarland mit absoluter CDU-Mehrheit die Auflösung der Hauptschulen beschlossen? Warum denn? – Weil es so schreckliche Ideologen sind, noch viel schrecklicher als wir, weil wir einen berufsqualifizierenden Abschluss beibehalten. Das habe ich auch vor der Handwerkskammer gesagt.

(Keller, CDU: Nee, nee!)

Ach, was Sie lesen, ist doch nicht das, was ich gesagt habe. Ich weiß schon, was ich dort gesagt habe. Ich habe gesagt, in Rheinland-Pfalz wird es auch weiterhin berufsqualifizierende Abschlüsse geben.

(Keller, CDU: Dreigliedrigkeit, das steht drin!)

Ja, sicher, in der „BILD“-Zeitung steht auch manches, und trotzdem hat es mancher nicht so gesagt.

(Zurufe von der CDU)

Ach. Lassen wir es doch einfach.