Protocol of the Session on October 7, 2004

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, Deutschland braucht Reformen. Das gilt gleichermaßen für den Bund, die Länder und die Kommunen. Wir brauchen Reformen, die diesen Namen verdienen.

Wir müssen langfristig denken und die Strukturen nachhaltig ändern. Nur wenn sich die einzelnen Reformen zu einem überzeugenden Gesamtkonzept vereinen, wird sich Vertrauen und die notwendige Durchschlagskraft für eine Redynamisierung der Wirtschaft entwickeln.

Die SPD/FDP-Koalition in Rheinland-Pfalz hat ihre Hausaufgaben gemacht. Rheinland-Pfalz ist Vorreiter bei der Modernisierung des öffentlichen Sektors. Die Modernisierung der Justiz- und der Finanzverwaltung, der Agrarverwaltung, der Forstverwaltung und die Neuausrichtung der mittleren Verwaltungsebene sollen hier als Beispiele genügen.

Andere ließen sich hinzufügen, etwa die Reformen im Kulturbetrieb, die von der FDP-Fraktion – das sage ich bewusst an dieser Stelle – nachdrücklich unterstützt werden. Wissenschaftsminister Professor Jürgen Zöllner geht genau den richtigen Weg zwischen Breitenförderung, etwa mit dem Kultursommer Rheinland-Pfalz, und der Spitzenförderung, etwa in der Theaterlandschaft, und im Übrigen auch der Nachwuchsförderung, die – wenn Sie es gelesen haben – keine Kürzungen mehr erfährt.

In einer wirtschaftlich schwierigen Phase mit hohen Arbeitslosenquoten und schleppender Konjunktur bewegt sich die Haushaltspolitik in der Tat auf einem schmalen Grat. Dem Gebot des eisernen Sparens steht die Verpflichtung gegenüber, politisch handlungsfähig zu bleiben. Deshalb müssen wir intelligent Ausgaben kürzen und dürfen die Konjunktur nicht zusätzlich schwächen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

An den notwendigen Stellen müssen wir nach Kräften investieren. Das bitte ich – das sage ich sehr freundlich –, vor allem auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu bedenken, wenn sie wieder, wie wir heute gehört haben, aus unserer Sicht abwegige Vorschläge unterbreiten, wie dies in den letzten Haushaltsberatungen der Fall war. In diesen Bereichen sind wir meilenweit auseinander. Aber ich habe Ihre Ausführungen heute Morgen gehört, und diese Hoffnung habe ich leider nicht.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich nicht verstanden! – Zurufe der Abg. Dr. Schmitz und Creutzmann, FDP: Abwegig! Abwegig!)

Ich habe leider nicht die Hoffnung, dass Sie von Ihren abwegigen Vorschlägen Abstand nehmen werden. Sie sind nach unserer Einschätzung abwegig. Denken Sie einmal darüber nach, was damit gemeint ist.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu den Schwerpunkten der Reformen in Rheinland-Pfalz. Die Regierungskoalition in Rheinland-Pfalz setzt auch in Zeiten knapper Haushalte politische Prioritäten. Unsere politischen Schwerpunkte sind nachhaltig, das heißt, sie sind 2005 und 2006 vergleichbar und liegen auf der Linie mit denen der vergangenen Jahre. Die Bürgerinnen und Bürger können sich auf unsere Politik verlassen. Wir bilden Vertrauen. Dafür steht – das sage ich vor diesem Hintergrund ganz bewusst – in besonderer Weise der Ministerpräsident dieses Landes. Unsere politischen Schwerpunkte, mit denen wir die Zukunft für RheinlandPfalz erfolgreich bestreiten und im Wettbewerb mit anderen Ländern erfolgreich bestehen werden, bleiben unverändert:

Bildung und Forschung,

Mobilität, Infrastruktur sowie

Innere Sicherheit.

Als vierten Bereich möchte ich die Verbesserung der kommunalen Finanzen ansprechen. Wir wissen, dass wir als Land eine Menge tun. Wir wissen aber auch – das soll an dieser Stelle noch einmal gesagt werden –, dass wir dringend eine Gemeindefinanzreform brauchen. Das Defizit der Gemeinden insgesamt beträgt 10 Milliarden Euro. Daher kann dieses Vorhaben in der Tat nicht auf die lange Bank geschoben werden. Dazu gibt es eine Reihe von Vorschlägen auch von unserer Seite, und wir brauchen dringend einen neuen Anlauf, damit wir dieses Problem nicht aus den Augen verlieren, auch wenn sich die Einnnahmensituation der Kommu

nen, wie gestern von Herrn Staatsminister Mittler verdeutlicht, verbessert hat. Dies darf aber nicht dazu führen, die Gemeindefinanzreform auf die lange Bank zu schieben.

In diesem Zusammenhang erwähne ich auch gern die Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Verfassung von Rheinland-Pfalz. Dies ist in der Tat eine strukturelle Verbesserung zugunsten der kommunalen Haushalte. So kann man es sehen, und so sehen wir es.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen weiteren Schwerpunkt unserer Politik eingehen, nämlich Bildung und Erziehung. Der Finanzminister hat es gestern zu Recht hervorgehoben: Rheinland-Pfalz liegt auf Platz 1 der westlichen Flächenländer, wenn es um Betreuungsmöglichkeiten für Kinder geht.

Durch das neue Kindertagesstättengesetz haben wir 2002 neue finanzielle Anreize für die Träger geschaffen, um rechtzeitig auf den demographischen Wandel zu reagieren und die Chance zu nutzen, Ganztagsangebote, Hort- und Krippenplätze zügig auszubauen.

Der Ausbau einer qualitativ guten und auf die unterschiedlichen Lebenssituationen der Familien zugeschnittenen Kindertagesbetreuung ist – das sehen wir auch so – ein vordringliches politisches Ziel. Deshalb begrüßt die FDP auch im Grundsatz das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG).

(Beifall der FDP und der SPD)

Wir halten jedoch die Finanzierung durch Hartz IV für keinen realistischen Weg der Umsetzung des TAG. Die von der Bundesregierung prognostizierte Entlastung der Kommunen von 1,5 Milliarden Euro steht auf tönernen Füßen. Wir begrüßen deshalb, dass diese Landesregierung mit einem entsprechenden Änderungsantrag im Bundesrat auf diese Tatsache hingewiesen hat.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, man sollte nach unserer Ansicht sehr offen über mögliche Finanzierungsalternativen nachdenken.

(Billen, CDU: Zum Beispiel?)

Zum Beispiel konkret einen Vorschlag, den ich an dieser Stelle mache: Ein schrittweises Abschmelzen der Eigenheimzulage zur Finanzierung der Kindertagesbetreuung hätte beispielsweise den Charme, dass man die demographische Entwicklung im zweifachen Sinne berücksichtigen würde:

(Hartloff, SPD: Kinderbett statt Eigenheim!)

im Hinblick auf die Wohnungsbau-, Stadt- und Dorfentwicklungspolitik und

im Hinblick auf die Förderung junger Familien.

Meine Damen und Herren, die strukturelle Unterrichtsversorgung in unserem Land ist gut. Vor allem im Be

reich der berufsbildenden Schulen werden besondere Anstrengungen unternommen. Noch bestehende Defizite haben ihre Ursache nicht in fehlenden Mitteln und Stellen, sondern im Mangel an Lehrkräften. Das weiß auch die Opposition.

Die Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz läuft gut. Es gibt entsprechende Umfragen oder Befragungen, die dieses unterstreichen: hohe Akzeptanz bei Schülern, Lehrern und Eltern. Wir haben inzwischen 235 Ganztagsschulen im Lande. Die Zahl wird noch über 300 gesteigert werden.

Meine Damen und Herren, wenn in diesem Zusammenhang Bundesbildungsministerin Bulmahn ausführt, dass alle wichtigen Anstöße zur Fortentwicklung des Bildungssystems in den vergangenen Jahren vom Bund gekommen seien, fehlen mir schlicht die Worte.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Die von ihr immer wieder genannte Ganztagsschule ist nicht an Berliner Schreibtischen entwickelt worden, sondern hat von Rheinland-Pfalz aus ihren Weg gemacht.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Auch die Hochbegabtenschulen in Kaiserslautern und Mainz, zukünftig auch in Trier und Koblenz, haben Vorbildcharakter für ganz Deutschland.

(Beifall der FDP und der SPD)

In Trier wird im nächsten Schuljahr eine weitere Hochbegabtenschule umgesetzt, und 2006 wird Koblenz folgen.

Wir brauchen in Rheinland-Pfalz keine Ratschläge, wenn es um größere Eigenständigkeit von Schulen geht. Darin haben wir längst gehandelt.

Meine Damen und Herren, ich ärgere mich wirklich, aber in der Politik sollte man sich nicht jeden Tag erkennbar ärgern. Aber manchmal kann ich es auch nicht zurückhalten. Zentralistische Vorstellungen kommen leider nicht nur von der Bundesbildungsministerin, sondern ähnliche Stimmen sind in Berlin über die Parteigrenzen hinweg weit verbreitet. Ich sage in diesem Zusammenhang sehr deutlich: Die FDP-Fraktion im rheinlandpfälzischen Landtag will keine von Berlin aus auf den Weg gebrachte Einheitsschule für alle Schüler in Deutschland. Das wollen wir nicht. Wir wollen den föderalen Wettbewerb, und Rheinland-Pfalz wird diesen Wettbewerb auch in Zukunft erfolgreich bestehen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen schlägt mit dem Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz einen Weg ein, der – ich sage es einmal vorsichtig – zu Recht kritisch hinterfragt wird. Dieser Vorstoß sollte jedoch nach unserer Einschätzung genutzt werden, da ähnliche Überlegungen schon auf dem Weg sind, um die avisierten Schranken und effizientere Strukturen aufzubauen. Vielleicht ist dies auch der Weg, um zu einem Kompro

miss zu kommen. Ich sage voraus, es wird einen Kompromiss geben.

Dazu gehört auch die nach unserer Einschätzung notwendige Abschaffung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung mit ihrem bürokratischen Apparat. Die meisten ihrer Aufgaben sind überflüssig, andere könnten bei dieser Gelegenheit in eine reformierte Kultusministerkonferenz integriert werden.

Wir sollten die KMK auch nicht schlechter reden als sie ist. Nachdem sich viele Jahrzehnte in diesem Gremium möglicherweise zu wenig bewegt hat, verspüren wir zurzeit durchaus einen Aufbruch.

So bezeichnete der deutsche PISA-Forscher Jürgen Baumert, von dem ich im Übrigen sehr viel halte, kürzlich die neuen bundesweiten Bildungsstandards als eine Meisterleistung. Die Opposition wird gestatten, dass ich auch an dieser Stelle darauf hinweise, dass an der Entwicklung dieser Standards das Land Rheinland-Pfalz – wir können es Ihnen nicht ersparen – und auch die FDP-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, was ich auch gern sage, nicht unmaßgeblich beteiligt waren.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Wir danken auch der Ministerin für ihre sehr gute Arbeit.

Angemahnt hat Baumert eine Reform der Lehrerbildung mit einem stärkeren Praxisbezug. Auch auf diesem Gebiet darf sich Rheinland-Pfalz als Vorreiter sehen. In Zukunft wird vom ersten Semester an der Bezug zum Schulalltag gewährleistet, ohne dass es zu Abstrichen bei der fachwissenschaftlichen Ausbildung kommt.