Protocol of the Session on April 29, 2004

(Dr. Schiffmann, SPD: Die sind auch weniger geworden!)

Nun kommt das Entscheidende: Herr Kollege Dr. Braun, Ihr Pflegepersonal werden Sie zukünftig nur finanzieren können, wenn Sie im industriellen Bereich Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Es muss irgendjemand da sein, der produziert.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das werden Sie nie kapieren, dass das nicht geht! Das spricht doch gegen die Globalisierung, Herr Creutzmann!)

Herr Dr. Braun, nun geht es um Innovation. Wir dürfen dort, wo wir innovativ sind – beispielsweise in der Gentechnologie –, nicht jeden Tag Knüppel hineinwerfen.

Ja, Sie grinsen. In diesem Bereich ist Deutschland noch führend. Wir sind im Bereich der Chemie, im Automobilbau oder in der Forschung noch führend. Es macht doch keinen Sinn, Forschungsplätze zu fördern und zu schaffen, um dann die Anwendung zu blockieren.

Herr Ministerpräsident, Sie haben von Solidarität gesprochen. Das ist in Ordnung. Aber wir müssen die Starken stärken, damit wir den Schwachen helfen können. Dafür ist das Rhein-Neckar-Dreieck in Zukunft von eminenter Bedeutung für die Region. Dadurch, dass wir Mobilität schaffen, haben wir auch die Chance, Arbeitsplätze zu erhalten, wenn wir gut im Wettbewerb sind.

Natürlich brauchen wir Steuereinnahmen, um unsere Sozial- und Bildungsstrukturen aufrecht zu erhalten. Darin gibt es keinen Dissens. Aber Herr Staatssekretär Sarrazin hat einmal eine Berechnung durchgeführt, wonach bei einem Flat-Tax-Satz von 25 % und bei Abschaffung aller Sondertatbestände das gleiche Steueraufkommen wie jetzt erzielt würde. Dazu kommt die Frage der Gerechtigkeit. Sie haben mich inhaltlich auf Ihrer Seite. Ich habe mit Herrn Kollegen Mertes darüber geredet.

(Glocke der Präsidentin)

Wir müssen darum kämpfen, mehr Steuereinnahmen zu bekommen, um unsere Infrastruktur aufrecht erhalten zu können.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Hartloff das Wort.

Frau Vizepräsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei oder drei kurze Anmerkungen aus meiner Sicht machen. Ich denke, die Debatte hat sich sehr spannend entwickelt. Wir haben über die Veränderung in unserer Gesellschaft und in unserem Land gesprochen. Dies ist eine Veränderung, die zum Teil von außen kommt, aber in die wir vonseiten der Politik auch in gewisser Weise gestaltbar eingreifen können.

Meine Bitte ist daher, in dieser Debatte zu vermeiden, die Klischees, die jeder vor sich herträgt, wieder auszutauschen. Das wird uns in der Debatte nicht sehr viel weiterhelfen. Ich will die Klischees jetzt nicht benennen; jeder kennt seine eigenen Hobbies. Wir müssen die Debatte sicherlich an anderer Stelle fortführen und Impulse setzen. Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie es uns gelingt, die Zukunft zu gestalten. Wir müssen die Akzente setzen, gesellschaftliche Veränderungen zu bekommen.

Ich komme noch einmal auf die Steuerdebatte zu sprechen. Sicherlich ist die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit in Deutschland zu hoch. Wir müssen im internationalen Vergleich zu Umverteilungen kommen, um dort konkurrenzfähig zu bleiben. Aber dies ist zugegebenermaßen im Moment nur ein kurzer Impuls.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Wir sind damit am Ende der Aussprache zu dieser Aktuellen Stunde und treten nun in eine Mittagspause bis 13:30 Uhr ein.

U n t e r b r e c h u n g d e r S i t z u n g: 12:30 Uhr

W i e d e r b e g i n n d e r S i t z u n g: 13:33 Uhr

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:

...tes Landesgesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften – Bürgerbeteiligung stärken – Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3080 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Grützmacher das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der letzten Aktuellen Stunde haben wir gerade diskutiert, dass es einige Bereiche geben mag, in denen RheinlandPfalz im bundesweiten Ranking mittelmäßig oder sogar gut abschneidet.

(Ministerpräsident Beck: Och! Aber es darf nichts Gutes geben! Das darf es nicht!)

Gut. Ich habe gesagt, wo Rheinland-Pfalz mittelmäßig oder gut abschneidet. Sie müssen auch zuhören, Herr Ministerpräsident.

Meine Damen und Herren, das gilt aber auf keinen Fall für den Bereich Bürgerbeteiligung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Wer hat das festgestellt?)

Hier landet Rheinland-Pfalz zusammen mit Thüringen auf dem zweitletzten Platz der Skala. Nur Berlin ist noch schlechter, sie haben noch gar keinen Bürgerentscheid. Dort tut sich im Moment aber auch einiges.

Meine Damen und Herren, wie kann es sein,

(Pörksen, SPD: Weil die Leute zufrieden sind! Das kann damit zusammenhängen! – Schweitzer, SPD: Bei euch gibt es keine Zufriedenheit!)

dass in einem Land, in dem in Sonntagsreden das bürgerschaftliche Engagement immer so hoch gelobt wird, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung so schlecht ausgebildet sind? Sie wissen selbst die Antwort, ich kann sie aber auch selbst schnell geben. Die Quoren für Bürgerbegehren, vor allem aber für den Bürgerentscheid sind viel zu hoch.

(Pörksen, SPD: Viel zu hoch!)

Um das Bürgerbegehren einzuleiten, ist in RheinlandPfalz immer noch die Beteiligung von mindestens 15 % der Wahlberechtigten notwendig. Das ist schon eine sehr hohe Hürde. Noch unüberwindlicher ist die Hürde beim Bürgerentscheid. Dort ist ein Zustimmungsquorum von 30 % aller Wahlberechtigten vorgeschrieben.

(Creutzmann, FDP: Na und!)

Herr Creutzmann, wie ungerechtfertigt und undemokratisch dieses hohe Quorum ist, hat der jüngste Bürgerentscheid in Kaiserslautern zu Beginn des Jahres noch einmal sehr deutlich gemacht. Obwohl über 36 % aller Wahlberechtigten an dem Bürgerentscheid gegen den Bau der Pfalzarena teilgenommen haben und obwohl von diesen 26.978 Bürgerinnen und Bürger 80 % gegen den Bau, also für den Bürgerentscheid gestimmt haben, war der Bürgerentscheid dennoch erfolglos.

Wie undemokratisch die Ausgestaltung des Bürgerentscheids in unserem Land ist, kann man im direkten Vergleich sehen. Das bietet sich wirklich an.

(Pörksen, SPD: Wie in der Schweiz!)

Gegen die Pfalzarena haben 21.297 Menschen gestimmt. Meine Damen und Herren, das Interessante daran ist, das sind wesentlich mehr Stimmen, als Herr Deubig, der dieses Projekt gegen alle Widerstände vor Ort durchdrücken möchte, bei seiner Wahl als Oberbürgermeister bekommen hat. Er wurde mit nur 17.202 Stimmen gewählt, also viel weniger Stimmen, als Menschen gegen den Bau der Pfalzarena gestimmt haben.

(Dr. Altherr, CDU: Wie viel Stimmen haben denn Sie bei Ihrer Wahl bekommen?)

Meine Damen und Herren, dass die Menschen in Kaiserslautern das als ungerecht empfinden, brauche ich nicht zu betonen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch anderswo in Rheinland-Pfalz haben engagierte Menschen diese frustrierenden Erfahrungen machen müssen, zum Beispiel in Worms, wo sich 27 % der Bürgerinnen und Bürger am Bürgerentscheid gegen den Hotelbau in der Nähe des Doms beteiligt haben. Fast 95 % davon haben den Bau abgelehnt. Es war aber erfolglos, weil es nicht 30 % aller Wahlberechtigten waren, die daran teilgenommen haben. Zu nennen sind auch Lahnstein, Neuwied oder Hermeskeil, überall das Gleiche. Es gibt eine große Beteiligung und eine große Ablehnung, es ist aber erfolglos, weil die Quoren für die Bürgerentscheide einfach zu hoch sind.

Meine Damen und Herren, damit erweist sich die rheinland-pfälzische Regelung zu mehr direkter Bürgerbeteiligung mehr als abschreckendes Instrument für engagierte Bürgerinnen und Bürger. Den Bürgerinnen und Bürgern wird in Rheinland-Pfalz von Beginn an vermittelt, dass die Quoren zu hoch sind, dass es sich gar nicht lohnt, überhaupt ein Bürgerbegehren oder einen Bürgerentscheid einzuleiten. Die Bürgerinnen und Bürger werden in ihrem Engagement ausgebremst. Das ist die eindeutige Botschaft der hohen Quoren. Das zeigt auch der Vergleich mit anderen Bundesländern.

Während es seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes im Juni 1994 bisher in Rheinland-Pfalz 93 Bürgerbegehren und 39 Bürgerentscheide gab, kann Bayern im gleichen Zeitraum von November 1995 bis Dezember 2002

(Staatsminister Zuber: Das ist aber ein tolles Beispiel! Dazu sage ich gleich etwas!)

1.100 Bürgerbegehren und 650 Bürgerentscheide vorweisen, also rund zehn Mal so viel wie bei uns. Herr Zuber, Sie werden doch nicht sagen, dass Bayern zehn Mal mehr Bevölkerung hat.

(Ministerpräsident Beck: Das ist ein Qualitätsausdruck für Politik!)

Das ist ein Qualitätsausdruck für eine gut ausgestaltete Bürgerbeteiligung. Das ist es.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, wir haben auch das Zutrauen zu den Bürgerinnen und Bürgern, dass die Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger selbst dann, wenn sie manchmal so ausfallen, wie wir es nicht wollen, klug sind. (Staatsminister Zuber: Dann können wir ja die Kommunalwahl abschaffen! – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Kommunalwahl abschaffen! Also bitte!)