Protocol of the Session on November 18, 2010

Frau Thelen, wenn man Ihren Schilderungen folgt, kann man wirklich einen ganz anderen Eindruck erhalten. Sie sprechen davon, dass die Akzeptanz gefährdet wird. In

Wahrheit gefährden Sie die Akzeptanz dieser Menschen in unserem Land; denn ich glaube, jeder kann mir bestätigen, die meisten Rheinland-Pfälzer und RheinlandPfälzerinnen merken gar nicht mehr, dass ihr Nachbar Ausländer ist. So gut leben wir hier miteinander. Das ist nicht, dass wir Probleme kleinreden, sondern das ist einfach eine Realität in unserem schönen Land Rheinland-Pfalz.

Die CDU verdächtigt und schließt aus. Herr Dr. Schmitz hat das an Einzelbeispielen schon gezeigt.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Fragen Sie einmal die Kolleginnen, wie es bei dem Schulbesuch war!)

Ich komme auf die Punkte, Frau Kohnle-Gros. Die Landesregierung handelt gemeinsam mit den Kirchen, den Verbänden der Migranten, mit den Handwerkskammern, den Gewerkschaften, den Städten, den Gemeinden und den Kreisen. Sie handelt mit allen Partnern und tut das auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Wenn man das Integrationskonzept des Landes betrachtet – Frau Sahler-Fesel hat darauf hingewiesen –, dann kann man sehr wohl erkennen, dass keines der vorhandenen Probleme ignoriert wird, dass wir aber sehr konsequent mit unseren Partnern und Partnerinnen an den Lösungen dieser Dinge arbeiten.

Man kann es leider nicht verhindern, dass ein Parteimitglied ein Buch schreibt. Es ist aber mindestens genauso schlimm, vielleicht noch viel schlimmer, wenn Parteimitglieder in aktiven politischen Ämtern wie Herr Seehofer oder Herr Mißfelder, manchmal auch Frau Merkel oder Frau Böhmer, bestimmten Dingen, die durch ein solches Buch geschürt werden, auch noch durch ihre eigenen Aussagen Feuer geben.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Also Frau Dreyer, jetzt ma- chen Sie mal nicht so eine rosarote Brille über alles! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich nenne den Ausdruck „Zuwanderung aus arabischen Ländern“. Ich möchte das Beispiel des Intregrationsgipfels der Bundeskanzlerin nennen, wo auch das Wort „Gutmenschen“ gefallen ist, Herr Dr. Schmitz. Ich möchte gerne an dieser Stelle vielleicht noch einmal daran erinnern, woher dieses Wort kommt. Vielleicht können wir deshalb in Zukunft etwas zurückhaltender damit umgehen. Das Wort „Gutmenschen“ hat Göbbels in einer Zeit geprägt, die wir uns nicht wieder wünschen. Das Wort „Gutmensch“ kommt aus dieser historischen Zeit und ist damals gegen Menschen gewendet worden, die sich gegen die Nazis aufgelehnt haben. Deshalb finde ich schon, dass man darauf achten muss, welche Sprache man in welchen Zusammenhängen verwendet.

(Beifall der SPD)

Ich möchte aber das, was Sie damit ausdrücken wollen, trotzdem noch einmal aufgreifen. Ich glaube, es ist ein Unterschied, ob man ganz nüchtern Tatsachen betrachtet und mit ihnen umgeht, aber nicht Vorurteile schürt, sondern trotzdem für eine gute Atmosphäre in einem Land wirklich auch einsteht, oder ob man Vorurteile bedient. Ich bedauere es wirklich zutiefst – das ist mein Ernst, das hat es in Rheinland-Pfalz noch nicht gegeben,

noch nie –, dass in Wahlkampfzeiten das Thema „Ausländer“ und „Ausgrenzung“ zum Wahlthema gemacht wurden. Das hat es in der Vergangenheit in RheinlandPfalz noch nie gegeben. Ich finde es wirklich verheerend.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie gehen nicht redlich mit der Wahrheit um. Das sage ich ganz klar. Sie intonieren in Ihrem Antrag zum Beispiel das Thema „Sprachkurse“. Sie intonieren es mit Sanktionen. Sie intonieren es, wie Frau Sahler-Fesel gesagt hat, mit dem Thema „Integrationsverweigerer“. Sie sagen nicht, dass in Rheinland-Pfalz, wie in vielen anderen Bundesländern, zum Beispiel 2009 6.082 Personen an Integrationskursen teilgenommen haben und davon nur 2.168 dazu verpflichtet waren. Das heißt, zwei Drittel der Teilnehmer ist freiwillig zu den Sprachkursen gegangen, und wir haben so gut wie keine Ausländer oder Ausländerinnen in diesem Land, die diese Integrationskurse nicht machen.

Wenn man aber die Sanktionen und den Verweigerer in den Vordergrund stellt, dann suggeriert man in dieser Gesellschaft, dass der Ausländer an sich keine Lust hat, Deutsch zu lernen. Das entspricht nicht der Wahrheit. Deswegen ist es auch nicht in Ordnung, so zu tun.

(Beifall der SPD – Baldauf, CDU: Oh! – Weitere Zurufe von der CDU – Bracht, CDU: Es sind jedenfalls zu viele, die kein Deutsch lernen!)

Ich möchte auch noch einmal auf das Thema der Kinder eingehen, weil ich Ihre Haltung an dieser Stelle absolut nicht in Ordnung finde.

(Baldauf, CDU: Eine Rakete!)

Die Landesregierung ist schon immer der Auffassung, dass die deutsche Sprache selbstverständlich dazugehört, wenn man sich gut integrieren kann und soll.

(Baldauf, CDU: Aha!)

Das ist keine neue Erkenntnis, Herr Baldauf, es tut mir leid.

(Baldauf, CDU: Für Sie auch nicht?)

Da können Sie zehnmal zynisch sein. Es ist Normalität und Selbstverständnis dieser Landesregierung. Es ist schon immer das Konzept auch der Bildungspolitiker und Bildungspolitikerinnen,

(Baldauf, CDU: Dann fangen Sie einmal an!)

möglichst frühzeitig Kinder beitragsfrei in Kindergärten tatsächlich teilhaben zu lassen. Darum geht es uns. Sprachförderung von Anfang an, von klein auf, ohne dass es Geld kostet.

(Baldauf, CDU: Der muttersprachliche Unterricht!)

Aber das verstehen Sie doch teilweise gar nicht.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Ihre Konzeption ist,

(Bracht, CDU: Der Erfolg Ihrer Politik lässt jedenfalls erheblich zu wünschen übrig!)

Sie schließen aus. In Rheinland-Pfalz haben wir inzwischen eine Besuchsquote in den Kindertagesstätten – das ist in der absoluten Spitzengruppe aller Länder – von 97 % aller Drei- bis Sechsjährigen. Im Bundesdurchschnitt liegen wir bei 92 %.

Der Anteil der Drei- bis Sechsjährigen mit Migrationshintergrund liegt bei knapp 92 %, so hoch wie kaum in einem anderen Land. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 83,6 %.

(Baldauf, CDU: Das Land der rosaroten Wolke!)

Ich sage ganz deutlich, das ist genau der Weg, den wir meinen, den wir wollen und der Kinder fördert. Uns geht es um die Förderung dieser Kinder. Sie haben die Chance, in unseren Kindertagesstätten – es ist eine der Kernaufgaben aller Kindertagesstätten – Sprachförderung zu betreiben. Wir haben seit 2006 6.000 Fachkräfte in Rheinland-Pfalz im Thema „Sprachförderung“ fortgebildet. Wir haben 1.000 Fachkräfte, die sich mittlerweile speziell für die Durchführung von zusätzlichen Sprachfördermaßnahmen qualifiziert haben. Sie artikulieren in Ihrem Antrag, kein Kind darf ohne ausreichende Sprachkenntnisse die Schule besuchen. Wir sagen, wir fördern das Kind von Anfang an. Wir unterstützen das Kind darin, dass es die Sprache entwickeln kann und in die Schule kommt und einen guten Sprachgebrauch hat.

(Baldauf, CDU: Das sehe ich momentan an meiner Tochter!)

Wenn ein Kind, weil es zum Beispiel während des Kindergartenjahres oder im letzten Kindergartenjahr in den Kindergarten kommt, noch nicht super Deutsch kann, dann fördern wir dieses Kind in der Schule. Aber wir schließen es nicht aus von der Schule. Was ist das denn für ein Kurs, Kinder aus der Schule auszuschließen, anstatt sie mit aufzunehmen und dort zu fördern?

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU – Bracht, CDU: Ihr Konzept hat jedenfalls bisher nicht zum Erfolg geführt!)

Ich möchte noch einen Satz zum muttersprachlichen Unterricht anfügen. Ihr Gegenfinanzierungskonzept für die Sprachkurse in Deutsch ist, dass Sie sagen, wir sollen den muttersprachlichen Unterricht nicht mehr finanzieren. Ehrlich gesagt finde ich das eine extrem elitäre Haltung.

(Baldauf, CDU: Was?)

Wenn wir über Qualifizierung von jungen Menschen und von Zukunftschancen junger Menschen sprechen, dann

gehen wir alle automatisch davon aus, dass sie zwei oder drei Sprachen beherrschen, weil es ihren Weg in die Zukunft ebnen wird. Wenn Ausländerkinder die Chance haben, von Klein auf perfekt Deutsch und perfekt die Muttersprache zu lernen, dann sehen wir es als unsere Pflicht an, das zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Es sind die wunderbarsten Startchancen, die ein Kind in einer Gesellschaft überhaupt haben kann, Deutsch und Türkisch oder Deutsch und Russisch oder Deutsch und Chinesisch zu können. Wenn man diese Qualität und Möglichkeit hat, als Kind in einer Familie aufzuwachsen, wo beides dann auch mit unserer Unterstützung machbar ist, dann sollte man nicht so tun, als würde das eine das andere ausschließen. Nein, wir als Land haben die Verpflichtung, beides zu fördern, diese Kinder in ihren Stärken zu fördern. Diese liegen eben auch darin, dass sie tatsächlich die Möglichkeit und die Fähigkeit haben, sehr früh auch zweisprachig aufzuwachsen.

Das finden Sie übrigens auch selbstverständlich bei deutschen Kindern, dass sie in der Tagesstätte Französisch und andere Dinge lernen. Das sehen wir bei ausländischen Kindern ganz genauso.

Ich möchte noch eines aufgreifen, was Frau SahlerFesel auch angesprochen hat. Es sind Ihre Einlassungen zu dem Thema „Islam und Christentum“.

Der Islam steht genauso unter dem Schutz des Grundgesetzes wie das Christentum, das Judentum und andere Religionen. Die Religionsfreiheit ist in unserem Staat unteilbar. Das steht in unserem Grundgesetz.

Der Islam hat anders – da gebe ich Ihnen recht – als die christlichen Kirchen in Deutschland keine feste organisatorische Verfassung. Deshalb sind andere Formen des Zusammenwirkens im Staat notwendig. Das tun wir über Islamforen bzw. über den interreligiösen Dialog.

Es gab und gibt in Rheinland-Pfalz keine der Landesregierung bekannte Initiative zur Anerkennung des Islams als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Deswegen finde ich es fast schon ein bisschen mehr als nicht nachvollziehbar, dass Sie das in Ihrem Antrag zum Thema machen und gleichzeitig von Ehrenmorden und Zwangsheirat sprechen. Zwangsheirat und Ehrenmorde sind Straftaten in unserem Land. Es ist völlig egal, ob der Ehrenmord oder die Zwangsheirat von einem Mensch begangen wurde, der dem Christentum angehört, ein Muslim ist oder ob es vielleicht jemand ist, der gar keinen Glauben hat. Unsere Grundlage ist das Grundgesetz. Dieses Grundgesetz gilt für alle Menschen, die hier leben.

Ich finde es nicht legitim, in Ihrem Antrag beide Dinge miteinander zu vermischen und damit zu suggerieren, dass der Islam irgendwo etwas mit der Zwangsheirat oder Ehrenmorden zu tun hat bzw. dass man das alles in eine Kiste werfen kann. Ich finde, das ist ein Stück Manipulation. Das werfe ich Ihnen vor.

(Beifall der SPD)

Meine sehr verehrten Herren und Damen, ich möchte eigentlich auf die anderen Punkte nicht mehr eingehen. Dazu ist alles gesagt worden. Ich möchte betonen, es ist etwas Gutes, wenn eine Kanzlerin sagt, Integration ist ein Chefinnenthema. Wenn ich zu einem Gipfel einlade und vorher nicht ganz klar Position bezogen habe zum positiven Standing zum Thema „Migration“, und als Kanzlerin nicht richtigstelle, was an falschen Informationen teilweise in diesem Land verbreitet wird, vielleicht weil es gerade nicht in die politische Landschaft der eigenen Partei passt, dann finde ich das bedauerlich. Man muss dann feststellen, dass es manchmal mehr mit Schein als mit wirklichem Interesse an der Integration zu tun hat.

(Beifall der SPD – Dr. Mittrücker, CDU: Unglaublich! – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)