Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf doch darum bitten, dass wir den Geräuschpegel etwas zurückfahren. Frau Sahler-Fesel, Sie haben das Wort.
Das ist intensivst bei dem Bereich der Medien mit diskutiert worden. Es ist oft genug von dem Sachverständigen Franz Hamburger dargestellt worden. Sie als CDU gehen hin und nehmen den Migrationshintergrund quasi als die Ursache. Noch einmal – wie Sie eben dargestellt haben, man darf ja nicht mehr sagen, dass die Ausländerkinder stören. Sicherlich darf man das sagen, ja? Man darf das sehr wohl sagen, aber nicht mit diesem Duktus, den Sie gerade hereinbringen. Dann sollten Sie Ihren eigenen Antrag lesen. Auf der einen Seite schreiben Sie Sprachförderung in den Absatz 2 hinein. Da haben Sie völlig recht.
Aber wenn Sie dann wieder diese Offensive für Sprachförderung der Bundesregierung loben, da steht das ganz klar. Bei den Kindern, bei denen man Migrationshintergrund hat, fordern Sie sogar noch eine Liste von der Landesregierung. Also von wegen, Sie wollen unterstützen, dass man alles fördert. Hier unterstützen Sie gerade das Gegenteil. Hier unterstützen Sie gerade diese Geschichte wieder, nur den Duktus auf den Migrationshintergrund zu legen, da müssen wir fördern, da sind die Defizite, und alles andere ist Friede, Freude, Eierkuchen. Diese Gemeinsamkeit, die eben hier dargestellt wurde, das ist auch bei Ihnen in der EnqueteKommission offensichtlich völlig vorbeigegangen, dass wir in einem Land gemeinsam leben und diese Unterschiede, die Gräben, die Sie hier wieder aufreißen, genau wieder ein Rückschritt in, ich weiß nicht welches Jahrhundert ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass gerade wieder das passiert,
was auch der Integrationsdiskussion in der breiten Gesellschaft eher geschadet hat und was genau dazu geführt hat, dass das Buch von Sarrazin Dinge aufgebrochen hat, die vorher immer wieder unter einen dicken Teppich gekehrt wurden.
(Pörksen, SPD: Ihr habt es doch angefangen! Erst der Brandstifter sein, und dann nach der Feuerwehr rufen!)
Frau Sahler-Fesel, wenn Sie uns hier erst minutenlang um die Ohren hauen, dass ich hier böswilligerweise wieder die türkischen Jungs herausstelle, und dann zum Schluss sagen, natürlich darf man das sagen, dann ist das nicht besonders glaubwürdig. Ich sage Ihnen, wir werden es uns nicht verbieten lassen, auch hier weiterhin den Finger in die Wunde zu legen.
sondern es geht darum, wirklich bereit zu sein, die Sorgen unserer Gesellschaft und der Menschen ernst zu nehmen.
Frau Ministerin, natürlich reden auch wir mit vielen. Dieser Antrag hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir sagen, Integration sei für viele Menschen noch nicht gelungen. Wir haben hohen Respekt vor denen, die sich wirklich mit ihrer ganzen Kraft auch hier in die Gesellschaft einbringen,
aber wir haben doch als Politiker die Aufgabe, die Dinge in den Griff zu bekommen, die eben noch nicht so laufen, wie sie laufen müssten.
Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen, das deutlich macht, dass es nach wie vor in Deutschland schwierig ist, wenn eine hier offensichtlich gut integrierte türkischstämmige Großmutter für ihr Enkelkind, also für die dritte Generation, das immer noch kein Wort Deutsch kennt und kann, im Kindergarten eine Türkisch sprechende Erzieherin verlangt
Jetzt nutzt Ihre Aufregung nichts, ich sage Ihnen, ich will diese Dinge ernst nehmen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie wir als politisch Verantwortliche auch unserer Gesellschaft klarmachen, nach welchen Regeln Integration stattfinden soll.
Wir müssen aussagen, mit welchen Leitplanken wir hier Integration leben wollen, welche Anstrengungen wir erwarten und welche Leistungen wir zu erbringen bereit sind, weil ich glaube, dieses Unwohlsein, Ängste und Sorgen werden wir nur damit in den Griff bekommen, indem wir den Menschen diese Leitplanken geben.
Ich habe den Eindruck, dass das mittlerweile auch bei der Bundespartei der SPD angekommen ist, auch bei deren Bundesvorsitzenden. Auch Herr Gabriel hat gesagt, wer Integrationsangebote dauerhaft ablehnt, hat in Deutschland nichts zu suchen.
Genauso ist es. Sie stellen uns hier hin, als seien wir gegen Integration. Ganz das Gegenteil ist der Fall, Frau Ministerin. Nur wenn man bereit ist, die Realität zu sehen und die Realität zu benennen und für diese Realität konkrete Lösungsangebote zu formulieren,
nur dann wird man die Integration auch so gestalten, dass sie für die aufnehmende Gesellschaft und für die sich Integrierenden auf einen guten Weg kommt. Das ist unser Appell an Sie.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird jetzt immer aufgeregter, aber an der grundsätzlichen Gefechtslage ändert sich nichts. Ich mache es an Prozentzahlen fest. Ohne dass ich jetzt Anspruch auf die Richtigkeit dieser Prozentzahlen erhebe, es gibt 85 %, die sich gut, besonders gut oder leidlich integrieren, und 15 %, mit denen, was das Thema „Integration“ angeht, unsere Gesellschaft erhebliche Schwierigkeiten hat. Das ist inzwischen Gott sei Dank insgesamt in der Breite, auch durch das Buch von Herrn Sarrazin, auch bei Herrn Gabriel angekommen. Aber in dieser Diskussion kommt
für mich nach wie vor rüber, die eine Volkspartei legt großen Wert darauf, die 85 % zu betonen und darüber wenig anderes zuzulassen, ganz wenig Probleme, alles auf gutem Weg,
nein, nein, langsam; wir haben Gott sei Dank noch ein bisschen Zeit – egal, ob das die Polizeikriminalstatistik angeht, egal, ob es eben die Schulquoten angeht, so wie ich es eben angesprochen habe, und viele andere Dinge mehr.
Wir haben in der Polizeilichen Kriminalstatistik ganz klar gesehen, es gibt klare ethnische Zuspitzungen in der Frage körperlicher Gewalt. Da sind zwei Ethnien zu nennen: „x-sowieso“ und eine andere Ethnie. Da gingen die Peaks so hoch. Einen Monat später kommt aus dem Kriminologischen Institut in Hannover der Hinweis, dass bei männlichen Jugendlichen Gewaltbereitschaft in hohem Maße mit Fragen der Religiosität vergesellschaftet ist. Das sind Fakten, und die müssen wir zur Kenntnis nehmen. Es genügt nicht zu sagen: Alles ist auf gutem Weg. – Deshalb hat der Antrag, den ich nach wie vor – ich komme noch dazu – nicht gut finde, in einem Satz, Frau Sahler-Fesel, natürlich 100 %ig recht. Die Utopie von der problemlosen multikulturellen Gesellschaft ist gescheitert.
Das ist doch eine nachgerade banale Feststellung. Wer nicht bereit ist, das festzustellen, ist auch jemand, der reflexartig auf Anstöße reagiert, wie Herr Sarrazin sie formuliert hat.
Die CDU beleuchtet vorwiegend die anderen 15 %. Das ist genauso falsch, so zu tun, als ob wir nur Probleme in der Integration hätten, Herr Baldauf.