Protocol of the Session on July 6, 2005

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 14/4270 –

…tes Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/3936 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 14/4273 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/4278 –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/4288 –

Modernes Polizeirecht – Sicherheit im Rechtsstaat Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Entschließung – – Drucksache 14/3242 –

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 14/4271 –

Zur Berichterstattung erteile ich der Frau Abgeordneten Kohnle-Gros das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben die zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes und die Änderungsanträge im zuständigen Innenausschuss und im Rechtsausschuss ausführlich beraten. Wir hatten im Innenausschuss eine Anhörung mit den Betroffenen dieses Gesetzentwurfs und mit den Experten durchgeführt.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und FDP eine Mehrheit in den entsprechenden Ausschüssen gefunden hat. Die beiden Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU haben keine Mehrheit gefunden.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Grützmacher das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gab einen Gesetzentwurf der Landesregierung und einen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Seit dieser Zeit beschäftigen wir uns mit dem POG. Das ist jetzt zwei Jahre her. Der Gesetzentwurf und die Änderungen haben eine sehr lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. Vielleicht ist sie auch noch nicht zu Ende. Es gibt noch eine Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht zum POG Niedersachsen. Darauf werde ich am Ende meiner Ausführungen noch einmal zurückkommen.

Meine Damen und Herren, vor zwei Jahren legte die Landesregierung einen Entwurf zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes vor. Dieser Entwurf war, um es einmal etwas milde auszudrücken, sehr stark an den Bedürfnissen der Polizei geprägt. Ich frage mich – dabei spreche ich einmal sehr deutlich die FDP an – – –

(Schweitzer, SPD: Was ist das denn „Bedürfnisse der Polizei“?)

Sie haben ihre Bedürfnisse, dass sie nämlich sehr für unsere Sicherheit sorgen sollen. Es gibt aber auch andere Bedürfnisse. Sie müssen in Einklang gebracht werden mit anderen Bedürfnissen, Herr Schweitzer. Das fehlte damals eindeutig bei diesem ersten Gesetzentwurf. Ich frage mich immer noch, wo damals die FDP gewesen ist. Heute hängt sie sich sehr gern das Mäntelchen der Bürgerrechte um. Damals hat man nichts davon gesehen. Ich bin gespannt, wie das jetzt noch weitergeht.

Auf jeden Fall stieß dieser Gesetzentwurf auch in SPDKreisen damals auf großes Unverständnis. Es kam dann zu den Anhörungen im Ausschuss, es kam zu den ersten Änderungen durch die SPD- und die FDP-Fraktion,

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

zum Beispiel Verletzlichkeit des Beichtgeheimnisses, Berufsgeheimnisträger usw. Man soll auch lernen. Das ist sehr schön. Ich referiere nur Tatsachen, Herr Schweitzer. So war es eben.

Meine Damen und Herren, vor einem guten Jahr trat dieser Gesetzentwurf in Kraft. Zwei Tage später, am 3. März 2004 gab es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das sozusagen die Notbremse zugunsten von Bürgerrechten gezogen hat.

Meine Damen und Herren, auch wenn das Verfassungsgericht damals den Lauschangriff nicht ganz verbot, so sprach es doch von einem absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung, in dem der Staat nichts zu suchen hat. Innenminister Zuber reagierte dann auch schnell und eindeutig mit einem Brief an alle Polizeidienststellen, bei der Anwendung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechend zu beachten.

Meine Damen und Herren, da wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die schwer wiegenden Eingriffe in die Privatsphäre wie sie in dem rheinland-pfälzischen POG damals vorgesehen waren, von Beginn der Debatte an kritisiert haben, haben wir dann einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist der erste Gesetzentwurf, über den wir heute reden. Nun haben auch die Koalitionsfraktionen nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts einen Änderungsantrag zum POG vorgelegt, in der richtigen Annahme, dass das im Moment noch geltende POG nicht den Vorgaben unserer Verfassung, so wie sie im Urteil des Bundesverfas

sungsgerichts im März 2004 noch einmal verdeutlicht wurden, entspricht.

Auch wenn der Weg, den der Entwurf zur Änderung des POG seit der ersten Einbringung vor zwei Jahren hinter sich gebracht hat, sehr lang und die Änderungen sehr grundsätzlich waren und in den meisten Fällen auch in die richtige Richtung gehen, so gibt es doch zu dem, was die Koalitionsfraktionen heute für das POG vorlegen, und dem, was wir vorlegen, einige grundlegende Unterschiede.

Meine Damen und Herren, grundsätzlich möchte ich zu unserem Gesetzentwurf sagen, wir akzeptieren auch, dass der Lauschangriff nicht grundsätzlich verfassungswidrig ist, aber – das müssen wir sagen – es sind ihm sehr enge Grenzen auferlegt worden. Um gleich mit dem wichtigsten Unterschied zu dem anzufangen, was wir sagen und was in dem Entwurf der Koalitionsfraktionen festgelegt ist, wir sind der Meinung, dass die Verletzung der privaten Sphäre im präventiven Bereich, also durch die Polizei, mindestens genau die gleichen, wenn nicht sogar höhere Standards haben muss als die Verletzung der Privatsphäre bei der Strafverfolgung, also im repressiven Bereich. Hier unterscheiden wir uns ganz deutlich.

Mit dem Lauschangriff sind immer schwer wiegende Eingriffe in die Privatsphäre verbunden. Da ist es natürlich immer schwierig, die Grenzen in der Prävention zu benennen, zu definieren. Welche Verdachtsmomente reichen denn aus, um von einer Person anzunehmen, dass sie in der nächsten Zeit eine Straftat begehen wird? Meine Damen und Herren, das immer wieder angeführte Beispiel der Geiselnahme, wie es auch im Ausschuss geschehen ist, taugt wirklich nicht zur Begründung. Das hat Herr Becker von der Polizei auch erklärt. Er hat gesagt, dass es in der akuten Situation einer Geiselnahme natürlich kein Problem bereitet, Liveüberwachungen zu machen. Das wird immer gemacht werden. (Schweitzer, SPD: Sagen Sie doch auch, was Herr Becker von Ihrem Gesetzentwurf gesagt hat!)

Meine Damen und Herren, ich nehme einmal an, dass Sie das sagen werden.

Meine Damen und Herren, hier liegt ein grundsätzlicher Unterschied zwischen unserem Entwurf und dem der Koalitionsfraktionen. In unserem Gesetzentwurf steht, dass nur dann, wenn es sich um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben einer Person oder zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit einer Person handelt, die Polizei personenbezogene Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel erheben kann. Das ist ein entscheidender Unterschied zu dem Vorschlag, den die Koalitionsfraktionen machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sagte es schon am Anfang: Es gibt eine Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts mit dem niedersächsischen Gesetz. Auch hier geht es in erster Linie darum, was Prävention darf und ob für die Eingriffe in die Privatsphäre durch die Polizei die gleichen Anforderung gelten

müssen wie diejenigen, die das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr zum Großen Lauschangriff aufgestellt hat.

Ich bin nach dem, wie die Verhandlung im Juni lief, ziemlich sicher, dass die Ansprüche gleich hoch gestellt werden. Dann stellt sich wieder die Frage: Was bedeutet das für das rheinland-pfälzische POG. Ist hier wieder Änderungsbedarf angesagt? Wir werden es sehen.

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass die Formulierung in unserem Gesetzentwurf den Vorgaben der Verfassung entsprechen, so zum Beispiel was den Kreis der Personen angeht, die vom Lauschangriff betroffen sind. Wir wollen, dass sich die Datenerhebung mit technischen Mitteln nur gegen die Verantwortlichen richtet, während im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen der Personenkreis auch auf Kontakt- und Begleitpersonen ausgedehnt ist. Schauen Sie einmal nach.

Meine Damen und Herren, wir sind auch der Meinung, dass der im Entwurf der Fraktionen der SPD und FDP aufgeführte Gefahrenkatalog nicht den Gefahrenkriterien – wenigstens nicht in jedem einzelnen Punkt – entspricht, wie sie das Bundesverfassungsgericht formuliert hat.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich mich noch einmal ausdrücklich an die FDP wenden, die gerade einen Beschluss auf ihrem Parteitag gefasst hat, den Lauschangriff ganz abzulehnen, oder täusche ich mich da? So agieren sie im Moment auch in Berlin. Wenn es so ist, meine Damen und Herren von der FDP, wenn es Ihnen wirklich mit dem Parteitagsbeschluss ernst ist, dann müssten Sie wenigstens unserem Gesetzentwurf zustimmen, sonst muss man das, was Sie auf dem Parteitag beschlossen haben, bloß als ein rein taktisches Manöver ansehen.

Meine Damen und Herren von der FDP, Sie hängen Ihr Mäntelchen nach dem Wind. 1996 war es die FDP, die diesen Lauschangriff in das Gesetz eingeführt hat. Im Jahr 2005 will sie davon nichts mehr wissen und ist strikt dagegen. Im Bund sind sie dagegen, im Land sind sie wieder dafür. Mit diesem Hin und Her werden sie nicht glaubwürdig. Dass sie sich als die Hüterin der Bürgerrechte aufspielen, davon merkt man auf der Landesebene herzlich wenig.

Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Pörksen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Grützmacher, nur eine Vorbemerkung. Ich komme nachher noch auf Ihren Gesetzentwurf zurück. In der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf haben Sie wenig

Beifall bekommen, und Ihr Liebeswerben gegenüber der FDP erstaunt mich schon aufgrund anderer Reden, die wir hier in diesem Parlament hören.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute entscheiden wir abschließend über das von SPD und FDP vorgelegte Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG), das allgemein und in der parlamentarischen Anhörung bezüglich der Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff auf ganz breite Zustimmung gestoßen ist.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach der Prüfung der Auswirkungen der Verfassungsgerichtsentscheidung auf das rheinland-pfälzische POG durch den Wissenschaftlichen Dienst, den Sie erstaunlicherweise gar nicht erwähnt haben, haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der verfassungsrechtlich klar ist und gleichzeitig eine praxisbezogene Anwendung – darauf kommt es an – der präventiven Wohnraumüberwachung ermöglicht.

Kernstück dieses Gesetzentwurfs ist die Einführung der Richterkontrolle bei Durchführung der verdeckten polizeilichen Maßnahmen selbst. Dadurch wird in der Praxis eine wichtige Live- und zeitversetzte Überwachung und Auswertung durch die Polizei ermöglicht, insbesondere in den Fällen, in denen der Kernbereich betroffen ist oder sein könnte und in dem nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich sofort abgeschottet werden muss.

Das Gericht, der Richter, ist über den Verlauf der Maßnahme und die näheren Umstände zu unterrichten und kann zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die polizeilichen Maßnahmen überprüfen und richterliche Anordnungen treffen.

Für uns ist aber klar – hören Sie gut zu, Frau Grützmacher –,

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich höre zu!)