Protocol of the Session on April 26, 2007

Mit dieser verzerrten Wahrnehmung der Realität zieht man dann logischerweise auch nicht die notwendigen Schlüsse, die wirklich einer Integration dienlich wären. Da haben wir schon andere Erwartungen auch an diese Landesregierung.

Ich spreche Ihnen gar nicht ab, dass viel geschehen ist. Das tun wir nicht. Wir wissen, dass Sie sich sehr bemühen, aber Sie wissen auch, vieles, was gut gemeint ist, ist nicht zwingend gut gemacht.

Wenn all das, was in den vergangenen 20 Jahren gemacht worden ist, wirklich so gut gewesen wäre, hätten wir heute nach wie vor nicht die erhebliche Betroffenheit von Kindern mit Migrationshintergrund mit ihren Schwierigkeiten im Bildungssystem. Dann hätten wir sie nicht

überproportional bei denen, die keinen Abschluss haben. Dann hätten wir sie nicht überproportional aus dem dualen Ausbildungssystem verloren. Also kann doch nicht wirklich alles so effektiv, sinnvoll und gut gewesen sein, wie Sie uns das wahr machen wollen.

Ich befürchte, Sie wollen sich selbst etwas vormachen, oder Sie wollen den Menschen in unserem Land ein wenig weiße Salbe verkaufen. Da werden wir nicht mitmachen.

(Beifall der CDU)

Damit das ganz klar ist: Wir brauchen Einwanderung. Wir haben ein Zuwanderungssteuerungsgesetz, weil es auf dieser Welt gar nicht ohne Einwanderung funktioniert. Diese Einwanderung muss aber in die Gesellschaft erfolgen und darf nicht in Parallelgesellschaften erfolgen.

Ich nenne diesen Begriff, weil ich mir auch von Ihnen nicht das Benennen von Problemen verbieten lassen möchte. Es war Fakt, zum Glück in Rheinland-Pfalz nicht in dem Maße wie in vielen anderen großen Städten in Deutschland, dass regelrechte Gettos existierten und auch noch existieren, in denen die Menschen unter sich geblieben sind und in denen keine Kommunikation, kein Dialog, kein Miteinanderreden stattfand oder zumindest nicht in dem dringend notwendigen Ausmaß.

Wir müssen also feststellen, dass das, was bislang geschehen ist, nicht ausreichend war, um wirklich zu integrieren. Wir müssen – Herr Dr. Schmitz, da sind wir sehr nah beieinander – unsere Mittel und unsere Anstrengungen insbesondere auf die Jugendlichen und Kinder konzentrieren. Wir wissen, da ist es am leichtesten, Sprache zu lernen und sie mit unserer Kultur vertraut zu machen.

Zum Stichwort „Kultur“ sage ich Ihnen: Natürlich verlangen wir, dass jemand, der zu uns kommt, unsere Verfassung anerkennt, akzeptiert und lebt. Es reicht nicht, wenn er sagt, ich akzeptiere, dass die Deutschen nach ihrer Verfassung leben, aber ich lebe, wie es mir passt. Das geht nicht. Wer in Deutschland leben will, muss nach den Regeln unserer Verfassung leben.

(Beifall der CDU)

Lieber Herr Klöckner, das hat mit der Forderung nach Assimilation überhaupt nichts zu tun. Ich will weder, dass der Franzose, der hier lebt, sein „Vive la France“ und seine Art zu leben aufgibt, und ich will auch nicht, dass die Schweizer ihre wunderschöne Art zu leben aufgeben, aber ich verlange von Franzosen, Schweizern und genauso von Türken, dass sie, wenn sie hier leben, selbstverständlich unsere Verfassung akzeptieren und auch nach dieser Verfassung leben.

(Beifall der CDU)

Liebe Frau Ministerin, jetzt spreche ich noch die Frauenministerin an, die Sie auch sind. Wenn man als Frauenministerin das Thema „Gleichberechtigung und Rechte der Frauen bei unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern“ in dieser Regierungserklärung umwindet und umschweift wie die Katze den heißen Brei, habe

ich Zweifel daran, dass Sie bereit sind, die Probleme wahrzunehmen, zu erkennen und dagegen etwas zu unternehmen.

(Beifall der CDU)

Fangen wir doch mit dem Thema „Teilhabe von türkischen Mädchen am Sportunterricht an unseren Schulen“, „Teilnahme von türkischen Mädchen an Klassenfahrten von unseren Schulen“ und „Teilnahme von türkischen Mädchen am Schwimmunterricht in unseren Schulen“ an. Wie steht es damit? Welche Antworten haben wir da zum Thema Integration?

(Glocke des Präsidenten)

Für mich ist das Schlimmste in dieser Regierungserklärung das, was nicht gesagt worden ist. Ich habe die ganz dringende Bitte, dass Sie bereit zu einer ehrlichen Analyse sind

(Glocke des Präsidenten)

und Sie bereit sind, die Mittel auf das zu konzentrieren, was wirklich notwendig ist.

Jetzt sind erst die zehn Minuten um, Herr Präsident.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse der Klingenbachschule Billigheim-Ingenheim. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Darüber hinaus begrüße ich die Mitglieder des Geländervereins Neuwied. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Klöckner.

Die elf Minuten werde ich nicht ausschöpfen. Ursprünglich hatte ich nicht vor, noch einmal an das Rednerpult zu gehen, aber ich kann nicht das, was die Vorredner gesagt haben, einfach so stehen lassen.

(Bracht, CDU: Dabei haben Sie recht!)

Das gilt insbesondere für das, was Frau Kohnle-Gros und Frau Thelen gesagt haben. Ich weiß nicht, welches Menschenbild Sie haben.

(Pörksen, SPD: Das weiß ich sehr genau! – Frau Thelen, CDU: Ein ganz modernes Menschenbild!)

Ich kann von mir behaupten, dass ich seit 40 Jahren – das ist eine lange Zeit –, seit meiner Jugend, aktiv in der Integrationsarbeit tätig bin. Ich bin keiner, der theoretisch über dieses Thema spricht, sondern ich bin tagtäglich mit diesem Problem konfrontiert. Ich besuche auch alle Veranstaltungen, die vom Land dazu initiiert werden, aber ich besuche nicht nur die Veranstaltungen, die vom Land initiiert werden.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ja, Frau Kohnle-Gros, gelegentlich sehe ich Sie auch. Es gibt aber viele Veranstaltungen, auf denen ich als Einziger auftrete. Ich erlaube mir schon zu behaupten, dass ich einen guten Überblick habe.

(Licht, CDU: Das ist anmaßend!)

Das, was Sie genannt haben, leugne ich nicht. Es gibt Ehrenmorde, und es gibt auch Zwangsverheiratungen. Warum muss man aber den Fokus bei einem Thema, bei dem es so allumfassend um Integration geht, auf absolute kleine Minderheiten in der Gesellschaft richten, die im Grunde genommen hochrechnen und daraus ein Gesamtbild formen, das so gar nicht stimmt?

(Beifall der SPD)

Da wird ein Horrorszenario dargestellt. So ist die Welt nicht. Die Frau Ministerin hat vollkommen recht, wenn sie sagt, die Integration ist im Alltag angekommen. Sie ist nur bei der CDU-Landtagsfraktion und bei einigen verbohrten Menschen noch nicht angekommen.

(Beifall der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Warum diskutieren wir überhaupt noch?)

Gerade Ihnen als Christdemokraten müsste es doch viel bedeuten, wenn tagtäglich gerade christliche Vereinigungen mit Erfolg im ständigen Kontakt mit ausländischen Mitbürgern stehen. Hier läuft zwischenmenschliches Kommunizieren.

(Frau Thelen, CDU: Hilft das bei den Schulabschlüssen?)

Sie wissen ganz genau, dass das im Grunde genommen nicht beschränkt ist. Sie tun so, als wären nur Kinder mit Migrationshintergrund betroffen. Schauen Sie doch einmal in rein deutsche Familien hinein, wie dort die Situation aussieht. Ich halte es für sehr fatal, das zu einem speziellen Ausländerproblem zu machen.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Erlauben Sie mir, dass ich an der Stelle ein Beispiel nenne. Jeder von uns kennt doch den persischen Arzt. Vielleicht bringe ich die Berufsbezeichnungen durcheinander. Sie haben interessanterweise nur akademische Berufe genannt. Leute des Bildungsbürgertums sind angekommen. Ist denn derjenige, der tagtäglich im Blaumann arbeitet, für seine Familie sorgt und vielleicht

die intellektuelle Sprache nicht so gut beherrscht, nicht hier angekommen?

(Pörksen, SPD: Die Frage ist sehr richtig!)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass das ein ganz verfälschtes Bild ist.

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel von einem guten Freund von mir nennen. Dieser ist Afrikaner, von Beruf Psychologe, lebt schon lange in Deutschland und ist mit einer Deutschen verheiratet. Er sagte mir: Stell dir einmal vor, meine Schwiegermutter ist darauf angesprochen worden, dass ihre Tochter mit einem Schwarzen verheiratet ist. – Daraufhin hat sie gesagt: Ja, aber der ist Psychologe. –

Das zeigt uns, welches Denken in manchen Köpfen ist. Hier spielt die soziale Komponente und auch eine elitäre Überheblichkeit eine ganz große Rolle, die wir uns abschminken sollten. Alle gehören zu dieser Gesellschaft.