Und heute? Nach den glaubhaften Angaben von staatlichen und Nichtregierungsorganisationen, die weltweit Folter bekämpfen, wird in mehr als der Hälfte der 192 Staaten nach wie vor gefoltert. Das ist eine beschämende Vorstellung, die einen schon an der Fortentwicklung des Homo sapiens zweifeln lässt.
Gerade die Berichte über Misshandlungen und Folterungen im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib durch amerikanische Militärangehörige zeigen deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist, Folter weltweit zu ächten.
Diesem Ziel dient das neue Zusatzprotokoll zur UN-AntiFolter-Konvention. Bisher haben 21 Staaten dieses Protokoll unterzeichnet, darunter aus Europa die skandinavischen Staaten, Großbritannien, Österreich, Italien, Albanien, Malta, Kroatien, Rumänien und SerbienMontenegro.
Es tritt aber erst in Kraft, sobald es von 20 Vertragsstaaten ratifiziert wurde. Bisher haben mit Albanien, Malta und Großbritannien erst drei Staaten die Ratifizierung vorgenommen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bisher sehr stark und in vorderster Front für dieses Zusatzprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, erniedrigende und unmenschliche Behandlung oder Strafe eingesetzt und es im Dezember 2002 unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.
Das ausgesprochen starke Engagement Deutschlands ist daher geradezu Verpflichtung, die Ratifizierung voranzutreiben.
Ansonsten würde das bisherige Verhalten Deutschlands in dieser Frage als bloßes Lippenbekenntnis gewertet.
Da die Zuständigkeit für die angesprochenen Einrichtungen Strafvollzug, Polizeigewahrsam, psychiatrische Einrichtungen, Pflege- und Altenheime sowie Einrichtungen zur geschlossenen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen zum großen Teil bei den Ländern liegt, sind diese auch vorrangig gefragt, was die Ausgestaltung des Präventivmechanismus anbelangt.
Deshalb ist es begrüßenswert, dass alle vier im Landtag von Rheinland-Pfalz vertretenen Fraktionen den vorliegenden Antrag mittragen, dies besonders vor dem Hintergrund, dass vor noch nicht allzu langer Zeit – es ist
gerade einmal vier Monate her – der Vorsitzende der größeren Oppositionsfraktion, Dr. Christoph Böhr, Verständnis für das Vorgehen des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner geäußert hat, der im Fall des entführten Jakob von Metzler dem Angeklagten mit Gewalt gedroht hatte, um den Aufenthaltsort des Kindes zu erfahren.
Es habe sich, so wird Dr. Böhr in der „Mainzer Rheinzeitung“ vom 1. März 2004 zitiert, um einen übergesetzlichen Notstand gehandelt. Zwar hat er gleichzeitig betont, das Folterverbot dürfe jedoch nicht infrage gestellt werden, aber das ändert meiner Ansicht nach nichts an dem zuvor geäußerten Verständnis für die Folterandrohung von Herrn Daschner.
Meine Fraktionskollegin Beate Reich hat damals in einer Presseerklärung dankenswerterweise diese Äußerung von Herrn Dr. Böhr und dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller gerügt, der sich ähnlich geäußert hatte. Diese rechtsstaatlich höchst bedenkliche Position wurde in der vorletzten Sitzung des Rechtsausschusses von Ihnen bekräftigt, was zu Recht Bestürzung bei den meisten Kollegen ausgelöst hat, Frau KohnleGros.
Besonders abscheuliche Verbrechen, wie Terrorismus oder Entführung und Verbrechen an Kindern oder Sexualdelikte, sind verdammenswert und müssen zweifelsfrei mit aller Härte des Gesetzes verfolgt und geahndet werden, aber niemals dürfen dabei die verfassungsmäßigen Grundlagen verlassen werden.
Wir wissen alle, dass der Standard freiheitsentziehender Einrichtungen in unserem Land sehr hoch ist. Aus diesem Grund denken auch manche, Besuche eines noch zu bildenden Ausschusses seien überflüssig. Diesen Kritikern muss man klar entgegenhalten, dass es hierbei nicht vordergründig um die Installierung eines zusätzlichen Kontrollgremiums geht, sondern vielmehr um eine Einrichtung nationaler Präventionsmechanismen.
Für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls durch die Bundesrepublik Deutschland sprechen eine Vielzahl von Gründen, sowohl was die internationale Wirkung angeht als auch für die Botschaft an die Menschen in unserem Land. Folter in jeglicher Form darf niemals als Instrument der Wahrheitsfindung in bestimmten Fällen, um Schlimmeres zu verhindern, wie etliche Zeitgenossen rechtfertigend vorbringen, angewendet werden.
Ihre Abschaffung muss als Teil eines Prozesses verstanden werden, in dem sich die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft herausgebildet haben. Die SPDFraktion wird daher dem vorliegenden Antrag zustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mir in der Vorbereitung auf diesen Antrag schon gedacht, dass Sie nicht widerstehen können, bestimmte Dinge aufzurufen.
Herr Kollege Klöckner, ich muss Ihnen gleich zu Beginn vorwerfen, dass Sie im Grunde genommen zu dem Antrag nichts gesagt haben. Ich werde nachher zu dem einen oder anderen noch etwas sagen.
Es geht in diesem Antrag darum, ein Abkommen zu verabschieden. Ich habe auch das Papier gelesen, aus dem Sie unseren Antrag weitgehend abgeschrieben haben. Es geht um weltweite Prävention im Bereich öffentlichen Handelns. Es geht darum, in Institutionen unabhängige Gremien zu entsenden, die vorbeugen sollen, dass Folter nicht stattfindet.
Meine Damen und Herren, auch wir sind der Meinung, dass Folter vor allem in Rechtsstaaten, wie die Bundesrepublik Deutschland einer ist, von der Gesellschaft geächtet werden muss. Dies steht in unserem Grundgesetz, und es ergibt sich aus der Menschenwürde sowie auch aus dem Strafgesetzbuch, wenn es um die Verfolgung von Straftätern geht, meine Damen und Herren. Ein Geständnis unter körperlicher Androhung ist also nicht legitim. Darüber gibt es überhaupt keinen Streit.
Aber, meine Damen und Herren, so einfach ist das Leben eben nicht. Sie wissen ganz genau, dass der Fall Daschner sehr viel anders gelagert ist. Es geht nicht darum, dass er im Zusammenhang mit einer Straftat ein Geständnis erpressen wollte, sondern es ging ihm darum – das hat der Polizei-Vizepräsident auch dokumentiert –, Leben zu retten. Er wollte das Leben des entführten Jungen retten. Dieser Grenzbereich – – –
(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Genau darum geht es, um die Grenzbereiche, nicht um die einfachen Fälle!)
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass er ein gutes Beispiel ist, um in diesem Antrag genannt zu werden.
Meine Damen und Herren, wir haben diesen Antrag mit unterschrieben und mitgetragen, obwohl wir in der Fraktion inhaltlich große Bedenken hatten. Das sage ich ganz offen und möchte es auch noch einmal erläutern. Wir haben ihn mitgetragen, weil wir die Debatte „Wir sind gegen Folter, und ihr seid dafür“ in diesem Plenum vermeiden wollten. Aber Sie haben diese Vereinbarung soeben gebrochen, und deswegen wehre ich mich auch ganz entschieden dagegen, dass Sie uns das vorwerfen.
Sie haben am Anfang ein wenig Staatskunde betrieben und aus der „FAZ“ zitiert. Ich habe diese Artikel auch gelesen und aufgehoben. Meine Damen und Herren, aber Sie hätten dann auch andere nennen können, in denen ganz anders diskutiert worden ist und in denen auf diese Bereiche abgehoben wird.
Derzeit läuft ein Strafverfahren in der Frage „Daschner“, und das Gericht wird klären, ob die Aufforderung zur Nötigung in diesem Falle zu einem Schuldspruch bei Herrn Daschner führen wird. Es kommt nämlich auch noch einmal darauf an, wie seine Schuld zu beurteilen ist.
Ich will ganz deutlich sagen, das ist nicht der Hauptpunkt des Antrags und auch nicht der Hauptpunkt der Konvention, um die es geht, genauso wenig wie das Verhalten von Amerika. Auch in diesem Fall konnten Sie nicht widerstehen, dies noch einmal mit einzubringen. Auch dagegen verwahre ich mich, das muss ich Ihnen sagen.
Lassen Sie mich nun noch etwas zum Antrag sagen. Meine Damen und Herren, in diesem Antrag geht es um Prävention. Es geht darum, dass es auf der Welt durch staatliche Institutionen und die für sie handelnden Personen zu solchen Folterungen kommt. Es gab vor wenigen Tagen den Gedenktag für die Opfer von Folter weltweit. Der UN-Generalsekretär hat dies in der Öffentlichkeit gewürdigt und darauf hingewiesen, dass es 80 Staaten gibt, in denen dieses abzulehnende und zu ächtende Verhalten betrieben wird.
Herr Klöckner, Sie sind die Rechtfertigung schuldig geblieben, ob es in Deutschland durch staatliche Organisationen und durch handelnde Personen – sprich Beamte, durch die Heimaufsicht in anderen Einrichtungen – solche Vorgänge gibt, bei denen Menschen, die unfreiwillig in solchen Einrichtungen untergebracht sind, tatsächlich solchen Quälereien ausgesetzt sind und ob der Staat dies anordnet oder duldet. Das ist der Punkt bei der UN-Konvention, um die es uns geht.
Sie haben dies überhaupt nicht diskutiert. Sagen Sie uns doch einmal, wo es solche Vorgänge oder solche Vorfälle gibt und was eine Kommission, die durchs Land geht, rechtfertigt.
Ich möchte darauf hinweisen, wir haben, einmal abgesehen von der Polizei, in allen Einrichtungen in Deutschland, die Sie vorhin genannt haben – im Strafvollzug, in der Heimsituation –, staatliche, halbstaatliche oder vom Staat initiierte Einrichtungen, Beiräte oder
Kommissionen – wie auch immer Sie dies nennen wollen –, die unabhängig in die Einrichtungen hineingehen. Dabei möchte ich auch den Petitionsausschuss des Landtags nicht außer Acht lassen. Diese Gremien schreiten dann ein, wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlt – das ist noch lange keine Folter, um dies klarzustellen –, und vertreten die Rechte jedes Einzelnen gegenüber der Institution, in der er untergebracht ist. Ich denke also – dies ist auch die Position der Länderparlamente und der Landesregierungen der B-Länder –, wir haben in Deutschland eigentlich diesen Bedarf nicht. Dies muss auf Bundesebene verhandelt werden; denn die Bundesregierung kann das nicht allein unterschreiben, weil die betroffenen staatlichen Institutionen – sei es die Polizei, der Strafvollzug oder die Heimaufsicht – Ländersache sind. Deswegen gibt es diese Bedenken. Über die Kosten möchte ich in dieser Frage gar nicht sprechen. Aber es soll eine Organisation aufgebaut werden, die noch unabhängiger als unsere plural besetzten Gremien oder die Parlamente, die diese Gremien schaffen, solche Fälle untersucht.
Ich muss Ihnen sagen, die CDU tut sich damit vielleicht ein bisschen schwer. Für uns sind staatliche Institutionen oder diejenigen, die dort als Beamte oder Angestellte tätig sind, zunächst einmal unverdächtig. Sie erfüllen ihre Pflicht im rechtsstaatlichen Sinn. Deswegen haben wir per se nicht die Bedenken, dass vieles falsch läuft. Darüber, dass man präventiv etwas infrage stellen kann und entsprechende Vorkommnisse strafrechtlich geahndet werden müssen, gibt es überhaupt keinen Zweifel. Das braucht man gar nicht zu betonen.
Unser Ansatz ist zu sagen: Wo, bitte schön, ist der Verdacht, und wo ist der konkrete Hinweis, dass es in Deutschland Anlass gibt, dies umzusetzen?
Ihr im Antrag enthaltenes Argument, dass wir als Vorbild agieren sollten, damit andere Länder, in denen dies notwendig ist, animiert werden sollen, dieses Zusatzabkommen auch zu unterschreiben, kann man noch einigermaßen nachvollziehen, aber es würde auch bedeuten, dass wir uns selbst mit in diese Sache hineinbegeben.
Ich möchte es noch einmal zusammenfassen: Es geht in diesem Antrag um Prävention. Es geht darum, den Innenminister auf der Innenministerkonferenz in Verhandlungen mit Bundesinnenminister Otto Schily, der offensichtlich auch nicht begeistert ist, zu stärken. Ich weiß nicht, ob dies gerade unsere Aufgabe ist, aber wir haben mitgemacht. Wenn er verhandeln will und sich vielleicht noch ein bisschen Patina holen will, kann er dies vorantreiben. Dies steht auch im ersten Spiegelstrich der Begründung. Dort steht auch der Passus über den Besuchsmechanismus. Wer es nicht glaubt, soll doch bitte einfach das Papier vom Deutschen Institut für Menschenrechte vom Februar dieses Jahres, das neue Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention, nachlesen. Dort ist ganz genau aufgeführt, wie das alles funktionieren kann und wie dies offensichtlich für diese Institution in Deutschland nicht gut genug funktioniert.
Wir haben den Ansatz vom Grundsatz her mitbegrüßt, weil wir deutlich machen wollten, dass auch wir Folter auf der Welt ächten oder geächtet sehen wollen. In
Deutschland sehen wir dies aus einem etwas anderen Blickwinkel, das muss ich ganz ehrlich sagen, weil wir nicht diese Gefahr sehen. Sie sind uns den Beweis schuldig geblieben, dass es in Deutschland einen Anlass dafür gibt, solche unabhängigen zusätzlichen Institutionen einzuführen.