Protocol of the Session on July 7, 2005

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

fällt Ihnen nichts anderes ein als die Neidsteuer, die 1,2 Milliarden Euro bringen soll. Frau Kollegin Thomas, Sie sind auch eine große Freundin dieser Neidsteuer. 1,2 Milliarden Euro! Verehrter Herr sachkundiger Finanzminister, das ist die größte Milchmädchenrechnung aller Zeiten, da die bei unserem Steuerrecht nicht 1,2 Milliarden Euro, sondern exakt null Euro bei all den Gestaltungsspielräumen bringt.

(Beifall der CDU)

Sie lässt die Betroffenen völlig kalt.

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Herr Ramsauer, Sie haben eben Ihre Visitenkarte hier abgegeben. Mit so viel finanzpolitischem Sachverstand würde ich mich einmal im Ministerium ein bisschen darüber unterrichten lassen, was Sache ist.

Sie bringt genau 0,0. Mit diesem 0,0 Neidsteueraufkommen wollen Sie Bargeschenke – konservativ geschätzt – in einer Größenordnung von mindestens 15 Milliarden Euro finanzieren. Herr Kollege Mittler, ich muss kein Finanzminister sein, um so viel Sachverstand auf die Waagschale zu bringen.

Das Haus brennt lichterloh. Sie haben sich in Sicherheit gebracht. Was war denn das Spektakel in den vergangenen Wochen im Deutschen Bundestag anders? Sie haben sich in Sicherheit gebracht und rufen jetzt lautstark nach der Feuerwehr. So kann das doch wohl nicht gehen in unserem Land.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem Kapitel „Polemik“ will ich zwei sachliche Bemerkungen machen. Ich bin sehr dankbar für das, was in einer sehr sachlichen – Sachlichkeit hat manchmal etwas mit Sachkunde zu tun – und sachkundigen Weise vom Kollegen Creutzmann vorgetragen wurde. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Steuerreformmodell, das die FDP jüngst noch einmal überarbeitet und beschlossen hat, meine große innere Zuneigung und Zustimmung findet. Ich sage das auch mit Blick auf vieles, was in meiner eigenen Partei diskutiert wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Creutzmann, Sie glauben aber doch nicht im Traum, dass Sie auch nur ein Gramm dieser Vorstellungen mit Ihrem jetzigen Koalitionspartner verwirklichen können. Das glauben Sie doch selbst nicht. Von den anderen will ich gar nicht reden, weil die Partei der GRÜNEN schon vor vielen Jahren ihren finanzpolitischen Sachverstand entsorgt hat. Der hat auch jetzt keine Chance gehabt, noch einmal auf die Landesliste

zu kommen. Er wurde schon vor vier Jahren in die Wüste geschickt und darf seitdem bei der BertelsmannStiftung Studien schreiben. Das ist auch eine sinnvolle Beschäftigung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich halte es für richtig, genau diesen Weg zu gehen. Herr Kollege Ramsauer, damit das einmal klar ist, diesen Weg werden Sie nie gehen. Da hat kein Mensch in Deutschland Hoffnung. Dieser Weg bedeutet, dass ausnahmslos alle Gestaltungsmöglichkeiten entfallen. Da ist doch der eine Satz vom Herrn Kollegen Creutzmann der alles entscheidende. Für jemanden, der überhaupt keine Steuern bezahlt, brauche ich auch keinen Gestaltungstatbestand mehr. Er zahlt doch sowieso keine Steuern. Dann muss ich ihm auch keine Gestaltungsspielräume einräumen. (Pörksen, SPD: Das ist ein schlauer Satz!)

Wer war das? Ach, Herr Pörksen. Lieber Herr Pörksen, gestern habe ich eine Agenturmeldung gelesen, bei der ich meinen Augen nicht getraut habe, die von irgendeinem Ihrer Berliner Parteifreunde gekommen ist. Da wurde gegen uns polemisiert, was das gute Recht jeder Partei ist. Da habe ich gelesen, eine Familie mit ein oder zwei Kindern zahlt nach heutigem Steuerrecht schon bis zu einem Jahreseinkommen von meines Wissens 35.000 Euro keinen Cent Steuern. Wenn das so ist – das ist natürlich nicht so –, dann erklären Sie mir bitte einmal, weshalb Sie gegen Steuerreformvorschläge wie von Creutzmann oder Kirchhof so vehement zu Felde ziehen. Dann sind wir uns doch im Prinzip einig.

Deshalb meine letzte Bemerkung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Defizit des Bundeshaushalts in diesem Jahr beläuft sich auf 50 Milliarden Euro.

(Ramsauer, SPD: Das ist nichts gegen Ihren Vorschlag!)

Herr Kollege Ramsauer, klar, wenn man beim Multiplizieren das Komma falsch verschiebt, kommt man zu den Ergebnissen, zu denen Sie kommen. Das ist so. Ihre Berechnungsmethoden erleben wir hier seit 15 Jahren von Haushaltsberatung zu Haushaltsberatung. Die sind wirklich fantastisch. Sie malen sich die Welt so, wie Sie sie gern hätten. Es lohnt überhaupt nicht mehr, darauf zu antworten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

50 Milliarden Defizit ist also das Ergebnis des finanzpolitischen Sachverstands, den der Finanzminister gerade beschrieben hat. Dann hat er den Reformstau in den 90er-Jahren beklagt. Verehrter Herr Kollege Mittler, deshalb haben Sie auch 1998 so beherzt mit diesen Reformen weitergemacht.

(Glocke der Präsidentin)

Sofort, Frau Präsidentin. Wenn ich mich recht erinnere, sind diese zaghaften Versuche bei der Gesundheit, bei der Steuer kam man

überhaupt nicht sehr weit, aber bei der Rente so ein bisschen – – –

(Zuruf von Ministerpräsident Beck)

Herr Ministerpräsident, diese zaghaften Versuche sind von euch mit einem Federstrich vom Tisch gewischt worden. Vier Jahre später habt ihr euch dann nicht getraut zu sagen, es geht nicht ohne demografischen Faktor. Da haben die GRÜNEN euch aus der Patsche geholfen und haben gesagt, lasst uns das einfach Nachhaltigkeitsfaktor nennen. Dann klingt das nicht so wie das, was die Alten schon einmal gemacht haben. So war es doch. (Beifall der CDU)

Herr Böhr, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, ja, ich komme zum Schluss. Ich bin der Meinung, dass wir es nicht packen werden, unsere Probleme zu lösen, wenn wir in den bestehenden Systemen bleiben.

Verehrter Herr Finanzminister, wenn man Beschäftigung in Deutschland haben und in einer Gesellschaft leben will, in der Beschäftigung von vornherein für ein paar Millionen Menschen überhaupt nicht verfügbar ist, werden wir das mit unserem jetzigen Steuerrecht nicht schaffen. Das, was Sie und Ihr Bundesfinanzministerkollege im Moment für die Folgekosten der Unterbeschäftigung in Deutschland ausgeben, – –

(Pörksen, SPD: Wo kommen die her?)

Herr Kollege Pörksen, nach Ihrer Meinung sind die in den letzten Jahren vom blauen Himmel gefallen.

ist ein Betrag von sage und schreibe etwa 130 Milliarden Euro. Das kostet uns die Unterbeschäftigung. Ich finde, wenn das kein Argument ist, über Neues nachzudenken, weiß ich wirklich nicht, wie schlimm es in diesem Land noch werden muss.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Mittler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viel interessanter als das, was Herr Kollege Böhr gesagt hat, ist das, was er nicht gesagt hat.

(Böhr, CDU: Herr Mittler, Sie können unbe- grenzt reden! Ich habe sieben Minuten! Was Sie machen, ist nicht fair!)

Ich versuche, es kurz zu machen. Ich will fair sein. Ich mache es in Schlagzeilen. Sie sind mit keinem einzigen Wort darauf eingegangen, wie die grandiose Rechnung, bis 1.300 Euro alles steuer- und beitragsfrei zu stellen, mit fiskalischen Auswirkungen in den öffentlichen Haushalten und in den Sozialversicherungssystemen – das ist von mir mit nachvollziehbaren Zahlen, und zwar 137 Milliarden Euro vorgerechnet worden – mit dem Vorhaben, die öffentlichen Haushalte und die Sozialversicherungssysteme zu sanieren, zusammengehen soll.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Ramsauer, SPD: So ist das!)

Herr Kollege Böhr, das lohnt sich auch nicht; denn ich bin ganz sicher, dass Ihre Überlegungen über Ihren eigenen Kopf und über den Artikel in der Zeitung, die ihn veröffentlicht, nicht hinaus kommt und nicht zum Gegenstand irgendeiner Beratung auf Bundesebene werden wird.

Was wir Ihnen vorwerfen, hat nichts mit Majestätsbeleidigung zu tun, sondern das ist das negative Bild des Landes, das Sie immer wieder erneut beschreiben und beschwören und das nicht einmal annähernd etwas mit dem Blick derer zu tun hat, die von außen auf unser Land schauen.

Herr Böhr, es stimmt nicht, wenn Sie sagen, das ist die höchste Arbeitslosenzahl, die wir jemals hatten.

(Dr. Altherr, CDU: Was stimmt denn da nicht?)

Das will ich Ihnen vorlesen. Ich lese Ihnen aus dem Sachverständigengutachten 2004/2005, Seite 651 – Quelle: Für den Sachverständigenrat, Bundesanstalt für Arbeit – vor. Danach betrug die registrierte Arbeitslosenzahl im Jahr 1997 in Gesamtdeutschland 4.384.000. Im vergangenen Jahr – sie war zwischenzeitlich deutlich gesunken – lag sie darunter, zwar nur um 3.000, sie lag aber tiefer.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Brüllen Sie hier nicht herum.

Die 9 Millionen, die Herr Böhr landauf und landab beschwört, und die auch Herr Jullien genannt hat, gibt es in keiner Veröffentlichung.

(Zurufe von der CDU)

Ich räume ein, es gibt eine offene und eine verdeckte Arbeitslosigkeit. Diese wird auch veröffentlicht. Das ist im Sachverständigengutachten nachzulesen. Die offene und die verdeckte Arbeitslosigkeit betrug zusammengerechnet im Jahr 1997 6.315.000. Im Jahr 2003 – für 2004 liegt die Zahl noch nicht vor – lag sie um 300.000 Stellen niedriger.

(Zurufe des Abg. Dr. Altherr und des Abg. Jullien, CDU)

Ich glaube, das, was bei Ihnen am besten funktioniert – ohne intim zu werden –, ist wahrscheinlich die Stimme.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Schauen Sie es sich doch einmal an. Die höchste Jugendarbeitslosenquote hatten wir im Jahr 1997 mit 11,4 %. Sie betrug im letzten Jahr 7,0 %.