Protocol of the Session on May 31, 2006

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dies alles sind Argumente, die vor der Wahl richtig waren und die nach Auffassung der FDP-Fraktion auch nach der Wahl richtig sind.

(Beifall der FDP)

Das ist nicht nur die Auffassung der FDP-Fraktion, sondern es ist durchaus auch die Auffassung der Wirtschaftswissenschaften. Ich darf aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 11. April 2006 zitieren. Dort lautet die Überschrift: „Die Welt boomt, nur Deutschland nicht“. In diesem Artikel wird der IWF zitiert. Er wird damit zitiert, dass er für dieses Jahr 1,4 % Wachstum vorsieht und für nächstes Jahr einen halben Prozentpunkt weniger. Er hat für das Jahr 2007 herunterkorrigiert, nicht zuletzt im Hinblick auf die geplante Umsatzsteuererhöhung, weil dies die Verbraucherpreise kräftig ansteigen ließe und eine höhere Preissteigerungsrate herbeiführen würde.

Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ an anderer Stelle: „In allen anderen Regionen der Welt, Asien, Nordamerika, aber auch Westeuropa, wird sich der Aufschwung dagegen im nächsten Jahr unbegrenzt fortsetzen, nur in Deutschland nicht.“

Dies führt nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ aus, wenn sie den IWF zitiert, dies zitieren Zeitungen auch an anderer Stelle, wenn sie deutsche und andere Volkswirte zitieren. Alle gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr den Boom, den wir bisher haben, nicht mehr fortsetzen werden. Wir brauchen diesen Boom.

(Beifall der FDP)

Wir brauchen einen Boom, um sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu haben. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gibt es aber nur, wenn die Wirtschaft wächst. Das Gleiche gilt bei den Ausbildungsplätzen. Auch diese lassen sich durch eine Umsatzsteuererhöhung, die diesen Boom nicht zustande bringt, sondern bremst, nicht erreichen.

Herr Kollege Baldauf, Sie nicken. Aber Ihre Bundesvorsitzende macht auf Bundesebene mit. Wir würden uns wünschen, dass Sie dort Einfluss nehmen, damit diese wirtschaftsschädliche Steuererhöhung so nicht kommt.

(Beifall der FDP)

Diese Politik bremst somit eine sozial gerechte Wirtschaftspolitik, weil mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, auch in Rheinland-Pfalz, auf diese Art und Weise nicht entstehen können.

Dazu fand sich in Ihrer Regierungserklärung kein Wort. Sie und andere aus Ihrer Partei haben diese Kehrtwendung nach der Bundestagswahl damit erklärt, dass dies die staatspolitische Lage erfordere, es wegen der Lage der öffentlichen Haushalte erforderlich sei und man nicht anders könne, als diese Steuererhöhungen vorzunehmen.

Das wäre für mich alles ein Vielfaches glaubwürdiger, wenn die SPD nicht vor der Bundestagswahl auch den Finanzminister gestellt hätte. Wer konnte besser in Deutschland wissen, wie die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte ist, wenn nicht die SPD vor der letzten Bundestagswahl? Wenn sie vorher gesagt hat, eine Umsatzsteuererhöhung ist nicht notwendig, dann muss das danach erst recht gelten. Weil die FDP in RheinlandPfalz nicht mehr an Ihrer Seite ist, werden Sie bedauerli

cherweise im Bundesrat – so muss ich es formulieren – umfallen.

(Beifall der FDP)

Wenn es schon notwendig ist, um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, so vermisse ich jedwede Aussage in Ihrer Regierungserklärung, wie denn diese Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuererhöhung zur Schuldentilgung oder zur Verringerung der Verbindlichkeiten in Rheinland-Pfalz verwendet werden sollen. Geschätzt werden rund 400 Millionen Euro im ersten Jahr, im folgenden Jahr rund 500 Millionen jährlich. Das hat natürlich wie immer bei Schätzungen Schwankungsbreiten nach unten und nach oben. Es fehlt aber jede Erklärung, wie damit umgegangen werden soll.

Wir finden lediglich einen Satz, den ich von Seite 22 der Regierungserklärung zitieren darf: „Das zentrale finanzpolitische Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Verfassungsgrenze wieder ohne Vermögensveräußerungen einzuhalten.“ Das ist ein sicher wichtiges Ziel, das wir auch in dieser Form unterschreiben wollen. Aber es muss dazukommen, dass die Verschuldung zurückgeführt wird, weil Zins und Tilgung eine Belastung für zukünftige Generationen sind.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Wenn die Prognosen der Wirtschaftsfachleute zutreffend sind, dass dies die Inflation fördern wird, wird auch für uns der Schuldendienst teurer. Es ist also auch im Interesse der Staatskasse, dass die Schulden zurückgeführt werden.

Dazu findet sich keine Aussage in der Regierungserklärung. Eine Chance für zukünftige Generationen, eine Verbesserung der Lage zu erreichen, wird nicht wahrgenommen. Das hat meines Erachtens mit Chancengerechtigkeit nichts zu tun. Ich habe die Sorge, dass dies die Gesellschaft ein Stück weit in diejenigen spaltet, die heute konsumieren, und diejenigen, die es vielleicht später bezahlen müssen. Das kann keine sinnvolle finanzpolitische Regierungspolitik sein.

(Beifall bei der FDP)

Ich vermisse auch eine Aussage darüber, wie sich denn nun angesichts dieser Ausgaben die mittelfristige Finanzpolitik darstellen soll, wann man denn erreichen möchte, dass wir damit beginnen, unseren Kindern weniger Schulden als heute zu hinterlassen. Auch dazu gab es keine Erklärung, obwohl letztendlich entsprechende Einnahmen aus dieser Steuererhöhung zu erwarten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stimme der SPD durchaus zu, wenn sie sagt, dass diese Umsatzsteuererhöhung die breiten Massen trifft. Vor diesem Hintergrund finde ich es auch verständlich, dass Sie die Reichensteuer erheben wollen. Vor diesem Hintergrund kann ich es sehr gut nachvollziehen.

Es ist aber für die Wirtschaft und auch für die zukünftigen Arbeits- und Ausbildungsplätze in dieser Gesellschaft wichtig, dass dann, wenn sie schon eingeführt

wird, um das Gewissen zu beruhigen, wenigstens die Gewinne ungeschoren bleiben, die den Unternehmen verbleiben. Diese werden investiert, um Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Diese sollten nicht zusätzlich belastet werden. Ich hoffe, es bleibt dabei.

(Beifall der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verräterischer sind da schon einige Sätze ebenfalls aus der Regierungserklärung, in der auf Seite 22 ausgeführt wird: „Auf weniger breite Zustimmung stößt, dass dem Staat für die Verwirklichung dieser Ziele auch ein angemessener Teil der Wirtschaftsleistungen zugestanden werden muss. Leider sehen manche Menschen und auch einige Unternehmen in der Steuer- und Abgabenpolitik nur den ‚Griff in die Tasche’. Sie vergessen darüber, dass Lehrer und Polizisten ihren gerechten Lohn erhalten müssen, dass Straßen, Theater, Schulen einen hohen finanziellen Aufwand erfordern und dass Beiträge für den Besuch privat finanzierter Universitäten nur von Wenigen gezahlt werden können.“ –

Dieser Hinweis ist schon ein wenig verräterisch, weil er eine Erklärung des Ministerpräsidenten auf Bundesebene durchschimmern lässt, mit der er schon bisher Schiffbruch erlebt hat, nämlich die Behauptung, dass die Staatsquote zu gering sei und wir eine höhere Staatsquote benötigen.

(Ministerpräsident Beck: Das stimmt ja gar nicht! Die Steuerlastquote! Das ist etwas ganz anderes!)

Steuerlastquote. Ich nehme es zurück, Entschuldigung. Das ist in Ordnung, Herr Ministerpräsident. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich mich an der Stelle versprochen habe. Aber entscheidend ist nicht allein die Steuerlastquote, Herr Ministerpräsident, sondern entscheidend ist die Summe aus Steuerlastquote und Abgaben. Da sind wir europaweit mit an der Spitze.

(Beifall der FDP und des Abg. Billen, CDU)

Deswegen ist es schon etwas verräterisch, wenn mit Verweis auf andere Länder eine niedrige Steuerlastquote reklamiert wird. In anderen Ländern ist dafür die Abgabenquote anders strukturiert. Da sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Insofern meine ich, dass auch ein wenig das durchschimmert, was bei der Begründung für die Reichensteuer gern durchschimmernd erläutert wird, dass nämlich die Reichen durchaus ein Stück weit mit dazu beitragen könnten, die Dinge in Ordnung zu bekommen.

Ich möchte das gern unterstreichen, das ist kein Problem. Wenn man das aber schon so erklärt, dann sollte man dazu sagen, dass bereits heute etwa 25 % derjenigen, die Einkommensteuer bezahlen, 80 % erbringen

(Beifall der FDP)

und sich deshalb nicht sagen lassen müssen, dass sie sich in die Büsche s chlagen und nichts beitragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich kann man das machen. Natürlich kann man solche Steuern erhöhen. Aber man sollte nicht die Kuh prügeln, die man melken möchte. Es könnte sein, dass sie von der Weide läuft. Dann bekommen Sie keine Milch mehr. Das kann auch nicht im Sinn unseres Landes sein.

(Beifall der FDP – Hartloff, SPD: Es gibt schon genug alte Kühe!)

Ja. Es wäre aber schön, wenn noch ein paar Kühe da wären, die Sie melken können, nicht wahr, Herr Kollege Hartloff. Das ist die Schwierigkeit, in der wir uns befinden.

(Hartloff, SPD: Da sind wir uns einig!)

Die Schwierigkeit ist durchaus auch virulent vorhanden. Ich erinnere mich an eine Presseerklärung der Genossenschaftsbanken aus Bayern, die eine Kapitalflucht nach Österreich beklagt haben. Es ist eine Kapitalflucht, die für uns nicht gut sein kann. Kapital, das nicht hier ist, kann nicht investiert werden und kann nur zu höheren und teureren Zinssätzen investiert werden. Es schafft nicht zusätzliche Arbeitsplätze, schafft nicht zusätzliche Ausbildungsplätze. Deswegen muss man alles machen, eine solche Kapitalflucht zu verhindern.

(Beifall der FDP)

Höhere Steuern sind nicht immer das geeignete Mittel dafür.

Sie gefährden auch Arbeitsplätze bei uns, weil natürlich im Kapitalbereich, im Bankenbereich Arbeitsplätze angeboten werden, die so nicht vorgehalten werden können, wenn ein Großteil des Kapitals im Ausland verwaltet wird.

Der Herr Ministerpräsident hat aber in dem eben zitierten Satz auch gesagt, dass diejenigen, die nicht höhere Steuern zahlen wollen, vergessen, dass Lehrer und Polizisten gerechten Lohn erhalten müssen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP-Fraktion vergisst dies nicht.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind auch der Auffassung, dass Lehrer und Polizisten einen gerechten Lohn haben sollen. Ich erinnere mich aber daran, dass wir gemeinsam für die Beamten im öffentlichen Dienst die Arbeitszeit verlängert und verabredet haben, dass Entsprechendes für Arbeiter und Angestellte im Tarifbereich nachgeholt wird.

Ich darf feststellen, dass der letzte Tarifvertrag nicht geeignet ist, die gleichen Belastungsverhältnisse herzustellen.

(Beifall der FDP)

Arbeiter und Angestellte arbeiten nach diesem Tarifvertrag nicht so viel, wie wir gemeinsam für Beamte beschlossen haben, nämlich 40 Stunden pro Woche.

Hier auf die Krankenschwester zu verweisen, der ich gern die 38,5 Stunden gönne, ist nicht ganz zielführend, wenn man gleichzeitig den Strafvollzugsbediensteten nimmt, der 40 Stunden arbeiten muss. Die Belastungen sind ähnlich und vergleichbar.

(Beifall bei der FDP)