Protocol of the Session on November 11, 2004

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Beck das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch meinerseits möchte ich mich dafür bedanken, dass die Aktuelle Stunde die Möglichkeit bietet, dieses wichtige Thema für unser Land Rheinland-Pfalz im Parlament zu besprechen.

Ich glaube in der Tat, dass wir alle Grund haben, uns ab und zu mit diesem Thema intensiv zu beschäftigen. Diese militärischen Standortentscheidungen betreffen uns an manchen Stellen positiv, an anderen Stellen negativ. Das Negative wiegt natürlich immer schwerer, weil es Menschen betrifft, weil es Kommunen und Regionen betrifft, bei denen Veränderungen stattfinden. Aber trotz all dieser Betrachtungsweisen sollten wir eines im Auge behalten:

Wir können glücklich darüber sein, dass wir zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts darüber reden können, dass Truppenpräsenz abgebaut werden kann; denn die hohe Truppenpräsenz war eine Reaktion erst auf die Situation, die durch den Krieg der Nazis in Deutschland und der Welt entstanden ist, und dann des Kalten Krieges, der sich danach entwickelt hat und der unser Vaterland genauso wie Europa gespalten hat und an vielen Stellen dazu geführt hat, dass die Menschen Angst haben mussten, dass morgen der dritte Weltkrieg losgeht. Ich erinnere an die Kubakrise. Ich erinnere an die Berlinblockaden, die es in vielfacher Weise immer wieder gegeben hat. Ich erinnere an die Suezkrise und an anderes mehr. Dass wir heute über Abrüstung und deren Folge reden können, ist ein Glücksfall in der Geschichte. Dafür sollten wir dankbar sein.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man dies so sieht und voraussetzt und Bezug nimmt auf das, was Herr Kollege Mertes zur Veränderung der militärstrategischen Aufgabenstellung in einer veränderten Welt, in einem veränderten Europa und in einem veränderten Deutschland gesagt hat, und wenn dies richtig ist – es ist auch von den anderen Kolleginnen und Kollegen hier nicht infrage gestellt worden –, dann ist logisch, dass die Streitkräfte genauso wie die

Politik insgesamt, insbesondere unsere internationale Politik, Schlussfolgerungen daraus ziehen müssen. Dann ist es richtig, dass wir den Versuch unternehmen müssen, unsere gewachsene internationale Rolle auch durch eine entsprechende Ausgestaltung unserer Streitkräfte zu begleiten, wobei ich auch an dieser Stelle deutlich machen möchte, ich glaube, Deutschland hat auf eine beachtliche Weise diese neue Rolle angenommen. Es hat auf eine beachtliche Weise auch deutlich gemacht, dass bei einem klaren Bekenntnis zum nordatlantischen Verteidigungspakt und bei einem klaren Bekenntnis zur europäischen Aufgabenstellung und den Gemeinsamkeiten wir dennoch auch unseren Freunden gegenüber eine eigenständige Politik machen werden. Die Entscheidung, sich nicht am Irakkrieg zu beteiligen, hat dies deutlich gemacht.

(Starker Beifall der SPD und Beifall der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin sicher, dass wir in wenigen Jahren bereits – die Ansätze sind spürbar – davon werden reden können, dass nicht zuletzt ausgelöst durch dieses Selbstbewusstsein, das Frankreich und Deutschland an dieser Stelle praktiziert haben, nicht um Amerika zu provozieren oder sich abzusetzen, aber um deutlich zu machen, wir sind Partner und Freunde, aber wir sind nicht Gefolgsleute, die ohne eigene Position allem hinterher zu gehen haben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das wird Europa stärken. Ich bin sicher, das wird am Ende auch für die Ausgewogenheit und für die Balance nicht nur im Sicherheitsgefühl dieser Welt, sondern auch weit darüber hinaus in den ökonomischen Bereich hinein, in ökologische Entscheidungsfelder, die international zu treffen sind, hinein eine positive Wirkung haben, dass in diesem Europa neben dem starken Nordamerika, neben einer Entwicklung in Lateinamerika, neben einem asiatischen Raum, der gerade ökonomisch immer mehr Bedeutung bekommt, neben einem China, das eine eigene Kraft entwickeln wird, und, wie wir hoffen, auch einmal einem Afrika, das auf die Beine kommen wird, verschiedene Schwerpunkte auf dieser Welt vorhanden sind und diese Ausrichtung auf einen einzelnen Schwerpunkt durch eine friedliche und freundschaftliche Entwicklung auf dieser Welt abgelöst werden kann.

Ich denke, wir brauchen eine solche Vision, weil wir nicht in die Ecke hineinlaufen dürfen, dass am Ende der Krieg – wie einmal formuliert worden ist – die Mutter aller Dinge ist: Wenn alles zerstört ist, muss wieder neu aufgebaut werden und Werte geschöpft werden. – Das darf nicht mehr Philosophie werden. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir unseren Beitrag für einen solchen Weg leisten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Deshalb sage ich Ihnen offen, ich halte nichts von Formulierungen, die im Moment ganz schön sind, wie beispielsweise die, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird, aber ich halte eine Menge davon, dass wir uns in einer verantwortlich getroffenen Entscheidung

im Reigen der freien Nationen dieser Welt an friedenserhaltenden Maßnahmen und an Maßnahmen, die Aufbau und Zukunftsmöglichkeiten für Regionen dieser Welt, die Krisenherde sind, bedeuten, beteiligen. Wenn wir dies so wollen, dann müssen wir unsere Streitkräfte auch in die Lage versetzen, dies tun zu können. Wir müssen verantwortlich handeln, was die Investitionen und die Ausbildung angeht, dass wir die Soldatinnen und Soldaten nicht in eine Mission schicken, die für sie ein Gefahrenpotenzial beinhaltet, das nicht verantwortbar wäre. Gefahren sind mit solchen Einsätzen immer verbunden, aber wir müssen sie soweit wie möglich, soweit wie es Vorsorge, Ausrüstung und Ausbildung kann, minimieren. Das ist die Entscheidung, die auch hinter diesen Standortfragen, über die wir heute diskutieren, steht.

Meine Damen und Herren, wenn ich das anwende, dann habe ich gesagt „aus meinem Blickwinkel“. Jetzt bin ich da auch nicht völlig derjenige, der wie ein Blinder von der Sonne redet. Ich habe 18 Berufsjahre meines Lebens im Bereich der Bundeswehr, der Bundeswehrverwaltung und der Personalvertretung auf einer der höchsten Kommandoebenen, die es damals gab, verbracht. Dann hat man wenigstens ein bisschen Einblick in die Dinge, die da laufen. Außerdem haben wir gute Ratgeber – das will ich auch sagen – aus höchsten Kommandoebenen, auf die man natürlich hört.

Das anwendend – da stimme ich völlig dem zu, was Sie, Herr Kollege Dr. Enders, gesagt haben – habe ich gesagt, die Maßstäbe, die Herr Struck zur Strukturveränderung in der Bundeswehr angewandt hat, würde ich an seiner Stelle genauso anwenden. Ich bleibe ausdrücklich dabei.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das ist die zentrale Ebene, um die es hier geht. Dann kommt eine zweite Ebene. Natürlich muss man, wenn man endlich wieder dazu kommen will – ich denke, wir müssen dazu kommen –, dass der Investitionsanteil am Einzelplan 14 – am Verteidigungshaushalt – größer wird – er war über Jahrzehnte deutlich zu niedrig; da sind wir uns sicher auch alle einig –, dann einen zweiten Maßstab, den der Wirtschaftlichkeit, auch akzeptieren, weil es ansonsten, so schön eine dislozierte Aufstellung der Truppen für die Regionen auch ist, dann eben auch möglich sein muss zu fragen: Kann man nicht Effizienzgewinne dadurch erzielen, dass man beispielsweise sagt, dort, wo rein militärische Standorte, also nicht Sonderfunktionen wie Depots, Instandsetzungseinrichtungen oder andere, Stäbe etc., sind, aber dort, wo militärische Standorte sind, dass man dort sagt, Tausend ist eine Schlüsselgröße, von der man ausgeht, weil man weiß, ich brauche eine Kleiderkammer, ich brauche entsprechende Verpflegungseinrichtungen, ich brauche Standortverwaltungskapazitäten usw., die eben mit dazugehören?

Eine gewisse Relation zwischen denen, die zuarbeiten, und der Zahl der Soldaten muss erreicht sein – das wissen wir doch aus unseren Entscheidungen genauso –, damit am Ende dieser Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkt auch erreicht werden kann. Auch daran kann ich

zunächst einmal nichts Verwerfliches finden. Im Gegenteil, auch das halte ich für einen richtigen Maßstab.

Dann kommt eine dritte Ebene dazu. Da sind wir im Spiel. Da sind wir auch früh im Spiel gewesen. Lieber Herr Kollege Schmitt, glauben Sie mir, ich habe da keine Probleme, mit den Leuten zu reden, und keine Probleme, auch Gehör zu finden. Das andere Zeug, das Sie erzählt haben, lasse ich jetzt einfach einmal so stehen, weil es wirklich nicht der Erwähnung wert ist. Wir haben uns überlegt, wie wir mit dem umgehen, was da auf uns zukommt. Ich finde es ein Stück schlau, wenn ein einzelner Abgeordneter wie Sie, Herr Kollege Schmitt, dann sagt: Jetzt mache ich schnell eine Kleine Anfrage, die Fristen laufen aus, wenige Tage, bevor jemand etwas öffentlich sagen kann.

(Schmitt, CDU: Wieso wenige Tage? Im Dezember gestellt!)

Wir waren in intensiven internen Gesprächen, aber ich kann doch zu diesem Zeitpunkt dem Innenministerium nicht sagen, dass mehr verlautet – leider auch Ihnen gegenüber – als das, was zu diesem Zeitpunkt offizielle Haltung der Bundesrepublik Deutschland ist.

(Zuruf des Abg. Schmitt, CDU)

Sollten wir denn Ihnen gegenüber spekulieren, vielleicht ist Hermeskeil mit dabei? Dann hätte ich doch alle Gespräche in Berlin zu Hermeskeil sofort einstellen können. Wollten Sie das?

(Starker Beifall der SPD und der FDP)

Wissen Sie, manches Maß an Schläue holt sich selbst ein. Das war ein solcher Schachzug, den Sie da gemacht haben.

(Schmitt, CDU: Das hier war schriftlich festgelegt, nicht einfach nur so dahingesagt!)

Aber lassen wir es. Für uns ging es doch darum, auch das sehend, was der Kollege Mertes dazu gesagt hat, natürlich hätte ich gern gesehen, dass wir in Westerburg und in Hermeskeil und in Mendig diesen Standort hätten halten können. Aber glauben Sie denn ernsthaft, dass man sich gegenübersitzen kann und, wenn in diesem Fall eine Panzerdivision aufgelöst wird, zu sagen: Aber mein Bataillon in Rheinland-Pfalz, das dazugehört, dass erhaltet bitte.

(Schmitt, CDU: Darum ging es gar nicht!)

Ich lasse es dahingestellt sein, worum es Ihnen ging. Ich rede jetzt davon, um was es mir ging. Ihr Karo ist mir da nicht ausreichend groß. Herr Schmitt, das muss ich wirklich einmal sagen.

(Beifall der SPD und des Abg. Kuhn, FDP)

Oder Hermeskeil: Natürlich hätten wir gern gesehen, weil wir wissen, wie der Standort ausgeprägt ist, dass er erhalten bleibt. Gott sei Dank gehört er wirtschaftlich nicht zu den Schwächsten.

Frau Kollegin Grützmacher, Ihre Aussage, ihr denkt nicht voraus: Schauen Sie sich einmal an, was in den letzten Jahren an Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz an diese Standorte geflossen ist. Glauben Sie doch nicht, dass das alles immer nur zufällig ist.

Ich wäre dankbar, wenn wir das nächste Mal beispielsweise in Germersheim über die Erschließung eines neuen Gewerbegebiets reden, dass wir dort Konversionsmaßnahmen einleiten und eine entsprechende Infrastruktur schaffen müssen. Wir brauchen hierfür eine Umgehungsstraße, weil wir wissen, dass die dortigen Infrastruktureinrichtungen der Luftwaffe – das ist eine Rühe-Entscheidung und keine jetzige Entscheidung gewesen – abgebaut werden sollen. Wenn man versucht, eine neue Infrastruktur mit zu fördern, dann habe ich es leider noch nicht erlebt, dass Ihre Parteifreunde vor Ort bei uns waren, sondern sie haben gesagt, das geht aus ökologischen und was weiß ich aus welchen Gründen nicht.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die kann man einwenden. Nur, hier zu fordern, denkt voraus, und immer dann, wenn etwas im Vorausdenken und im Reaktiven passiert, sind Sie nicht gerade bei den Förderinnen und Förderern. Das muss man doch auch sagen dürfen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn das so ist, muss man sich betrachten, wo man Stärken hat und um welche Stärken man dann ringt, die zentralen Maßstäbe akzeptieren.

Ich will einige Punkte nennen, die uns wichtig waren, die zu einem frühen Zeitpunkt in die Gespräche mit eingebracht worden sind und zu einem Teil – soweit wir das konnten – durch ein Konzept untermauert waren.

Stichwort „Baumholder“: Ja, wir wissen, dass die amerikanischen Streitkräfte einen vergleichbaren Prozess der Einstellung auf eine neue Aufgabenstellung, soweit sie in Europa und teilweise darüber hinaus stationiert sind, haben werden. Ich habe auch mit Leuten geredet, die in den Abrüstungs- und Konversionsgremien in Washington sitzen, beispielsweise mit dem Vertreter unseres „Partnerstates“ South Carolina, der eine hohe Stationierungsdichte hat und auch teilweise in Konkurrenz zu uns steht, was Luftwaffenstandorte etc. angeht. Die Amerikaner werden eine ähnliche Umstrukturierung vor sich haben. Hierfür gilt das Gleiche an Akzeptanz, das ich eben für die Bundeswehr ausgedrückt habe. Wie könnte es anders sein.

Sie kennen unser Konzept. Herr Kollege Bruch hat es auch dem Parlament vorgestellt. Wenn ich dann ein Konzept habe, das sich um Ramstein und Spangdahlem sozusagen als die Achse eines Rads rankt, muss man fragen dürfen, ob man nicht bei allem Wissen, dass die amerikanischen Truppen, so, wie sie jetzt in Baumholder stationiert sind, in diese Prüfung einbezogen sein wer

den, dem eine Chance gibt und versucht, dort voranzukommen. Mehr kann man nicht sagen, aber auch nicht weniger. Wir haben das in unser Konzept mit einbezogen und die Übungsplatzchancen ausdrücklich als einen zentralen Vorteil bezeichnet; denn man bekommt heutzutage nicht mehr überall auf der Welt so einfach einen Übungsplatz, schon gar nicht dort, wo man mit Artillerie usw. schießen kann. Das ist nicht selbstverständlich. Also haben wir das mit einbezogen.

Es gibt eine Arbeitsgruppe, und Rheinland-Pfalz ist für die Länder mit drin. Wir werden gemeinsam mit der amerikanischen Seite und der Bundesregierung unsere Interessen hierbei natürlich nicht vergessen. Die Amerikaner haben uns wissen lassen, wenn die Bundeswehr völlig weggeht, warum sollten wir dann Truppenübungsplatzstrukturen finanzieren, wenn ihr mit der Kommandantur etc. herausgeht.

Also war einer der Punkte zu sagen, wir versuchen, diese 500 Dienstposten und damit die Strukturen zu halten und einen Eckbaustein zu haben, um unser Konzept gegenüber der amerikanischen Seite weiter zu betreiben und möglicherweise – darum ringen wir auch – zivile Übungsstrukturen für den Einsatz internationaler Art von THW bis hin zu Rettungsorganisationen möglicherweise dort konzentrieren zu können – ob es uns gelingt, kann heute noch keiner sagen –, um damit eine Abfederung der möglichen und erwartbaren Entwicklungen hinsichtlich der militärischen Präsenz heutiger Ausprägung vorzubeugen.

Wir haben den „Wunderzug“ nicht gewonnen, diesen Standort zu erhalten. Da gab es Konkurrenten, beispielsweise Munster, Grafenwöhr und andere. Ich bin froh, dass es gelungen ist und der Verteidigungsminister zugesagt hat, unser Konzept gegenüber der amerikanischen Seite mit zu vertreten, was wir auch vor Ort durch einen Besuch der Staatssekretäre Biederbick und Bruch in den nächsten Tagen oder Wochen dokumentieren werden. Das ist für mich eine wichtige Sache.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn ich weiß, dass die Artillerie zu einer der Waffengattungen zählt, die aufgrund der veränderten Lage am stärksten abgebaut wird, dann haben wir versucht – es ist dann auch gelungen –, die Artillerieschule in IdarOberstein zu halten, weil das immer auch ein zentraler Ort ist, um den herum sich erfahrungsgemäß einiges rankt. Das war auch nicht immer selbstverständlich. Da hat uns wiederum Baumholder als Übungsplatz geholfen. Aber es war auch eine bewusste Entscheidung, Idar-Oberstein zu halten. Auf dieser Grundlage der Erhaltung der Artillerieschule hatten wir auch eine Chance, dass die Artillerieeinheiten, die in Kusel stationiert sind, aufwachsen.