Protocol of the Session on July 6, 2005

Sie brauchen die blaue Karte nicht. Sie dürfen direkt entgegnen. Sie müssen dann aber schon zuhören.

Wir haben gesagt, wir wollen auf der verfassungsrechtlich sicheren Seite sein. Deswegen legen wir das, was das Bundesverfassungsgericht als Voraussetzung bei schweren Straftaten angegeben hat, unserer Entscheidung zugrunde. Nichts anderes hat man in Berlin auch gemacht. Genau danach haben wir uns gerichtet, weil wir wollen, dass wir nicht schon wieder beim Verfassungsgericht mit einem Gesetz scheitern. Das wollen wir verhindern.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das wollen wir im Interesse der Polizei verhindern, die eine Gesetzesgrundlage braucht, damit sie ihre Arbeit auch in diesem für sie schweren Bereich machen kann. Es handelt sich nicht um wahnsinnig große und viele Fälle. Wir haben dies gerade auch vor wenigen Tagen erfahren können. Die Polizei soll ihre Arbeit im Interesse der Sicherheit der Menschen machen können. Dann sollten Sie solche Äußerungen, die Sie hier und auch woanders gemacht haben, wo Sie von der Feigheit des Gesetzgebers gesprochen haben, gefälligst unterlassen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Hörter das Wort.

(Schweitzer, SPD: Vielleicht bringt er den Gesetzentwurf mit!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Pörksen, ich habe eben deutlich gemacht, was in Sachen ordentlicher Arbeit von Ihnen geleistet wurde, indem Sie auf Paragraphen hingewiesen haben, die gar nicht existieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte aber noch einmal an Ihre Sinnhaftigkeit und an Ihr Verständnis appellieren. Erklären Sie mir bitte einmal, wieso es nach Bundesgesetz möglich ist, ein Passagierflugzeug abzuschießen, aber warum es nicht möglich sein soll, diese Tat bei denjenigen, die ein solches Flugzeug entführen wollen, zu verhindern. Warum soll das nicht verfassungskonform sein? Das kapiert doch kein Mensch, Herr Pörksen. Wir sind doch nicht mehr glaubwürdig, wenn wir auf der einen Seite sagen, man kann ein solches Flugzeug abschießen, aber auf der anderen Seite nicht bereit sind, eine solche Straftat zu verhindern.

(Beifall bei der CDU – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war keine Entgegnung!)

Ich erteile Herrn Kollegen Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem das Bundesverfassungsgericht im März letzten Jahres einige Vorschriften der Strafprozessordnung zur Durchführung der akustischen Wohnraumüberwachung für verfassungswidrig erklärt hat, gingen die Meinungen zu der Frage, ob aufgrund dieser Entscheidung auch die Polizeigesetze der Länder geändert werden müssen, weit auseinander.

Obgleich sich das Urteil nur auf die repressive Wohnraumüberwachung bezog, bestanden für unsere Fraktion zu keiner Zeit ernsthafte Zweifel, dass das hiesige Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zumindest an einigen Stellen an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden muss. Auf keinen Fall wollten wir – im Übrigen in voller Übereinstimmung mit unserem Koalitionspartner – mit einer Änderung so lange warten, bis möglicherweise eine höchstgerichtliche Entscheidung im Bereich der präventiven Wohnraumüberwachung ergeht und uns dann zum Handeln gezwungen hätte.

Meine Damen und Herren, der Frage, wie das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff geändert werden muss, gingen gründliche Beratungen der beiden Regierungsfraktionen voraus. Frau Grützmacher, Sie können davon ausgehen, dass wir nicht einmal so und einmal so reden.

Dort, wo wir Verantwortung haben, machen wir uns schon Gedanken, vor allem auch, was die Bürgerrechte der Menschen betrifft. Wir sind alle miteinander, auch der Koalitionspartner, mit dieser Frage sehr sorgsam umgegangen. Diesen Vorwurf kann ich nicht gelten lassen. (Beifall bei FDP und SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Ergebnis der intensiven Beratungen ist ein Gesetzentwurf, der an der präventiven Wohnraumüberwachung als notwendige Maßnahme der Gefahrenabwehr festhält, zum anderen aber auch durch die Aufnahme von Erhebungs-, Überwachungs- und Verwertungsverboten sowie Löschungspflichten in das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz eine hinreichende verfahrensmäßige Absicherung dafür schafft, dass, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechend, bei einer verdeckten Maßnahme in Wohnungen ein Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung vermieden wird. Ich denke, das ist das Entscheidende.

Meine Damen und Herren, den beiden Regierungsfraktionen ist es gelungen, mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes unter strenger Achtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einen rechtsstaatlich sauberen, vor allem aber sehr pragmatischen Weg zu beschreiten.

Dies wurde uns im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss von allen Experten einhellig bescheinigt. Frau Grützmacher, Sie haben bei der Anhörung mit Ihrer Intention relativ wenig Anhänger gehabt.

Meine Damen und Herren, weder von der Wissenschaft noch von den Praktikern gab es grundlegende Kritik an unserem Gesetzentwurf. Den Anregungen, die seitens der Sachverständigen unterbreitet wurden, wird in weiten Teilen mit dem gemeinsamen Änderungsantrag von SPD und FDP Rechnung getragen. Einen über den Antrag hinausgehenden Änderungsbedarf gibt es aus unserer Sicht nicht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu den uns vorliegenden Änderungsanträgen ein paar Worte sagen. Beginnen möchte ich mit dem gemeinsamen Änderungsantrag der beiden Regierungsfraktionen. Mit diesem soll zum einen die Frist für die erstmalige Anordnung der Überwachung von zwei auf drei Monate verlängert werden. In der Anhörung wurde uns übereinstimmend erklärt, dass die Polizisten vor Beginn der Überwachungsmaßnahme einen gewissen Vorlauf benötigen. Mit der Verlängerung der Anordnungsfrist haben wir diesem praktischen Problem Rechnung getragen.

Zum anderen haben wir noch einmal den Katalog der mit der verdeckten Maßnahme der Wohnraumüberwachung zu verhindernden Straftaten einer intensiven Überprüfung unterzogen. Hierbei ist uns zunächst aufgefallen, dass zwei der in dem Straftatenkatalog des Gesetzentwurfs gelisteten Straftaten gestrichen werden müssen.

Im Übrigen soll mit unserem Änderungsantrag eine Anpassung an den Straftatenkatalog vorgenommen werden, wie er vor wenigen Tagen vom Deutschen Bundestag für die strafprozessuale Wohnraumüberwachung beschlossen worden ist, sodass auch einige Strafvorschriften über die sexuelle Selbstbestimmung und die Bildung krimineller Vereinigungen Aufnahme in den Straftatenkatalog unseres Polizeirechts finden sollen.

Meine Damen und Herren, ein Gleichklang der zur Wohnraumüberwachung ermächtigenden Straftaten nach dem Polizeirecht unseres Landes und der Strafprozessordnung halten wir für fachlich geboten, auch wenn der „Trick“ auf Bundesebene – das muss man sagen –, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch eine Anhebung der Strafandrohung bestimmter Delikte zu unterlaufen, von unserer Fraktion nach wie vor nicht gutgeheißen werden kann.

Eine über die Regelungen auf Bundesebene für die strafprozessuale Wohnraumüberwachung hinausgehende Ausweitung des Straftatenkatalogs, wie auch von der CDU beantragt, sehe ich als nicht zielführend an.

Ich möchte einen Satz noch konkret zum Änderungsantrag der CDU-Fraktion sagen. Meine Damen und Herren, Sie hätten sich schon die Mühe machen und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau durchlesen müssen;

(Beifall bei FDP und SPD)

denn dann hätten Sie in Ihrem Änderungsantrag nicht zusätzliche Delikte aufgenommen, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts insofern nicht entsprechen, als dass sie nach dem Strafgesetzbuch nicht mit höheren Höchststrafen als fünf Jahre Freiheitsstrafe bedacht sind.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hörter, für die FDP-Fraktion war und ist es sehr wichtig, dass dem verfassungsrechtlich statuierten und nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts absolut zu schützenden Kernbereich privater Lebensgestaltung bei der Umsetzung des Karlsruher Urteils in das rheinlandpfälzische Polizeirecht umfänglich Rechnung getragen wird. Ich betone dies ausdrücklich.

Sofern nicht ein unmittelbarer Bezug zu Straftaten besteht, müssen Gespräche unter engsten Angehörigen dem staatlichen Zugriff verwehrt bleiben.

Diese Vorgabe greift der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen in vorbildhafter Weise auf, berücksichtigt dabei allerdings auch, dass ein Live-Mithören in der Praxis oftmals zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann. Deshalb wird die Polizei zur Live- und zeitversetzten Überwachung und Auswertung der erhobenen Daten ermächtigt, wenn bei der Live-Überwachung zum Schutz der Menschenwürde die Klaraufzeichnung abgeschaltet werden müsste. Auch hier sind nach meiner Meinung die Anregungen der Anhörung, insbesondere aus der Praxisnähe der Polizei, eingeflossen.

Durch eine begleitende gerichtliche Kontrolle wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung Rechnung getragen und auch den Betroffenen umfassender Rechtsschutz gewährt. Gerade die Intensivierung der richterlichen Kontrolle im Hinblick auf die Durchführung der akustischen Wohnraumüberwachung war unserer Fraktion bei den Änderungen besonders wichtig.

Meine Damen und Herren, aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten wir diese Änderungen für unabdingbar. Unabdingbar war es für die FDPFraktion, am besonderen Schutz von Vertrauenspersonen und Berufsgeheimnisträgern festzuhalten, auch wenn dies im Rahmen der Anhörung von einigen Experten einer kritischen Betrachtung unterzogen wurde.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Erlauben Sie mir, dass ich noch auf den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehe? Frau Grützmacher, auch wenn Sie mit Ihrem Gesetzentwurf den Großen Lauschangriff nicht grundsätzlich in Frage stellen, so ist die Intention, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf verfolgen, sonnenklar. Sie wollen das polizeipräventive Instrument der akustischen Wohnraumüberwachung in seiner Wirksamkeit so schwächen, dass es in der Praxis nahezu undurchführbar ist. Das kann doch nicht Ziel eines Gesetzes sein.

(Beifall der FDP – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dies wird in der Reduzierung der Maßnahmen auf die Anwendung gegen Störer, aber auch in der vorgesehenen zweiwöchigen Anordnungsbefristung klar belegt, um was es Ihnen geht. Die Möglichkeiten, auch nicht Verantwortliche und Kontakt- und Begleitpersonen zu überwachen, ist aus unserer Sicht insbesondere in Fällen der Organisierten und terroristischen Kriminalität von Interesse, wenn sich beispielsweise Polizeiverantwortliche in Wohnungen von an sich Unbeteiligten aufhalten und dort gefahrenabwehrrelevante Sachverhalte planen und vorbereiten.

Kontakt- und Begleitpersonen stehen grundsätzlich nicht so weit außerhalb des Geschehens, dass von ihnen nicht ein maßgeblicher Beitrag zur Gefahrenabwehr erlangt werden könnte. Es handelt sich bei ihnen um Personen, die mit den unmittelbar Verantwortlichen in einer Weise in Verbindung stehen, dass begründete Anhaltspunkte für einen objektiven Tatbezug bestehen.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, deshalb erachten wir die Eingriffsoptionen für mit Artikel 13 Abs. 4 des Grundgesetzes vereinbar, zumal dieser ausschließlich unter der Prämisse der Abwehr einer dringlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr zulässig ist. Unsere Fraktion wird den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei FDP und SPD – Staatsminister Bauckhage: Das ist ein klarer Satz!)

Meine Damen und Herren, ich darf wieder Gäste im Landtag begrüßen, einmal Mitglieder der CDU-FrauenUnion aus Plaidt und der Möhnen aus Thür. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren begrüße ich den Stab des Wehrbereichskommandos II der Bundeswehr Mainz. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Frau Grützmacher hat das Wort.

Meine Damen und Herren, ich habe mich noch einmal für eine Kurzintervention gemeldet, weil mich das ärgert, was sowohl von der SPD- als auch von der FDPFraktion im Hinblick auf die Anhörung gesagt wurde.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Sie sagen immer wieder, in der Anhörung hätte der größte Teil der Experten den Entwurf der Koalitionsfraktionen begrüßt und den Entwurf der GRÜNEN abgelehnt.

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)