Protocol of the Session on November 15, 2006

Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:

…tes Landesgesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/400 – Erste Beratung

Es ist eine Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Herr Staatsminister Professor Dr. Zöllner, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll in drei Bereichen aktuell geltendes Hochschulrecht geändert werden.

Im Einzelnen geht es:

1. um die Einführung von Studienbeiträgen ab dem nächsten Jahr für Studierende, die nicht in Rheinland-Pfalz wohnen,

2. die Einführung der Leistungsabbuchung in unser Studienkontenmodell zum Wintersemester 2007/2008 und

3. den Übergang der Zuständigkeiten für die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer mitsamt dem Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung von der Staatskanzlei auf das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur.

Zu dem ersten Punkt: Das Handeln dieser Landesregierung ist von der Erkenntnis getragen, dass eine expansive Hochschulpolitik für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft unerlässlich ist. Sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus gesellschaftspolitischen Gründen brauchen wir mehr Hochschulabsolventen, eine Darstellung, die inzwischen glücklicherweise in dieser Republik Allgemeingut ist.

Jeder internationale Vergleich zeigt – darüber sind sich alle Experten einig –, wenn wir als Exportland und als Gemeinwesen mit einem funktionierenden Gesellschafts- und Sozialsystem eine Zukunft haben wollen, müssen wir – viel mehr, als es uns heute gelingt – die Begabungsreserven dieser Gesellschaft insgesamt ausnutzen.

(Beifall der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wollen und werden wir für alle RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer ein gebührenfreies Erststudium auch in Zukunft garantieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit wollen wir Lebenschancen eröffnen, Teilhabe garantieren und dieses Land tatsächlich zukunftsfähig machen.

Nach wie vor treffen junge Menschen aus einkommensschwächeren Elternhäusern auf größere Bildungsbarrieren als im Durchschnitt unserer Gesellschaft.

(Harald Schweitzer, SPD: So ist es!)

In der hochschulpolitischen Auseinandersetzung über die Einführung von Studiengebühren wurde diese Tatsache letzten Endes zur Seite geschoben. Ich bedauere dies sehr, weil zusätzliche Kosten durch Studiengebühren ohne Zweifel weitere junge Menschen aus einkommensschwächeren Familien von einer Bewerbung um einen Studienplatz abschrecken.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben diese Erfahrung in einem ähnlichen Kulturkreis gemacht, nämlich in Österreich. Ihre beruflichen und privaten Teilhabechancen werden nachhaltig eingeschränkt.

Es ist mir deshalb ein ganz besonderes Anliegen, in Rheinland-Pfalz einen Weg zu gehen, der dies, soweit es überhaupt nur möglich ist, verhindert.

Mehrere Bundesländer haben entschieden, einen anderen Weg zu gehen und haben die Einführung von Studiengebühren beschlossen.

(Pörksen, SPD: Beutelschneider!)

Auch wenn wir dies für falsch halten, haben wir es im Rahmen unseres föderal verfassten Bildungswesens zu respektieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, allerdings muss von der Gesamtheit der Länder auch die gemeinsame Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen gesehen werden. Dazu gehören heute der Erhalt existierender und die Schaffung zusätzlicher Studienplätze für die nächsten Jahre.

Diese Studienplätze – und damit auch die Lasten – sind ganz ohne Zweifel ungleich verteilt.

Das aktuelle System der Hochschulfinanzierung setzt genau die falschen Anreize und hat deshalb auch in der Vergangenheit gerade nicht zum Aufbau zusätzlicher Studienplätze geführt. Es hätte keines besseren Beweises bedurft als die aktuelle Initiative, einen Hochschulpakt zu schließen, da damit objektiv dokumentiert ist, dass wir über Jahre hinweg eine Fehlentwicklung haben, in der Rheinland-Pfalz eines der wenigen Länder war, das kontinuierlich gegengesteuert hat.

(Beifall der SPD)

Um dies zu ändern, haben wir den Vorschlag eines Vorteilsausgleichs zwischen den Ländern in die Diskussion um eine gerechtere Lastenverteilung im Hinblick auf die Bereitstellung von Studienplätzen eingebracht. Der Kerngedanke dieses Konzepts ist, dass jedes Land für seine Studierenden, die in anderen Bundesländern studieren, eine Ausgleichszahlung leistet. Damit könnte ein zentraler Anreiz zum Ausbau von Studienplätzen geschaffen werden.

Die Erfahrungen, die in der Schweiz mit diesem Modell bereits gesammelt worden sind, untermauern dies. Die aktuellen Diskussionen um den Hochschulpakt und die Föderalismusreform II bieten eine gute Chance, ein zukunftsorientiertes Hochschulfinanzierungssystem nach diesem Muster einzuführen.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Meine Damen und Herren, es geht im Grunde genommen immer um denselben Gedanken, ob man die Variante „Vorteilsausgleich“, die Variante „Bildungsgutscheine“ oder die Variante „Geld folgt Studenten“ wählt: Es geht darum, dass wir nicht immer von Marktwirtschaft und Wettbewerb reden können und die Konsequenzen für eine entsprechende Ordnung in Bezug auf die finanzielle Verantwortung nicht übernehmen. Sie müssen übernommen werden.

(Beifall der SPD)

Ein solches System hätte den Vorteil, dass Länder ohne Studiengebühren nicht Gefahr laufen würden, den Ansturm von Studierenden, die Studiengebühren nicht aufbringen können oder wollen, über sich ergehen zu lassen und dafür auch noch zusätzlich zahlen zu müssen. Für mich ist dies im wahrsten Sinne des Wortes der Königsweg eines fairen und zukunftsorientierten Hochschulfinanzierungssystems. Wenn wir dies erreichen – ich glaube nach wie vor, dass wir eine Chance dazu haben –, haben wir auch eine solche Landeskinderregelung nicht mehr nötig, und es wäre letzten Endes eine Vorsorgemaßnahme. Diese müssen wir aber treffen, weil wir letzten Endes die Studierfähigkeit an unseren Hochschulen gewährleisten müssen.

Die Landeskinderregelung, die – das betone ich ausdrücklich – eine Notlösung ist, sieht vor, dass Studierende, die mit Hauptwohnsitz im Land gemeldet sind, weiterhin ein Studienkonto erhalten und gebührenfrei in Rheinland-Pfalz studieren können, wenn auch nicht für eine unbegrenzte Zeit, aber doch für eine faire angemessene Zeitdauer, für eine Zeitdauer, die es jungen Frauen und Männern erlaubt, die Familienplanung nicht erst auf die Zeit nach dem Studium zu verschieben.

Wir stellen eine gebührenfreie Studiendauer zur Verfügung, die auch nicht verkennt, dass viele Studierende arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt während des Studiums zu bestreiten. Ich bin stolz darauf, dass Landesregierung und Regierungsfraktion diesen Entschluss einhellig gefasst haben, und möchte mich deswegen für die Unterstützung bedanken.

Rheinland-Pfalz ist nicht zuletzt deshalb in der Lage, diesen Weg zu gehen, weil wir mit dem Hochschulprogramm „Wissen schafft Zukunft“ unsere Hochschulen gut aufgestellt haben und die zusätzlichen 25 Millionen Euro pro Jahr – in Zukunft werden es noch mehr sein – zur Verfügung gestellt haben.

Der Gesetzentwurf, den ich Ihnen heute vorlege, garantiert auf der einen Seite die Gebührenfreiheit für das Erststudium und sieht auf der anderen Seite vor, dass Studierende, die nicht mit ihrem Hauptwohnsitz im Lan

de gemeldet sind, pro Semester 500 Euro und nach dem 14. Semester 650 Euro entrichten müssen.

(Beifall der SPD)

Die Gewährung von Studienkonten wird somit im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen auf diejenigen beschränkt, die durch ihre Wohnsitznahme im Land zur Einnahmensteigerung des Landes beitragen, um so die Funktionsfähigkeit des rheinland-pfälzischen Hochschulsystems weiterhin zu erhalten.

Um in der Öffentlichkeit aufgekommene Missverständnisse auszuräumen, möchte ich nachdrücklich betonen, Studierende, die Studienbeiträge bezahlen, haben es während des Studiums selbst in der Hand, durch einen Wohnsitzwechsel nach Rheinland-Pfalz ein Studienkonto zu erhalten und damit gebührenfrei studieren zu können.

(Beifall der SPD)

Es liegt also in der Entscheidung des Einzelnen, ob er Studienbeiträge bezahlt oder nicht. Anders lautende Darstellungen, unter anderem auch von der Opposition, sind sachlich unrichtig.

Meine Damen und Herren, man muss sehen, dass fast 50 % der Studierenden ihren Wohnsitz nicht in Rheinland-Pfalz haben. Ich gehe davon aus, wenn man in Kaiserslautern studiert, dass man sich zumindest über die Hälfte der Woche an seinem Studienort aufhält und studiert, und dann ist es sicherlich auch zumutbar, dass man die Konsequenz des offenen Bekenntnisses zu seinem Studienplatz durch Wohnsitznahme daraus zieht.

Die Landeskinderregelung stellt eine Notwendigkeit im Hinblick auf die Einführung der Studiengebühren in den Nachbarländern dar. Während derzeit in der Presse ausführlich darüber berichtet wird, dass bislang noch kein gravierender Anstieg an den rheinland-pfälzischen Hochschulen zu verzeichnen war, erstaunt mich das persönlich nicht; bisher werden nur in NordrheinWestfalen Gebühren erhoben. Baden-Württemberg, Hessen und das Saarland werden aber noch folgen. Wir müssen die weitere Entwicklung abwarten und müssen vor allen Dingen gerüstet sein. Dies ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fall. Dabei ist mir besonders wichtig, dass die Landeskinderregelung im Gesetzentwurf so ausgestaltet ist, dass die Sozialverträglichkeit darüber hinaus eine hohe Priorität hat.

(Beifall der SPD)

Im Hinblick auf die mit dem Studienbeginn verbundenen Schwierigkeiten einer rechtzeitigen Wohnungssuche sieht der Gesetzentwurf vor, auch Studienanfängerinnen und -anfängern ohne Hauptwohnsitz in Rheinland-Pfalz ein Studienkonto mit einem einmaligen Studienguthaben in Höhe eines beitragsfreien Semesters zu gewähren. Vorgesehen ist darüber hinaus, von der Beitragspflicht unter anderem Studierende, die Leistungen nach dem BAföG erhalten, Studierende aus Entwicklungsländern, ausländische Studierende, die im Rahmen einer Kooperation mit einer ausländischen Hochschule oder eines

internationalen Austauschprogramms nur für einen befristeten Zeitraum an einer Hochschule eingeschrieben sind, Studierende, die freiwillige oder gemäß der Prüfungsordnung des Studiengangs verpflichtende Auslandssemester absolvieren und beurlaubte Studierende auszunehmen.

Weiterhin beabsichtigt das Land Rheinland-Pfalz, in absehbarer Zeit in Zusammenarbeit mit einem geeigneten Kreditinstitut ein Darlehensmodell zu entwickeln, das ohne Bonitätsprüfung und zu sozialverträglichen Bedingungen die Aufnahme eines Darlehens ermöglicht, welches erst nach Abschluss des Studiums und bei Erzielen eines ausreichenden Einkommens rückzahlbar sein wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen selbstverständlich von der Verfassungsmäßigkeit unseres Gesetzentwurfes aus. Das Gutachten, das vom Wissenschaftlichen Dienst dieses Hohen Hauses erarbeitet wurde, gibt mir keinen Anlass zu zweifeln, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich kann nur aus dem Gedächtnis den letzten zusammenfassenden Satz in der Beurteilung dieses Gutachtens zitieren, dass mögliche verfassungsmäßige Zweifel nicht mit letzter Evidenz ausgeschlossen werden können. Gestatten Sie mir: Was kann man in diesem Feld mit letzter Evidenz ausschließen?

(Beifall der SPD)