Protocol of the Session on August 22, 2001

Ich erteile der Kollegin Frau Brede-Hoffmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur ganz wenige Worte sagen. Herr Kollege Wiechmann, es mag sein – Sie waren in der letzten Legislaturperiode nicht im Landtag –, dass man Sie einfach schlecht informiert hat. Der zuständige Ausschuss hatte vereinbart, die beiden Anträge zurückzuziehen und dann wieder, so wie sie waren, einzubringen.

(Widerspruch bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anhörung, die vereinbart war, sollte dann in der neuen Legislaturperiode durchgeführt werden. Es ist ein rein formales Verfahren gewesen, auf das wir uns verständigt hatten. Man hätte es Ihnen fairerweise in Ihrer Fraktion sagen müssen. Dann hätten Sie jetzt nicht in diesem Fettnäpfchen herumtrampeln müssen.

Die Frage, welche Freiheiten man Hochschulen lässt, indem man ihnen Vorschriften macht, dass sie nicht mehr atmen können, haben wir in unserem Antrag deutlich beantwortet. Unsere Hochschulen machen das, wofür sie als autonome Hochschulen das Recht haben und womit sie beauftragt sind. Sie entwickeln nämlich Studien- und Ausbildungspläne.

(Beifall bei SPD und FDP)

Bei Ihnen wird es einmal wieder vergleichbar mit Ihrem Schulgesetz. Es wird der Wunsch geäußert, bis zum letzten Punkt vorzuschreiben. Wir vertrauen den Hochschulen und ihren Fähigkeiten, was sie immer wieder beweisen. Unser Antrag gibt Ziele vor.

(Beifall bei SPD und FDP – Glocke der Präsidentin)

Wir brauchen nicht auf Wunder zu hoffen. Wir vertrauen auf die Hochschulen.

Danke schön.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Professor Dr. Zöllner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gute Schule ist und war Herausforderung für die Landesregierung, für jede Schulleiterin und jeden Schulleiter, für jede Lehrkraft und alle Schulträger. Die gute Schule ist eine ständige Herausforderung; denn nichts ist so gut – vor allen Dingen, wenn es wichtig ist –, dass es nicht noch weiter verbessert werden könnte, zumal dann, wenn sich Entwicklungen zeigen, die Reformen und Entwicklungssprünge in einem solchen Zusammenhang notwendig machen.

Ganz ohne Zweifel haben die Lehrkräfte, die Lehrerinnen und Lehrer, eine zentrale Stellung und Bedeutung im Rahmen dessen, was wir als Qualität des Bildungswesens bezeichnen. Hohe Qualifikation, hohe Motivation aber auch entsprechendes Engagement sowie die strukturellen Rahmenbedingungen sind entscheidende Größen für den Erfolg einer Schule und damit für die gute Schule.

Ich möchte am Beginn der Reformdiskussion um die Lehrerbildung in Rheinland-Pfalz ganz ausdrücklich zuerst den 35.000 hauptberuflich und hauptamtlich sowie den vielen Tausend nebenberuflich tätigen Lehrkräften meine hohe Anerkennung zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Beginn einer sicher einschneidenden Reformdiskussion müssen wir deutlich machen, dass Reformanspruch nicht Kritik an den bisherigen Leistungen bedeutet, sondern dass das Bemühungen um Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung sowie um einen Beitrag zu noch mehr Berufsfreude und gelegentlicher Stressbewältigung im Alltag sind.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Ich meine deshalb, dass allen Beteiligten an einer weiteren Verbesserung der Lehrerbildung in einem besonders hohen Maß gelegen sein muss. Ganz ausdrücklich schließe ich in diese Anerkennung auch die Lehrerbildungseinrichtungen in Rheinland-Pfalz, die Universitäten, die Seminare, die Ausbildungsschulen und auch die pädagogischen Ergänzungseinrichtungen mit ein. Wenn wir heute über die Reform der Lehrerbildung sprechen, beinhaltet dies allerdings nicht allein die Qualifikation der

einzelnen Lehrkraft – dessen müssen wir uns bewusst sein –, sondern vielmehr auch die Effizienz und die Struktur der Lehrerbildungseinrichtungen, des Systems „Lehrerbildung“. Gesellschaftlicher Wandel auf vielen Gebieten – ich nenne nur einmal die Möglichkeiten und Bedingungen der laufenden medientechnischen Revolution, die auch eine medienpädagogische und unterrichtsmethodische Veränderung mit sich bringen wird – sowie das Anerkennen einzelner struktureller Ausbildungsmängel sind entscheidend für eine inzwischen bundesweit geführte Reformdiskussion über die Lehrerbildung.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung geht diese Aufgabenstellung mit hoher Priorität an. Die Koalitionspartner haben deshalb in der Koalitionsvereinbarung festgehalten – ich zitiere, um Missverständnissen vorzubeugen –: „Die Lehrerbildung wird praxisnah modernisiert und durchlässiger gestaltet. Eine Reform zur Stärkung des pädagogischen bzw. fachpädagogischen Anteils und zur Erhöhung der Durchlässigkeit bzw. Einsetzbarkeit in verschiedenen Schularten wird angestrebt.“

Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion greift exakt diese Zielsetzung konstruktiv auf und formuliert eine Reihe zu prüfender Schwerpunktsetzungen. Der Antrag kommt genau zum richtigen Zeitpunkt und unterstützt das bildungspolitische Anliegen der Landesregierung sowie die grundsätzlichen Planungen. Der Ministerpräs ident hat zu diesem Thema in der Regierungserklärung im Mai 2001 erklärt – ich zitiere –: „Insgesamt werden wir den Lehrerberuf attraktiver machen. Eine höhere Besoldung von Lehramtsanwärtern und Studienreferendaren, ein Quereinsteigerprogramm, die Anhebung der Dreiviertel-Angestelltenstellen auf volle Beamtenstellen sowie eine Modernisierung der Lehrerausbildung werden Zug um Zug die Situation unserer Lehrerinnen und Lehrer und damit letzten Endes die Qualität des Unterrichts verbessern.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besser spät als nie!

(Zurufe von der CDU)

Für die Reform der Lehrerausbildung in Rheinland-Pfalz darf ich in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem vorliegenden SPD-Antrag aus meiner persönlichen Sicht vier Leitziele formulieren:

1. Wir brauchen mehr Professionalisierung,

2. wir brauchen ein besseres Zeitmanagement,

3. wir brauchen eine stärkere Durchlässigkeit bzw. Polyvalenz,

4. wir brauchen mehr Flexibilität bei der Nachwuchsgewinnung.

Ich komme zum ersten Punkt. Eine stärkere Orientierung der Ausbildung am Beruf der Lehrerin und des Lehrers bereits in der ersten, der universitären Phase – ich betone dies –, erscheint mir unverzichtbar. Damit einher geht von Anfang an eine stärkere Identifikation mit der beruf

lichen Aufgabe als Lehrerin und Lehrer. Es stellt sich nur die Frage, wie wir dies erreichen.

Wir werden es nur erreichen, wenn auch Ausbildungsstrukturen auf den Prüfstand gestellt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lehrerausbildung kann an einzelnen Hochschulen nicht quasi als Nebenprodukt der eigentlichen Fachwissenschaften realisiert und organisiert werden, was sie in einzelnen Bereichen zweifelsohne im Augenblick noch ist. Es ist Realität, dass das Staatsexamen in vielen Fällen ein leicht abgewandeltes Diplomstudium darstellt.

Zu diesem Feld der stärkeren Professionalisierung gehört auch die wesentlich stärkere Verzahnung der einzelnen Ausbildungsphasen miteinander, insbesondere die der Hochschulausbildung mit den Studienseminaren. Aber es darf nicht bei dem Schlagwort Verzahnung bleiben. Ich persönlich meine, der vorgeschlagene Weg eines Praxissemesters ist nur ein erster, unverzichtbarer Schritt. Das heißt, wir müssen in diesem Bereich noch eine neue Dimension der echten und nicht nur durch Lippenbekenntnisse vor uns hergetragenen Verzahnung finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schließlich gilt es, im Sinne lebenslangen Lernens die dritte Lehrerbildungsphase, nämlich die Fort- und Weiterbildung, anforderungsgerecht auszubauen und zur Selbstverständlichkeit für alle werden zu lassen. Dies wird uns nur gelingen, wenn wir einen Qualitätssprung in der Durchlässigkeit zwischen der zweiten und der dritten Phase machen.

Ich komme nun zum zweiten Punkt, dem besseren Zeitmanagement. Mit Leidenschaft wird in Deutschland über die Dauer der Schulzeit und der Studienzeiten gestritten. Dabei hat sich die Dauer der Studienzeiten ständig ausgeweitet. Davon betroffen ist auch die Lehrerausbildung. Wer die Vereinbarungen über die Regelstudienzeiten mit den tatsächlich absolvierten Semestern vergleicht, dem kommen Zweifel. Um es einmal vorsichtig auszudrükken, es ist nicht immer sicher, ob mit dieser tatsächlichen Verlängerung der Studienzeiten die Qualifikation der Lehrkräfte auch entsprechend besser geworden ist. Die lange Studiendauer ist – daran gibt es überhaupt keinen Zweifel – in vielen Fällen strukturbedingt. Deswegen muss man auch den Mut zu strukturellen Einschnitten und Reformen haben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gegen internationale Vergleiche kann man immer etwas einwenden. Aber sie liefern einem Fingerzeige. Ich möchte daher auf eine OECD-Studie für das Jahr 1998 über die Dauer der Studienjahre angehender Lehrerinnen und Lehrer hinweisen. Danach liegt Deutschland beispielsweise im Bereich der Sekundarstufe II mit 6,5 Jahren einsam an der Spitze, und zwar um 12 Monate länger als das Land, das die nächstlängste Ausbildungszeit hat. Dieses gilt auch für alle anderen Ausbildungsberufe im Lehrerinnen- und Lehrerbereich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Die Wirklichkeit – das ist das eigentlich Erschreckende – ist noch viel schlimmer, wenn wir berücksichtigen, dass im Durchschnitt im Lehrerberuf ein Jahr Wartezeit zwischen der ersten und zweiten Ausbildungsphase liegt und, wie ich eingangs sagte, die Regelstudienzeiten bei weitem überschritten werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sollte uns deshalb im Interesse aller gelingen, die zur Verfügung stehende Zeit besser zu nutzen und die jungen Menschen schneller und somit früher in den Beruf zu bringen, ohne damit Einbußen an der Ausbildungsqualität einzuhandeln. Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, wenn es schneller wird, wird es auch besser werden. Wir werden es nur schaffen, wenn wir bereit sind, auch heilige Kühe genauer anzuschauen.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Ich komme nun zu dem Punkt der stärkeren Durchlässigkeit und der Polyvalenz. Einmal Lehrer, immer Lehrer, einmal Lehramtsstudium, immer Lehramtsstudium oder – dies ist genauso schlimm, meine sehr verehrten Damen und Herren – einmal nicht Lehrer, niemals Lehrer. Dieses darf es in Zukunft nicht mehr geben.

(Beifall der SPD und der FDP – Creutzmann, FDP: Jawohl!)

Zur Qualitätssteigerung im Bildungswesen, aber auch zur Erfüllung persönlichen Lebensglücks ist es dringend erforderlich, Berufssackgassen zu vermeiden und stattdessen Durchlässigkeiten und Mehrfachqualifikationen anzubieten. Dies müssen wir organisieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Herr Lelle, es muss möglich sein, von anderen Bereichen und anderen Berufen aus in die Lehrerausbildung einzusteigen. Auch das, was wir derzeit mit dem Seiteneinsteigerprogramm beabsichtigen, hat etwas mit dieser Durchlässigkeit zu tun.

Dies kann nur erreicht werden über eine stärkere Modularisierung der Ausbildung, über noch klarer gegliederte Studieninhalte einzelner Ausbildungsphasen und über entsprechende Zwischenprüfungen. Damit ist auch eine bessere Vermittelbarkeit an den außerschulischen Arbeitsmarkt gegeben. Wir müssen wegkommen von den für die einzelnen Betroffenen, aber auch für die Schulverwaltung problematischen, regelmäßig wiederkehrenden Wellenbewegungen eines akuten Lehrermangels und eines akuten Lehrerüberhangs, die man in der Wirtschaft als „Schweinezyklus“ bezeichnet.

Herr Lelle, Sie werden nicht dadurch glaubhafter, indem Sie die Verfassung zitieren, auf der einen Seite den Lehrermangel beklagen, auf der anderen Seite aber das Seiteneinsteigerprogramm dieser Landesregierung, das als einziges, im Gegensatz übrigens zu den sonst von Ihnen so geliebten Hessen, einen sehr starken pädago

gischen Anteil enthält, diffamieren. So werden wir die Probleme nicht lösen. (Beifall der SPD und der FDP)

Ich komme zu dem vierten Punkt, der Flexibilisierung der Nachwuchsgewinnung. Die Wellenbewegungen von Lehrerangebot und -nachfrage gibt es bei den Lehrkräften insgesamt, häufiger aber noch innerhalb der einzelnen Schularten. Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass es zum Beispiel einen Mangel an Realschullehrern gibt, auf der anderen Seite aber viele gut ausgebildete Gymnasiallehrerinnen und -lehrer sowie Grund- und Hauptschullehrerinnen und -lehrer, die nur schwer eine Anstellung finden können. Oftmals zeichnen sich derartige Veränderungen der Lehrernachfrage so spät ab, dass das Ausbildungsangebot nicht mehr rechtzeitig reagieren kann.

Wenn nun aber entsprechende inhaltliche Ausbildungsstrukturen Umstiege innerhalb des Spektrums der Lehramtsstudiengänge deutlich erleichtern, ja, diese Umstiege im Ausbildungssystem schon von vornherein verankert und organisiert sind, dann werden wir letzten Endes ein System zum Wohle aller Beteiligten, sowohl der Lehrerinnen und Lehrer, die eine adäquate Anstellung finden, als auch des Systems realisieren können.

Ich unterstreiche, ich denke nicht daran, bei allen guten Gründen, die man dafür oder dagegen anführen kann, die in Rheinland-Pfalz praktizierte schulartorientierte Ausbildung aufzugeben. Aber – dies ist kein Widerspruch – es muss im System angelegt sein. Es muss möglich sein, eine größere Beweglichkeit über die Ausbildungsstrukturen, aber auch insbesondere über die Flexibilisierung des Dienstrechts zu erhalten, damit letzten Endes die Ausbildung lehramtsbezogen keine Barriere innerhalb der Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten darstellt.