Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Hochschule, die in Berufungsverhandlungen keinen Millimeter Bewegungsspielraum hat, um demjenigen, der wegberufen wurde, eine halbe Assistentenstelle zusätzlich zu geben, mag ein Gebäude sein, an dem außen ein riesengroßes Schild steht mit der Aufschrift „Universität XY“, aber in Wahrheit ist sie im Blick auf die Bemühungen, in Deutschland Exzellenzzentren zu bilden, längst keine Hochschule mehr, sondern bestenfalls eine Berufsakademie.
Das ist der eigentliche Teufelskreis, in dem wir uns befinden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich zu einem Punkt, von dem ich der Meinung bin, dass er auch mit Blick auf diese Debatte und mit Blick auf die Entwicklung in den nächsten Jahren der entscheidende ist. Die Strukturen in unserem Land werden immer zerbrechlicher, sie sind immer mehr gefährdet. Ich nannte das Beispiel der Hochschulen.
Wenn Sie auf die Verkehrsinfrastruktur blicken, ist es ähnlich. Wir haben allein bei den Landesstraßen einen Investitionsrückstau in einer Größenordnung von 560 Millionen Euro. Das ist keine Vermutung oder eine bösartige Unterstellung, sondern das wissen wir. Von Jahr zu Jahr wird dieser Investitionsrückstau größer, und die Schlaglöcher werden ebenfalls größer. Bei den Bundesfernstraßen haben wir ebenfalls Investitionsrückstände in einer jährlich wachsenden Größenordnung, egal ob das die B 10, der Bienwald oder der Mainzer Ring ist.
Jetzt nenne ich ein drittes Beispiel, bei dem wir über Strukturen diskutieren. Neben den Hochschulen und der Verkehrsinfrastruktur ist das die Struktur der kommunalen Selbstverwaltung. In Wahrheit haben wir im Land Rheinland-Pfalz so gut wie keine kommunale Selbstverwaltung mehr, weil jede Gemeindeverwaltung und jedes kommunale Parlament an der kurzen Leine der Landesregierung geführt wird.
Das sind jetzt nur drei Beispiele, bei denen es um Strukturen geht und bei denen sich hinter der Frage nach der finanziellen Ausstattung die Frage nach dem Erhalt leistungsfähiger und tragfähiger Strukturen stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da komme ich zu dem Ergebnis, dem schwer zu widersprechen ist, auch wenn ich weiß, dass das heute geschieht, aber es ist schwer, den Beweis zu führen, dass das, was ich jetzt sage, nicht zutrifft. Das Ergebnis dieses unterschiedslosen Wohlwollens, jedem über viele, viele Jahre hinweg das zu geben, was er will, was er erwartet und was er fordert und genau diese Strategie sozusagen zur Grundlage der eigenen politischen Zustimmung zu machen, ist, dass am Ende die Strukturen in unserem Land kollabieren, weil jeder zwar ein bisschen bekommt, aber das, was wirklich wichtig ist, an Unterfinanzierung dahinsiecht. Das ist das Ergebnis einer wirklich verantwortungslosen Haushalts- und Finanzpolitik.
Mit Blick auf das, was wichtig ist, gäbe es eine ganze Menge zu tun. Das langjährige Wirtschaftswachstum in Rheinland-Pfalz liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist weit unterdurchschnittlich. Die Zahl der Berufspendler wächst. Das Verhältnis von Arbeitsplätzen und Einwohnern liegt im alleruntersten Bereich aller Bundesländer. Das sind nur vier Kennziffern, aber diese vier Kennziffern sprechen eine überdeutliche Sprache. Es gäbe viele Gründe, in Strukturen zu investieren, um so die Chance zu verbessern, neue Arbeitsplätze in unserem Land entstehen zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das müsste nach meiner Meinung doch im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen. Im Mittelpunkt der Anstrengungen dieses Doppelhaushalts müsste das eine Ziel stehen, das Bescheidene, was die Politik überhaupt dazu beitragen kann, zu leisten, um die Chancen zu verbessern, neue Arbeitsplätze im Land entstehen zu lassen, dafür zu sorgen, dass Rheinland-Pfalz eine europäische Kernregion mit Arbeitsplätzen in der mittelständischen Wirtschaft bleibt.
Wie geht das mit den Mitteln der Landespolitik? Ich kam darauf zuvor schon zu sprechen. Durch eine leistungsstarke Forschung und arbeitsfähige Hochschulen. Durch Hochschulen, die sich im Wettbewerb gut behaupten können, die Attraktivität gewinnen, die mehr Attraktivität gewinnen, durch eine gute Ausbildung in gut ausgestatteten Schulen mit Unterrichtsvollversorgung, durch Grundschulen, die von Kindern besucht werden, die am Tag der Einschulung schon der deutschen Sprache mächtig sind.
Ich will das nicht vertiefen. Die Debatte hat uns schon häufiger beschäftigt. Wenn aber die ersten beiden Grundschuljahre deshalb verlorene Jahre sind, weil in den zwei Jahren nichts anderes gemacht werden kann, als Sprechfähigkeit zu trainieren, weil die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler so unterschiedlich sind, dass eben nicht geordnet mit dem Tag der Einschulung unterrichtet werden kann, sind das zwei verlorene Jahre.
Dies ist möglich durch eine gute Verkehrsinfrastruktur, die besonders auch den ländlichen Räumen ihr Überleben sichert, durch Rahmenbedingungen, die es insbesondere dem Mittelstand erlauben, neue Arbeitsplätze zu schaffen, durch eine Politik, die endlich aufhört, andere am Sparen zu hindern.
Ihre Weigerung, in Sachen Standardflexibilisierung und Standardöffnung einen auch nur kleinen Schritt zu tun, ist nichts anderes als eine Behinderung von Dritten, selbst und auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung sparen zu können, wenn man das will.
Ihre Ausgabenwut geht so weit, dass Sie noch nicht einmal Dritten erlauben oder ihnen die Möglichkeiten einräumen, die eingeräumt werden müssten, um vor Ort eine verantwortungsvollere, sparsamere Entscheidung treffen zu können durch eine schlankere Verwaltung, die Schluss macht mit dem Wildwuchs an Mehrfachzuständigkeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben in mühevoller Kleinarbeit in den vergangenen eineinhalb Jahren ein Konzept dazu erarbeitet und in einer sehr schwierigen Debatte mit unterschiedlichen Beteiligten dieses Konzept diskutiert. Mit Blick auf Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungserneuerung hat diese Landesregierung seit dem Riesenreinfall mit der Abschaffung der Bezirksregierungen jeder Mut verlassen. Nichts ist in dieser Frage in den vergangenen Jahren passiert. Überhaupt nichts!
Stattdessen verschulden wir uns über beide Ohren und veräußern das letzte verbliebene Tafelsilber. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir veräußern es übrigens auch anders als andere Bundesländer.
Herr Ministerpräsident, ich weiß, dass nachher ausführlich auf Aktivitäten in Bayern und BadenWürttemberg und in anderen Ländern hingewiesen wird.
Bei uns ist es so, dass wir es zur Finanzierung laufender Ausgaben veräußern. Andere veräußern es, um Zukunftsinvestitionen zu tätigen.
Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. Begründet wird das alles mit dem schlichten Satz – den haben wir oft genug gehört; ich glaube, dieser entspricht zutiefst der Überzeugung der Landesregierung und der Mehrheit dieses Parlaments –: Es gibt zu alledem keine ernsthafte Alternative.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es. Das höre ich auch von der Regierungsbank. Wissen Sie, dann machen wir das Buch zu. Dann brauchen wir keine Haushaltsberatungen, kein Parlament und keinen Haushaltsplan. Da es gar nicht sein kann, dass es keine Alternative gibt – im Leben gibt es immer und zu allem eine Alternative –, behaupte ich mannhaft: Es gibt zu dieser verantwortungslosen Haushaltspolitik dieser Landesregierung sehr wohl eine Alternative.
Die Alternative lautet: Wir wollen – das ist die Voraussetzung – finanzpolitische Handlungsspielräume zurückgewinnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt sprengt das die Vorstellungskraft des einen oder anderen bei der SPD.
Herr Kollege, ich frage mich gelegentlich, ob eigentlich in der SPD-Fraktion über all diese Dinge noch in der Sache diskutiert wird. Ich erinnere mich einmal zurück – ich gebe zu, die Erinnerung wird immer blasser, und sie muss demnächst aufgefrischt werden –, wie das zu unserer Zeit vor 1991 war. Der Minister oder die Ministerin kam mit stolzgeschwellter Brust in die Fraktion, hat einen Vorschlag gemacht und ist anschließend bedröppelt herausgegangen, weil die Fraktion gesagt hat: Lieber Herr Minister oder liebe Frau Ministerin, so nicht.
Ich möchte einmal wissen, ob Sie jemals in den letzten Jahren einem dieser genialen Vorschläge der Landesregierung die Spitze genommen haben. Ich vermute, keinem einzigen.
Wissen Sie, das hat natürlich auch ein bisschen etwas mit dem Verständnis von Parlamentarismus zu tun.
Ich komme zu meinem Thema zurück. Auch wenn es die Vorstellungskraft der Kollegen von der SPD sprengt, bleibt es dabei, dass die Aufgabe nur sein kann, finanzpolitische Handlungsspielräume zurückzugewinnen.
Dazu gehört beispielsweise die Alternative, die Reste des verbliebenen Landesvermögens zu retten, und zwar nicht, weil es sich in gutbürgerlichen Familien so gehört, sondern diese eine sichere Einnahmenquelle auf viele Jahre hin sind. Heute steht in der Zeitung, dass diese noch ganz gewaltig seien. Von Resten könne keine Rede sein. Wir seien reicher als je zuvor. Hier haben wir eigentlich kein Problem. Weshalb reden wir hier? Es ist doch alles in allerbester Sahne.
Wenn ich eben davon gesprochen habe, dass wir schon sehr bald den Punkt erreicht haben – der Durchschnitt der Steuermehreinnahmen der letzten zehn Jahre und der Durchschnitt der Zinsausgaben der letzten zehn Jahre zugrunde gelegt –, wo sich das genau die Waage hält und die Zinsausgaben die Steuermehreinnahmen komplett auffressen, wäre es doch aller Mühe wert, mit Blick auf diese dann endgültig besiegelte Handlungsunfähigkeit die Chance zu nutzen, nicht alles, was diesem Land zusätzliche und wichtige Einnahmen verschafft, jetzt dranzugeben, zu verscherbeln und zu versilbern.
Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, lasst uns doch einen solchen Vermögenssicherungsfonds auflegen. Das wäre übrigens etwas ganz Neues in der Fi
nanzpolitik dieses Landes; denn es wäre der erste Fonds, der nicht ausschließlich aus Schuldverschreibungen besteht, sondern in dem wirklich Geld liegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt weiß ich, dass spätestens der Herr Finanzstaatssekretär – diesem rechne ich mehr zu als dem Herrn Finanzminister – mit dem Einwand kommt: Das ist vielleicht alles schön gedacht, aber unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ist das alles falsch, unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ist es am besten, dieses Verschiebekarussell in Gang zu setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Landesregierung, die ihre Wirtschaftlichkeitsberechnungen inzwischen auf Zinsaustauschcoupon-Ausgleichsverträge gründet, sollte den Begriff der Wirtschaftlichkeit etwas zurückhaltender benutzen, als ich das in den letzten Tagen gehört habe.