Es ist umgesetzt, dass er einen strukturierten Tagesablauf hat. Es ist umgesetzt, dass Erziehung und Resozialisierung im Mittelpunkt stehen, um dem Gefangenen ein zukünftiges Leben straffrei, aber auch in sozialer Verantwortung zu gewährleisten. Ich frage Sie: Was ist das denn anderes als „Fördern durch Fordern“?
Tun Sie nicht so, als hätten Sie dieses Konzept erfunden. Nein, wir brauchten leider eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung. Das liegt jetzt ausnahmsweise nicht an uns, es war vorher Bundeskompetenz. Sie haben gesagt: Leute, packt es einmal in ein ordentliches Gesetz mit den und den Vorgaben, um nämlich zu sehen, was alles notwendig ist, um den jugendlichen Heranwachsenden auch wieder eine Chance zu geben. Das ist fast so, als hätte die Politik jahrelang an einem Haus „Strafvollzug“ und „Jugendstrafvollzug“ herumgebastelt, bis das Bundesverfassungsgericht ihnen irgendwann einmal erklärt hat: Jungs, ihr habt gar kein Fundament und braucht erst einmal ein Gesetz, um freiheitsentziehende Maßnahmen machen zu können. – Das ist eigentlich für jeden von uns selbstverständlich, aber im Strafvollzug hat es nie jemand angepackt.
Das nächste Thema wird auch noch kommen, nämlich die Untersuchungshaft. Wir sollten nicht zu lange warten, bis wir das angehen.
Um bei dem Bild zu bleiben, wenn man schon einmal am Renovieren ist, dann kann man auch die einen oder anderen Sachen mitorganisieren. Das geht in einem und hat durchaus Sinn. Wir wollen keinen Vollzug nach Kassenlage machen. Auch die anderen Bundesländer wollen das nicht. Das war einer der großen Vorwürfe. Wir wissen, das kostet Geld. Aber Vollzug kostet heute
schon Geld. Sie wissen alle, der Gesamtzuschuss im Bereich des Strafvollzugs, nicht nur Jugendstrafvollzug, im Kapitel 05 04 im Einzelplan 05 beträgt heute schon über 110 Millionen Euro, dies mit allem drum und dran.
Wenn Dreiviertel der jugendlichen Häftlinge im Bereich des Jugendstrafvollzugs wieder rückfällig werden, muss man sich schon fragen, ob wir bisher bei der bundesgesetzlich geregelten Materie die richtigen Konzepte hatten.
Wir haben in einer guten Podiumsdiskussion des Justizministeriums gehört, dass es durchaus andere Konzepte gibt als das, was Sie vorschlagen, nämlich einfach in den geschlossenen Vollzug wegsperren.
(Dr. Wilke, CDU: Das ist Blödsinn, das stimmt doch überhaupt nicht! Sie haben doch überhaupt nicht zugehört!)
Andere Länder machen hervorragende Erfahrungen damit. Ich habe sehr gut zugehört. Sie haben gesagt, geschlossener Vollzug, und der Rest muss verdient werden.
Geschlossener Vollzug ist Wegsperren. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in einer Jugendstrafanstalt waren, aber fahren Sie einmal in den Altbau nach Wittlich.
Wir haben zum Beispiel die Niederländer, die wesentlich kürzer vollstrecken. Sie haben Rückfallquoten nicht wie wir von 78 %, sondern nur von 50 %. Wir haben die Schweizer, die noch nicht einmal eine Jugendstrafanstalt besitzen, sondern sagen, die Täter müssen therapiert werden. Sie haben Rückfallquoten von 35 %.
Also müssen wir uns fragen, ob einfach dieses von Ihnen propagierte „In den geschlossenen Vollzug stecken“ das richtige Mittel ist. Nein, ich glaube, es ist wichtig, auch andere Wege zu gehen.
Es gibt durchaus Landesregierungen, die das anders als Sie sehen. Da gibt es ein Ländle, ein bisschen südlich von uns. Das ist seit Jahrzehnten furchtbar rot regiert. Sie machen in Baden-Württemberg Modellprojekte, Vollzug in freier Form. Jetzt könnten Sie sagen, das ist eine Art Jugendherberge, das ist kein Knast. Seltsamerweise suchen Sie sich gerade mit bestem Erfolg die schlimmsten Täter heraus, nämlich diejenigen, die das meiste auf dem Kerbholz haben. Sie sagen, diese brauchen Hilfen in allen Lebenslagen. Denen muss man
einen strukturierten Tag geben. Damit senken sie die Rückfallquote enorm. Deshalb sind die Maßnahmen, die im Gesetz angesprochen werden, die richtigen.
Der Minister hat es korrekt gesagt. Die Gesellschaft hat die Verantwortung für den Vollzug. Jemandem, dem ich keine Chance gebe, resozialisiert zu sein, ein Leben straffrei in sozialer Verantwortung zu führen, der wird wieder rückfällig. Er kostet wieder Geld. Sie wissen alle, jemand, der rückfällig wird, der bietet sicher keinen Schutz für die Bürgerinnen und Bürger. Er begeht neue Straftaten.
Das von Ihnen Gelobte ist wichtig und ein Markstein dieses Gesetzes. Machen wir uns nichts vor. Dazu gehört ein gutes Übergangsmanagement. Die Jungs und Mädels, die aus dem Knast kommen, dürfen nicht in ein Loch fallen. Sie haben im Gefängnis etwas verdient. Danach haben sie noch nicht einmal Anspruch auf soziale Unterstützung. Sie kommen aus dem Gefängnis und haben nichts mehr. Sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Sie haben keinen Anspruch auf Wohngeld. Sie bekommen keine Wohnung organisiert. Ihnen hilft niemand, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden. Bisher gibt es da kein verzahntes Netzwerk. Deshalb ist es gut, dass dies eines der Meilensteine ist, die jetzt umgesetzt werden.
Die Suchtproblematiken sind angesprochen worden. Suchtproblematiken beziehen sich nicht nur darauf, dass jemand Cannabis raucht, Heroin spritzt oder sonst irgendetwas macht. Es gibt multiple Suchtproblematiken und multiple Störungen und Krankheitsbilder. Aus diesem Grund muss die Sozialtherapie ausgebaut werden, damit solche Jugendliche überhaupt eine Chance für eine Resozialisierung bekommen können.
Wir sehen jeden Tag in der Gesellschaft, dass der wichtigste Punkt die Ausbildung der Jugendlichen ist. Sie sagen zu Recht, viele, die dort sind, müssen erst einmal Umgangsformen lernen. Modulare Ausbildung ist deshalb ein Schlagwort, Erziehung zur Ausbildung und zur Lernfähigkeit gehören dazu. Das wird auch umgesetzt.
Sie haben es angesprochen. Im September findet die Anhörung, die der Rechtsausschuss bereits gestern vorbehaltlich dessen beschlossen hat, was heute passiert, statt. Wir gehen davon aus, dass der Rechtsausschuss beauftragt wird, das Gesetz zu beraten. Also konnte man die Anhörung für den September beschließen. Wir werden uns genau anhören, wie die Vorschläge aus der Praxis aussehen. Die Vorschläge aus der Praxis sind deutlich anders als das, was Sie als Szenario aufgemacht haben, dass man nämlich mit mehr Härte herangeht und den geschlossenen Vollzug wie eine Reliquie hochhalten muss. Nein, die Vorschläge aus der Praxis sehen anders aus.
Es gibt durchaus gute Formen. Es gibt Personen, die kommen aus dem geschlossenen Vollzug morgens in die Hauptschule und gehen nachmittags dorthin zurück. Das geschieht, ohne dass sie rückfällig werden. So viel sage ich zum Thema, man muss sich den offenen Vollzug verdienen. Es gibt Menschen, die sind dazu geeignet. Es gibt sicher auch Menschen, die sind weniger dafür geeignet. Viele Gefangene wissen das auch von
sich selbst. Sie reden mit dem Anstaltsleiter, kommen in den offenen Vollzug, und nach drei Tagen sagen sie, sie können es nicht, man müsse mehr auf sie aufpassen.
Die Bediensteten im Strafvollzug sind gut ausgebildet und motiviert. Wir müssen sie personell verstärken, um auch die Sachen machen zu können, die ich gerade skizziert habe. Dazu gehört zum Beispiel der Vollzug in freien Formen und das Auseinandersetzen mit der Tat im Rahmen eines Angebots zu einem nachsorgenden Täter-Opfer-Ausgleich. Vielleicht gehören auch Therapieangebote mit den Familien dazu. Häufig sind diejenigen, die heute als Täter im Jugendstrafvollzug einsitzen, selbst einmal Opfer gewesen. Sie waren nicht nur Opfer von fremden Dritten, sondern von häuslicher oder familiärer Gewalt. Sie können Opfer von fehlender Erziehung und fehlenden Perspektiven sein.
Zur Resozialisierung und Erziehung gehört der Umgang mit neuen Medien. Das wird für uns bei der Gesetzesberatung ein großer Aspekt sein. Dazu gehören sportliche Tätigkeiten und kreative Aktivitäten. Die Jugendlichen brauchen Betätigung und sinnvolle Beschäftigung im Gefängnis. Sie brauchen einen strukturierten Tag von morgens bis abends mit möglichst wenig Freizeit dazwischen, die nicht sinnvoll genutzt wird. Es kann nicht sein, wie es leider jetzt viel zu häufig vorkommt, dass am Wochenende Einschluss und keine Aktivitäten stattfinden. Auch solche Sachen wollen wir ändern.
Dieser Gesetzentwurf ist deshalb ein wichtiger Schritt, den in den Ländern vorhandenen Kompetenzgewinn effektiv zu nutzen. Wir haben den Anspruch, einen Jugendstrafvollzug zu gestalten, der erfolgreich resozialisiert und nicht nur die Monstranz hochhält zu sagen, wir wollen wegsperren. Jeder, der nicht rückfällig wird, also erfolgreich resozialisiert ist, gibt Sicherheit für die Bevölkerung und spart viel öffentliches Geld.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie dem Vorspann des Entwurfs zum Landesjugendstrafvollzugsgesetz zu entnehmen ist, beruht er nicht nur auf eine Umverteilung der Gesetzgebungskompetenz vom Bund auf die Länder, sondern auch auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai vergangenen Jahres.
In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur festgestellt, dass der Gesetzgeber endgültig tätig werden muss, sondern hat auch konkrete Vorgaben gemacht, wie der Gesetzgeber aktiv werden muss und welche Regelungen das Gesetz im Detail enthalten muss. Das haben schon all meine Vorredner gestreift.
Als Haushaltsgesetzgeber mag man sich heimlich über eine solche Verantwortungsdelegation freuen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns, der ersten Gewalt im Staat, genau gesagt, wie wir unsere Hausaufgaben zu machen haben. Dadurch sind wir zumindest teilweise unserer Verantwortung enthoben, uns über sehr grundlegende Fragen eigene Gedanken zu machen. Die Grundlinien oder auch Mindeststandards des Gesetzes sind festgelegt.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns, den Fraktionen, damit die Einnahme sehr extremer Positionen in dieser Frage verwehrt, wobei ich, das möchte ich betonen, keinen Zweifel daran hege, dass es hier keine Fraktion gibt, die eine extreme Position einnehmen möchte.
Gleichwohl muss ich gestehen, dass mich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sehr nachdenklich gestimmt hat. Natürlich bedarf der besonders grundrechtsrelevante Bereich der Freiheitsentziehung durch den Staat einer gesetzlichen Regelung. Diese Position hat die FDP schon seit langem angenommen. Herr Mertin hat dies kurz nach seinem Regierungsantritt als Justizminister klar zum Ausdruck gebracht. Aber wenn es nur darum ginge, dass der Gesetzgeber etwas tun muss, hätte die Aufforderung zum Handeln mit Fristsetzung genügt. Der detaillierten Vorgaben, so wie sie jetzt vorliegen, hätte es nicht mehr bedurft.
Mir drängt sich deshalb durchaus der Verdacht auf, dass das Bundesverfassungsgericht damit nicht nur einen verstärkten rechtlichen Druck zum Handeln aufbauen wollte, sondern deutlich gemacht hat, dass es nach dem ganzen Hin und Her der letzten 35 Jahre – so lange dauert bedauerlicherweise mittlerweile die Diskussion – nicht mehr sehr viel Vertrauen in die Entscheidungskraft und den Entscheidungswillen der ersten Gewalt auf dem Gebiet des Jugendstrafvollzuges hat.
Wenn wir alle ehrlich sind, wissen wir, dass dieser Zweifel berechtigt ist. Es ist ein Armutszeugnis, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber es in 35 Jahren trotz mehrerer Anläufe nicht geschafft hat, eine gesetzliche Regelung durchzusetzen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir als Landesgesetzgeber möglichst zügig und qualitativ auf einem entsprechenden Niveau handeln und entscheiden. Wir sind gefordert, die mahnenden Worte der höchsten Instanz im Staat wirklich ernst zu nehmen. Deshalb mache ich einige Anmerkungen zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung, der heute in erster Lesung behandelt wird.
Auch wenn die Eckdaten für die künftigen gesetzlichen Regelungen im Urteil selbst festgeschrieben sind, so zeigen die Details und Ihre Diskussion sowohl in Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Bundesländern, dass es noch Entscheidungsspielräume gibt. Von meinen Vorrednern ist auch gesagt worden, dass ein breiter Konsens hinsichtlich des Erziehungsgedankens als primäres Vollzugsziel besteht. Das ist die Befähigung, ein Leben künftig in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen.
Aber es gibt hinsichtlich des Weges dorthin einige Punkte, die umstritten sind. Keinen Zweifel lässt der Entwurf daran, dass der Jugendstrafvollzug als Regelvollzug
hinter Mauern stattfindet und erteilt damit einem Anliegen, den Jugendstrafvollzug ausschließlich als offenen Vollzug und möglichst frei zu gestalten, eine klare Absage.
Herr Kollege Hoch, gestatten Sie mir auch die Nebenbemerkung: Bitte Vorsicht mit dem Begriff „Wegsperren.“ – Der Begriff „Wegsperren“ ist seinerzeit von Bundeskanzler Schröder im Zusammenhang mit Maßnahmen der Besserung und Sicherung, also insbesondere für die Sicherungsverwahrung, geprägt worden. Der Strafvollzug ist insofern kein Wegsperren.
Es ist zu begrüßen, dass ein Regelvollzug vorgesehen ist, der hinter Mauern stattfindet, also der geschlossene Vollzug; denn Jugendstrafvollzug ist nicht nur ein pädagogisches Einwirken auf den straffällig gewordenen Jugendlichen für die Zukunft, sondern auch ein VorAugen-Führen und Erlebbar-Machen der gesellschaftlichen Reaktion und Sanktion auf ein krasses Fehlverhalten in der Vergangenheit. Das pädagogische Einwirken setzt geradezu voraus, dass der jugendliche Straftäter aus seinem bisherigen sozialen Umfeld herausgenommen und an andere, zukunftsweisende Lebensformen gewöhnt wird. Zu der Erziehung gehört aber auch die Mitwirkung des Betroffenen. Er ist nicht nur Konsument der angebotenen sowohl Freizeit- als auch Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen, sondern er ist aktiv gefordert, an seiner eigenen Zukunft mitzuwirken.
Diesen Gesichtspunkt der Eigenverantwortung, der in dem Gesetzentwurf Gott sei Dank des Öfteren anklingt, sollte vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch etwas deutlicher herausgearbeitet werden. Ich würde mir vor allen Dingen wünschen, dass man auch etwas klarer sagt, was eine Verweigerungshaltung, die durchaus in Betracht kommt – wir kennen das auch außerhalb der Strafvollzugsanstalten –, für Konsequenzen hat.
Weitere Diskussionspunkte in dem Gesetzgebungsverfahren werden aus der Sicht der FDP noch die Ausgestaltung des therapeutischen Angebots, insbesondere die Sozialtherapie, sowie das Übergangsmanagement sein; denn im Rahmen der Sozialtherapie ist ein besonderes Angebot für Gewalt- und Sexualtäter ebenso unverzichtbar wie die Vorbereitung einer sozialen und wirtschaftlichen Integration, etwa durch die Ein- und Fortführung einer Entschuldungshilfe, insbesondere auch nach der Entlassung aus der Anstalt.