Protocol of the Session on March 17, 2005

(Beifall der CDU)

Das heißt im Einzelnen – ich sage das nur in ganz wenigen Stichworten –, dieses Symbol steht auch für eine Denkweise, die Religion und Recht in einer Weise vermischt, die dann am Ende in Richtung Fundamentalismus weist. Es steht auch für eine Rechtsordnung, die für unseren Begriff eine Reihe rechtswidriger Vorschriften enthält. Die Rechtsordnung der Scharia ist in weiten Teilen eine Rechtsordnung, die in unseren Ohren den Begriff der Rechtsordnung eigentlich überhaupt nicht verdient,

(Beifall bei der CDU)

ein Verständnis der Rechte der Frau – deswegen wundert mich so mancher Beitrag aus den Reihen der rheinland-pfälzischen Grünen, andere sind da inzwischen viel weiter, auch aus der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

die eine klare Abstufung der Rechtsposition zwischen Männern und Frauen behauptet und sie bis heute verteidigt, eine klare Abstufung der Rechtsposition von Männern und Frauen, ein Begriff von Menschenrechten, der sich mit dem europäischen Menschenrechtsbegriff nun beim allerbesten Willen nicht verbinden lässt. Das ist der Konflikt.

(Staatsminister Mittler: Das sagt schon der heilige Paulus!)

Wie lösen wir ihn?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir lösen ihn in Abhängigkeit von unserer Entschlossenheit, unserem Verständnis von Verfassung und Recht einen nachdrücklichen Ausdruck zu geben und unser Verständnis von Menschenrechten und Verfassungsordnung gegen alle Infragestellungen, nicht nur gegen die Angriffe, sondern gegen alle Infragestellungen zu verteidigen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass von dieser Entschlossenheit für unsere Zukunft und für die Zukunft in Europa sehr viel abhängen wird. Deswegen haben wir uns nach einer langen Diskussion entschlossen – wir beschäftigen uns jetzt seit über einem Jahr mit diesem Thema sehr kontrovers; wir haben uns nicht denen verschlossen, die im Ergebnis zu einer anderen Meinung kommen als wir mit unserem Gesetzentwurf; die gibt es, das will ich gar nicht bestreiten –, nach einer ausführlichen und sehr langen Diskussion sind wir jedenfalls in großer Mehrheit zu diesem Entschluss gekommen, weil wir der festen Überzeugung sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass im staatlichen Bereich, über den allein wir sprechen – manch einer möchte gern das Missverständnis erwekken, als wenn mit einem solchen Gesetzentwurf wie dem, den wir heute eingebracht haben, ein generelles Verbot des Kopftuchs verbunden wäre; wir reden über

den staatlichen Bereich, allein und ausschließlich über den staatlichen Bereich –, der Staat selbst verantwortlich ist für die Symbole, die im staatlichen Bereich zugelassen werden,

(Beifall der CDU)

und ihn aus dieser Verantwortung entlassen darf, und zwar im Blick auf das Verständnis derjenigen, die dem Benutzer oder der Benutzerin eines solchen Symbols gegenübertreten. Ich sage das im Blick auf diese Argumentation, die Sie alle kennen, beispielsweise einzelner Trägerinnen des Kopftuchs, die sagen: Für mich persönlich ist das eine ausschließlich religiöse Überzeugung, die ich damit zum Ausdruck bringe. – Das mag sein, und ich maße mir am allerwenigsten an, das, was wir leidvoll erlebt haben damals mit Einzelfallprüfungen, die dann auf Gewissensprüfungen hinausliefen, zu beurteilen, ob das, was jemand sagt, seiner wirklichen Überzeugung entspricht oder nicht. Das ist auch nicht das Entscheidende, sondern das Entscheidende ist, welche Botschaft bei denjenigen ankommt, die der Benutzerin eines solchen Symbols vermittelt wird.

(Beifall der CDU – Vizepräsident Creutzmann übernimmt den Vorsitz)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Fall der Lehrerin, die mit einem Kopftuch bekleidet vor die Klasse tritt, vor Schülerinnen tritt, vor muslimische Schülerinnen tritt, von denen in unserem Land die allermeisten am eigenen Leib – ich sagte das am Anfang – einen schrecklichen Kulturkonflikt erleben und aushalten müssen. In einer solchen konfliktträchtigen Situation sind wir der festen Meinung, dass das Kopftuch nicht nur das falsche Zeichen und die falsche Botschaft ist, sondern in eine Richtung weist, die wir mit unserer Verfassungsordnung am allerwenigsten vereinbaren können.

(Beifall der CDU)

Es geht um junge Frauen und Mädchen, die in ihren Familien oft einen verzweifelten Kampf um ihre Rechte und ihre Würde kämpfen, – –

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

(Heiterkeit im Hause)

Oh, Entschuldigung. Aber er hätte sich damit verbessert. Das müssen Sie zugeben.

beispielsweise westliche Kleidung tragen zu dürfen. Um solche Alltagsfragen geht es bei dieser Diskussion, um ihr Recht, nicht dem Züchtigungsrecht des Mannes zu unterliegen, um ihr Recht, nicht zwangsverheiratet zu werden, und vieles andere mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen hat alles, was die kulturelle Zulässigkeit solcher Denk- und Handlungsweisen auch nur im Entferntesten stützt, im staatlichen Bereich unseres Landes keinen Platz. Wenn das

zutrifft, dann müssen wir es gesetzlich unterbinden. Mir ist gestern ein Zitat einer jungen Muslima in die Hände gefallen, – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich bin sofort am Ende.

die vor wenigen Tagen Folgendes gesagt hat – es sind nur eineinhalb Sätze; um diese zwei Sekunden bitte ich noch um Verständnis –:

Die verfassungsmäßig verbürgte Freiheit und Gleichheit der Frau ist nicht selbstverständlich. – Dann sagt sie mit Blick auf sich: Wir wissen das noch. – Ende des Zitats.

Ich fände es gut, wenn wir zeigen würden, dass wir es auch wissen.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hartloff das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Böhr, Sie haben offensichtlich die Seele Ihrer Fraktion getroffen, wenn ich von dem Applaus rückschließen darf. Warum gelingt Ihnen das bei diesem Thema? – Es gelingt Ihnen, weil Sie einen aus meiner Sicht sehr eindimensionalen Blick auf das Thema geworfen haben, weil Sie vereinfacht haben.

(Beifall der SPD und der FDP – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Wenn ich ein Problem vereinfache, dann habe ich auch eine einfache, eine symbolhafte Lösung. Diesem Symbol, um Ihre Diskussion zu fokussieren, laufen Sie nach. Sie laufen ihm nach nach der Diskussion, die in BadenWürttemberg, durch den Fall „Ludin“ ausgelöst, im Jahr 2003 zu einer Bundesverfassungsgerichtsentscheidung geführt hat. Dies hat dann zu einer Diskussion geführt, die querbeet durch die Bundesrepublik gelaufen ist und in Teilen etwas damit in Zusammenhang steht, wie wir uns mit dem Islam, mit den Erscheinungen hier, und mit welcher Kultur auseinander setzen.

In Baden-Württemberg und anderen Ländern ging man davon aus, dass man aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dann auch Gesetze machen muss oder machen sollte, um Regelungen zu treffen.

Ich weiß sehr wohl, dass die Frage einer Befürwortung einer solchen gesetzlichen Regelung quer durch die Bundesrepublik auch von meinen Parteifreunden unterschiedlich beurteilt wird. Da kommt es darauf an, mit welchem Blickwinkel man diese Fragen letztlich sieht

und wie man meint, dass man unsere Verfassung weiterentwickeln will.

Ich will Martin Kriele zitieren, einen durchaus konservativen Verfassungsrechtler, der in der Festschrift für von Arnim bei der Einleitung „Problemaufriss am Exempel des Kopftuchstreits“ Folgendes sagt: „Warum konnte das Kopftuch der moslemischen Lehrerin die Öffentlichkeit in solche Aufregung versetzen? Warum müssen sich Regierung, Gerichte und Gesetzgeber damit beschäftigen? – Auf den ersten Blick ist man geneigt zu sagen, lasst die Dame doch tragen, was sie will. Das Kopftuch schadet niemand und behindert den Unterricht nicht. Was ist daran schlimm? – Aufschrei des Entsetzens: Das Kopftuch ist eine Provokation, die das ganze Grundgefüge unserer säkularisierten Welt frech herausfordert, und es kann zu Störungen des Schulfriedens und zu Verletzungen des Elternrechts führen.“

Martin Kriele will damit provozieren, und er bindet dann den Strauß auf, mit welchem wir diskutieren.

Diskriminierung der Frau: Herr Dr. Böhr, Sie haben die Schwierigkeit in Familien islamischen Glaubens für jugendliche Mädchen aufgeführt, denen vorgegeben wird, einen Schleier zu tragen. Das sind auch die Argumente, die von der Seite Befreiung der Frau/Gleichberechtigung kommen.

Wir sprechen über eine andere Religion mit vielen Facetten. Ich habe mir von Kennerinnen und Kennern der Religion sagen lassen, es gibt dort genauso das Gefühl von Frauen, die sich nackt vorkommen, wenn sie ohne diesen Schleier gehen sollen, müssen. Beides gibt es.

Wenn wir uns die Geschichte unserer abendländischen Religion und die Säkularisierung des Staates betrachten, dann war es eine Geschichte, die sich auch über die Befreiung der Frau beschreiben lässt.

Auch unsere Religion – dies müssen wir konstatieren – hat andere Wurzeln, und es ist eine Leistung der Aufklärung und der Gesetze, der Demokratie und damit in der Folge des Grundgesetzes mit seinen Regelungen, dass es Frauen gleichberechtigt und Frauen auch in einen entsprechenden Stand setzt.

Wir haben Regelungen in unserem Grundgesetz und in den Ausformungen dazu im Beamtenrecht, die gegen die Diskriminierung der Frau bestehen. Das gilt auch für das Symbol „Kopftuch“.

Was haben wir als Nächstes? – Wir haben die Trennung von Kirche und Staat. Diese ist in Frankreich traditionell anders geregelt als bei uns. Auch bei uns gibt es die Trennung von Kirche und Staat. Aber die Verwobenheiten sind vor einem abendländisch-christlichen Hintergrund viel größer.

Wenn Sie im Schulgesetz mit Ihrem Gesetzentwurf Vorschläge machen, wo Sie deutlich die einen Symbole zulassen und ein anderes Symbol als ein religiöses Symbol wegdefinieren, nämlich nur die islamistische Sichtweise sehen wollen, dann lassen Sie diesen Konflikt und diese Differenziertheit weg.

Herr Dr. Böhr, schade, dass Sie nicht differenzieren wollen, sondern ein Klientel bedienen und einfach in Populismus machen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Lassen Sie mich zur Frage „Symbol des Islamismus in seiner Radikalität“ kommen. Natürlich gibt es das auch. Sie sagen oder wollen weismachen, dass, wer ein solches Gesetz nicht beschließt – der Landtag in Nordrhein-Westfalen hat es im Übrigen nicht beschlossen, sondern dies mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen am heutigen Tag gegen die Stimmen der CDU abgelehnt. Ich will dies nur einfließen lassen. Ihre Unterstellung, wer nicht handelt, würde sich der Auseinandersetzung nicht stellen, ist eine Unterstellung, die ein Stück Infamie beinhaltet.

Wir stehen zu einer wehrhaften Demokratie und haben Mittel hierzu in unserer Verfassung. Wir haben diese Mittel natürlich auch in unseren beamtenrechtlichen Regelungen, wenn es in Einzelfällen zu Problemen kommt.

Einen solchen Einzelfall hatten wir in Rheinland-Pfalz noch nicht. Da gab es bestenfalls ein Gespräch mit einer Referendarin, die daraufhin ein Kopftuch nicht angezogen hat. Dies ist eigentlich ein Beleg dafür, dass sich solche Probleme mit dem bisherigen Instrumentarium einfach regeln lassen.