Protocol of the Session on March 19, 2004

Es muss darüber hinaus noch etwas ganz Grundsätzliches stattfinden, was man nicht über ein Gesetz verordnen kann, was wir aber noch einmal in den Blick nehmen sollten. Ich habe kürzlich eine interessante Diskussion in Frankfurt auch über die Frage von Frauengleichstellung verfolgt. Da hat der Chefredakteur der „Financial Times Deutschland“ gesagt, er macht die Erfahrung in seiner Redaktion, dass Frauen ganz bestimmte Führungspositionen gar nicht haben wollen, übrigens Männer mittlerweile auch. Das hat etwas damit zu tun, wie wir Führungspositionen gestalten. Ich weiß, es gibt dieses Modellprojekt und die Versuche „Führen in Teilzeit“, aber wir müssen umdenken darin, was wir von Personen in Führungspositionen erwarten, mit welcher Ausschließlichkeit wir ihr Engagement erwarten und welchen Ausschluss auch an sonstigen Lebensqualitäten und Lebensverpflichtungen wir erwarten.

Wenn wir in diesem Bereich der Führungs- und Arbeitskultur nicht zu Veränderungen kommen, halten wir nicht nur Hürden für Frauen weiter auf, sondern wir verhindern eigentlich auch, dass sich Männer für andere, für positive und für sozial erfreulichere Lebensfelder öffnen können.

(Beifall der Abg. Frau Klamm, SPD)

Ich glaube, dass wir da noch an vieles herangehen müssen. Das wird man nicht nur mit Verordnungen machen, aber ich hoffe, dass die Frauen und die Männer, die ihr Leben breiter anlegen als arbeiten, erwerbstätig sein, führen und Macht zu haben, an diesem Prozess mitarbeiten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen, wenn wir über Gleichstellung reden – das ist immer ganz eng verknüpft mit Vereinbarkeit von Familie und Beruf –, auch den Blick noch einmal aufweiten, das heißt nicht nur, dass Erwerbstätigkeit mit Erziehen von Kindern unter einen Hut gebracht werden muss für Männer und Frauen, sondern das heißt auch, dass man Berufstätigkeit, Erwerbstätigkeit und zum Beispiel Pflegen der eigenen Angehörigen oder älterer Menschen vereinbaren können muss.

Das werden Aufgaben sein, die noch einmal stärker in den Blickpunkt kommen, aber auch Erwerbstätigkeit und bürgerschaftliches Engagement. Ich erinnere an die Diskussion, die wir am Mittwoch im Plenum hatten. Wenn wir diesen Blick nicht weiten und auf der Vereinbarkeit von Familie im Sinn von Erziehen von Kindern und Beruf stehen bleiben, dann sparen wir wichtige Bereiche aus.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss.

Der öffentliche Bereich muss Vorbild sein. Er muss Vorbild sein, wenn wir zu Veränderungen in der Wirtschaft kommen wollen. Wir werden an anderer Stelle noch zu diskutieren haben, wie wir Frauenförderung in der Verpflichtung und Gleichstellung und in der Verpflichtung im politischen Auftrag noch stärker in den privatwirtschaftlichen Bereich hineintragen müssen.

Zur weiteren Behandlung dieses Berichts, der vielfältigen Anregungen, die der Bericht gibt, und der Konsequenzen, die man daraus zieht, möchte ich ein anderes Verfahren als das Verfahren in der Vergangenheit vorschlagen, nämlich dass die Fachausschüsse sich mit ihren Ressorts und deren Gleichstellungsbemühungen noch einmal auseinander setzen. Ich fände dies sehr viel passender, als wenn der Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung alle Ministerien vorlädt. Dies gebe ich als Anregung. Wir werden das entsprechend auch noch einmal in die Wege leiten.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann an dem Letzten, was Frau Thomas gesagt hat, nahtlos anschließen und will damit beginnen. Für mich ist ganz klar, dass die öffentliche Verwaltung in diesem Bereich eine besondere Vorbildfunktion und auch eine Vorreiter- oder Vorreiterinnenfunktion haben muss. Deswegen ist das Landesgleichstellungsgesetz ein ganz wichtiger Bestandteil Frauen fördernder Maßnahmen. Aus meiner Sicht kann man, wenn man sich die beiden Berichte ansieht, die inzwischen vorliegen, sehr wohl nachweisen, dass es zu deutlichen Erfolgen in der öffentlichen Verwaltung geführt hat.

Bei den verschiedenen Akzenten, die in der Debatte gesetzt worden sind, ist deutlich geworden, dass es in dieser Frage im Parlament, allemal unter den Frauen,

die sich intensiv damit befassen, eine große Übereinstimmung gibt.

(Staatsminister Zuber: Nicht nur bei den Frauen!)

Ich denke, dass das in der Vergangenheit eine Stärke für Frauenpolitik und Frauen fördernde Maßnahmen in Rheinland-Pfalz war und in Zukunft sein sollte.

Frauenpolitik war zu keiner Zeit eine einfache Aufgabe. Es nehmen immer veränderte Rahmenbedingungen auch Einfluss auf die Frauenpolitik. Gerade wenn es um das Landesgleichstellungsgesetz geht, spielt eine Rolle, dass in Zeiten des Sparens an die Frauenpolitik besondere Anforderungen gestellt werden. Aber der LGGBericht macht auch deutlich, dass es trotz Personalreduzierungen möglich ist, tatsächlich zu einer besseren Beteiligung von Frauen zu kommen.

Ich will die Zahlen nicht wiederholen. Ich will nur noch einmal in Erinnerung rufen, die Zahl der weiblichen Beschäftigten liegt praktisch bei der Hälfte. Im Bereich des gehobenen und mittleren Dienstes haben wir keine Unterrepräsentanz. Im Bereich des höheren Dienstes haben wir einen deutlichen Anstieg zu verzeichnen, wenngleich nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Ich denke, das muss mit dem Bereich, der angesprochen worden ist, einhergehen: Wie können wir es vor allen Dingen besser organisieren, dass mehr Frauen in die Führungsverantwortung auf der Ebene Abteilungsleitung, Diens tstellenleitung kommen? – Hier sind wir auch bereit, neue Wege zu gehen. Das Projekt „Führen in Teilzeit“ ist ein solcher Ansatz. Das Projekt „MiLan“ des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit ist ein solcher Ansatz.

Ich stimme der Analyse zu, dass es dann auch immer darum gehen muss, wie man Führungsverantwortung so organisieren kann, dass sie für Frauen, aber auch für Männer, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren, tatsächlich lebbar ist, das heißt, es kann nicht einfach so sein zu sagen, wir haben ein bestimmtes Verständnis von Führungsfunktionen, das wird jetzt genommen, geteilt und es wird überhaupt nicht darüber nachgedacht, ob es auch neue Organisationsformen gibt. Das ist im Kern der Ansatz bei den Modellen, die ich beschrieben habe.

Als Bildungsministerin freue ich mich, dass wir im Schulbereich – ich rede jetzt von den Führungsfunktionen – deutliche Fortschritte gemacht haben. Der Anteil der Schulleiterinnen an Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Dies macht schon deutlich, dass man mit kons equenter Vorgabe etwas erreichen kann.

Frau Huth-Haage, Sie haben die andere Seite des schulischen Bereichs angesprochen, indem Sie gesagt haben, man müsste auch darüber diskutieren, warum wir in bestimmten Schularten so wenig Lehrer haben. Ich meine, das ist eine sehr ernst zu nehmende Diskussion. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, da haben wir mehr Frauen, da haben wir mehr Männer, und da können wir dieselben Antworten geben.

Ich will das deutlich machen. Ich bin schon der Meinung – das ist in diesem Bericht auch richtig –, Frauenpolitik ist ein Stück weit parteiisch, nämlich parteiisch für Frauen. Das soll sie auch bleiben. Deswegen ist es richtig, dass dieser Bericht dies auch deutlich macht.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass man bei der Problemanalyse differenzieren muss. Sie kennen die Debatte. Da ist einmal auf die Schnelle gefordert worden, in der Grundschule eine Quote einzuführen.

Jenseits dessen, dass dies überhaupt nicht praktikabel ist, liegt dem schon eine völlig falsche Analyse zugrunde. Wir haben uns doch dort für Quoten eingesetzt, wo es in bestimmten Bereichen nachweisbare Zugangsbarrieren für Frauen gab.

Es gibt nachweisbar in den Grundschulbereichen und auch in der Kita keine Zugangsbarrieren für Männer, sondern wir haben ein ganz anderes Problem. Wir haben viel zu wenig Interessenten für diesen Bereich. Deswegen ist es ein ernst zu nehmendes Problem. Aber die Antwort der Instrumentarien muss eine sein, die differenziert. Deswegen muss an dieser Stelle über die Instrumente diskutiert werden. In der Zielstellung sind wir uns völlig einig. Wir brauchen differenzierte Instrumente, und diese differenzieren sich sehr wohl auch nach den Geschlechtern.

An der Stelle ist auch ein Aspekt angesprochen worden. Daran will ich dies noch einmal ein bisschen deutlich machen.

Es gab eine Diskussion, ob der „Girls Day“ „Girls Day“ bleiben soll. Es gab auch Länder, die einen „Girls und Boys Day“ oder Ähnliches vorgeschlagen haben. Ich habe gesagt, es soll ein „Girls Day“ bleiben. Dieser hat einen bestimmten Auftrag. Er soll deutlich machen, dass es ein Tag ist, an dem Frauen in nach wie vor mädchenund frauenuntypische Bereiche gehen. Ich habe genauso deutlich dafür geworben, dass es andere Angebote gibt, zum Beispiel den Tag an den Altenpflegeschulen, wo wir gezielt auch Jungen aus der Schule ansprechen und für pflegerische Berufe werben, um pflegerische und erzieherische Verantwortung für Männer in dieser Gesellschaft deutlicher zu machen.

Ein wichtiger Bereich im LGG-Bericht ist der der Gleichstellungsbeauftragten. Es wird eine Reihe von Problemen sehr ernsthaft angesprochen.

Frau Huth-Haage, als das geringste Problem halte ich, dass dort Frauen gewechselt haben;

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kommen alle ins Parlament!)

denn wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, hat eine Vielzahl von Frauen schon sehr lang diese Funktion. Ich finde es vernünftig, dass dann auch einmal andere Frauen solche Funktionen mit übernehmen.

Ich denke, der Hauptpunkt ist, dass der Bericht sehr deutlich zeigt, die Gleichstellungsbeauftragten haben

ihre Funktion gut ausgefüllt, und viele von ihnen sind bereit, trotz aller Widrigkeiten, noch länger an dieser Frage mitzuarbeiten. Dafür möchte ich mich bedanken.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich habe schon gesagt, der Bericht spricht auch Problembereiche an. Es ist aus meiner Sicht übrigens eine ganz wesentliche Funktion des Berichts, Problembereiche offen zu legen, damit man an diesen weiterarbeiten kann.

Ein großer Problembereich ist sicher, dass wir nach wie vor zu wenig Frauen in Führungsfunktionen haben. Dazu habe ich schon etwas gesagt. Ein weiterer Problembereich ist die Beteiligung von Frauen in Gremien des Landes. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass wir vor allen Dingen den Bewusstseinsbildungsprozess bei den entsendenden Institutionen vorantreiben müssen. Wir können das auf Landesebene nur unterstützen, zum Beispiel durch eine Expertinnendatei.

Was passiert nun aus Sicht des Ministeriums mit dem Bericht? Zum Ersten werden wir eine Workshop-Reihe auf den Weg bringen, die einzelne Schwerpunktbereiche des zweiten Landesgleichstellungsberichts aufgreifen und intensiv diskutieren soll. Zum Zweiten werden wir einen besonderen Schwerpunkt nach wie vor bei der Weiterbildung der Gleichstellungsbeauftragten setzen, auch in der Zertifizierung und Vernetzung der Weiterbildung. Zum Dritten werden wir das, was mehrfach angesprochen worden ist, aufgreifen und den Frauenförderplan noch stärker in einen Zusammenhang mit Personalentwicklungskonzepten stellen, dies vor allen Dingen im Hinblick auf die Personalverantwortlichen. Darüber hinaus werden wir an dem Thema „Frauen in Gremien“ insoweit weiterarbeiten, als dass wir uns mit der Expertinnendatei beschäftigen und eine bessere Analyse von besonderen Problemen im Bereich der Gremienarbeit wollen.

Dies zusammengenommen muss aus meiner Sicht eingebunden werden in die Doppelstrategie „Frauenförderung und Gender Mainstreaming“, zwar durchaus mit unterschiedlichen Akzenten und Herangehensweisen,

aber am Ende in den Ergebnissen muss es sich treffen, um tatsächlich Fortschritte erzielen zu können.

(Beifall bei SPD und FDP)

Im nächsten Jahr wird das Landesgleichstellungsgesetz zehn Jahre alt. Ich meine, wir haben wesentliche Fortschritte erzielt. Ich meine aber auch, dass es noch nicht zum Selbstläufer geworden ist. Darum werden wir uns kümmern müssen.

Folgende Anmerkungen richte ich insbesondere an die männlichen Mitglieder dieses hohen Hauses. Einer meiner Lieblingssprüche in diesem Zusammenhang ist ein Zitat des römischen Staatsmannes Cato, der als große Furcht formulierte: „Sobald die Weiber uns gleichgestellt sind, sind sie uns überlegen.“

Ich meine, diese Sorge sollte in diesem Haus niemand haben. Deswegen sollten wir gemeinsam daran arbeiten, dass wir in diesem Bereich einen guten Schritt weiterkommen. Dafür brauchen wir engagierte Frauen auf vielen Ebenen. (Geis, SPD: Und Männer!)

Wir brauchen aber auch die Bereitschaft der Männer, an dieser Frage mitzuwirken. Ich hoffe, dass uns das in den nächsten Jahren gelingen wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die SPD-Fraktion hat beantragt, die Besprechung des Berichts der Landesregierung im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung fortzusetzen. Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir sind damit am Ende der heutigen Debatte angelangt. Ich wünsche allen einen guten Heimweg.