Protocol of the Session on November 6, 2003

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Wenn man sich überlegt, was ich versucht habe, Ihnen schon in den letzten zweieinhalb Jahren und wahrscheinlich auch versuchen muss, Ihnen in den nächsten zweieinhalb Jahren zu erklären,

(Dr. Schiffmann, SPD: Sie sind ja optimistisch!)

dass gerade auch die geschilderten Probleme der sozialen Selektivität bei dieser Schulwahlentscheidung noch dramatischer werden würden, dann glaube ich, ist Ihr Antrag schlicht unverantwortlich. Entschuldigen Sie bitte, Herr Lelle, das muss ich so sagen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das sehe ich auch so! – Lelle, CDU: Das hat doch andere Ursachen!)

Herr Lelle, einen Satz noch. Die europäischen Vergleiche, die Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben, sind schlichtweg falsch, weil sie einfach nicht stimmen, weil die Unterrichtszeit bis zum Abitur in fast allen Staaten viel länger ist als bei uns in Deutschland, weil sie fast alle Ganztagsschulen haben und sie anders organisiert sind.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin leider gleich am Ende meiner Rede.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist sehr schade!)

Bevor ich unserer Polit-Titanin, Frau Morsblech, das Feld überlasse, möchte ich noch einen Gedanken erwähnen.

(Frau Morsblech, FDP: Frau Präsidentin, lassen Sie sich das gefallen?)

„Polit-Titanin“ ist ein sehr lobender Begriff.

Meine Damen und Herren, ohne Zweifel kann das Abitur nach zwölf Jahren ohne Qualitätsverlust abgelegt werden. Da bin ich anderer Meinung als Frau Ministerin Ahnen.

Dafür brauchen wir aber mehr Unterrichtsstunden, auch Unterrichtspflicht am Nachmittag, vollkommen klar; denn verbunden mit einem Ganztagskonzept ist es durchaus möglich, das Bildungsziel Abitur für mehr Schülerinnen und Schüler in kürzerer Schulzeit zu erreichen.

Notwendig ist eine Flexibilisierung der Schuleingangsund -übergangsphasen und eine konzentrierte Förderung für alle Schülerinnen und Schüler von Anfang an. Ein Abitur nach zwölf Jahren darf – auch das ist meine Befürchtung bei der CDU-Fraktion – nicht zu einem schnöden Einsparkonzept verkommen.

Wir brauchen das Geld. Das Geld, das zweifellos eingespart werden würde, wenn man das 13. Schuljahr abschafft, (Glocke der Präsidentin)

muss natürlich in eine verbesserte individuelle Förderung für Schülerinnen und Schüler im Elementar- und Primarbereich eingesetzt werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder des SPD-Ortsvereins Waldbreitbach sowie Mitglieder der Bauern- und Winzerschaft Barbelroth, Hergersweiler und Winden. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Morsblech.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ganz herzlichen Dank an den Kollegen Wiechmann, dass er mir das Wort erteilt hat.

(Dr. Schiffmann, SPD: Es hat gegendert! – Zuruf des Staatsministers Bauckhage)

Die Debatte verläuft immer ganz interessant. Es ist immer schön, wenn man zum Schluss dran ist und was man dann so beobachtet.

Beobachtet habe ich bei Herrn Keller vor allem, dass in diesem Gesetzentwurf offensichtlich viel zu viel enthalten ist, was Sie auch befürworten, sonst wären Sie nicht permanent den eigentlichen Kernpunkten des Gesetzentwurfs und dessen, was wir als Bildungsentwurf diskutieren, in Ihrer Rede ausgewichen.

(Beifall bei FDP und SPD – Zuruf des Abg. Frisch, CDU – Lelle, CDU: Wir werden Paragraph für Paragraph im Ausschuss abarbeiten! – Dr. Schiffmann, SPD: Das erhoffe ich mir auch!)

Es ist mehrfach die PISA-Studie angesprochen worden, ebenso wie unser Aufenthalt in Finnland. Viele Dinge, die wir dort sehen konnten, hatten wir zum Teil schon in Rheinland-Pfalz umgesetzt, haben wir weiter auf den Weg gebracht und standen im Konsens. Natürlich haben wir nicht die ideologische Idee zu sagen, in dem Moment, wo ich organisatorisch das Schulsystem umstrukturiere und es integrativ mache, habe ich automatisch eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler und automatisch eine andere Unterrichtsqualität.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich nicht gesagt!)

Doch, das sagen Sie immer, weil es für Sie die Grundvoraussetzung darstellt.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war nicht unser Konsens. Ich würde gern auf die Punkte kommen, die dann tatsächlich die Unterrichtsqualität ausmachen und Punkte waren, die eigentlich bei allen Teilnehmern dieser Reise, aber auch insgesamt mit Sicherheit unstrittig sind.

Schön fand ich bei Herrn Wiechmann, dass er sich anders als Herr Keller nicht darum herumgemogelt hat, sondern sich mit dem Gesetz auseinander gesetzt hat

(Lelle, CDU: Er hat sich darum herumgemogelt!)

und bei den einzelnen Punkten versucht hat zu schauen, wo er vielleicht weiter oder weniger weit gehen könnte. Darüber kann man meiner Ansicht nach auch im Ausschuss tatsächlich gut diskutieren.

Zum einen wissen wir, dass unsere Schulen mehr Evaluation und bundesweit Qualitätsstandards brauchen. Wir wissen auf der anderen Seite, dass das mit mehr Eigenständigkeit, mehr Selbstständigkeit und eigener Profilbildung der Schulen einhergehen muss.

Wir wissen, dass unsere Schülerinnen und Schüler noch individueller gefördert werden müssen als bisher und gerade dort, wo die Familien nichts zu dieser Förderung beitragen können, Ganztagsangebote notwendig sind, um die Chancengleichheit herzustellen.

Wir wissen, dass in dem Zusammenhang pädagogische und psychologische Serviceeinrichtungen eine entscheidende Rolle in ihrer Beratungs- und Entwicklungsfunktion spielen. Wir haben den Blick auch auf die frühkindliche Förderung gerichtet und damit auf die Kindertagesstätten, aber auch auf die Einschulung uns erer Kinder.

Den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für die Kindertagesstätten wird eine Reform der Erzieherinnenausbildung folgen. Die Übergänge in die Grundschule müssen flexibler werden und alle an Bildung und Erziehung des Kindes Beteiligten – in dem Fall Erzieherinnen, Eltern und Schule – mit in die Entscheidung eingebunden werden.

Herr Keller, wenn Sie sagen, wir brauchen ein Einschulungskonzept, dann widerspricht das dem Gedanken der Flexibilität und der Beteiligung der Betroffenen, derjenigen, die die Erziehungs- und Bildungsverantwortung für das Kind haben, weil Flexibilität und individuelle Förderung bedeuten, dass man es gemeinsam anhand des Entwicklungsstandes des Kindes entscheidet.

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Das können Sie mit einem Konzept in keiner Form realisieren, wenn Sie das vorher nicht vorgeben. Erstellen Sie doch einmal ein Konzept. Ich würde gern sehen, wie das funktionieren soll.

Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen SPD und FDP waren bei all diesen Ergebnissen, die uns aus PISA noch einmal deutlich vor Augen geführt worden sind, schon länger auf dem richtigen Weg. Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode ein umfassendes Qualitätsmanagement in Schulen angestoßen.

Schon 1999 wurde mit der Veröffentlichung des Rahmenkonzepts „Qualitätsmanagement“ in den Schulen des Landes Rheinland-Pfalz eine umfassende Qualitätsoffensive gestartet. Diese ist mit Schwerpunktmaßnahmen im Zusammenhang mit PISA konsequent fortgeschrieben worden.

Der Antrag zur gemeinsamen Durchführung von Vergleichsarbeiten in der Grundschule in Deutsch und Mathematik mit sieben anderen Bundesländern ist gerade unterschrieben worden. Die Schule als eigenständige Institution war in den vergangenen Monaten aufgefordert, eigene Qualitätsprogramme zu entwickeln. Diese werden auch zügig evaluiert.

Weiterentwicklungen in Unterrichtsmethodik und -didaktik und einige sehr erfolgreiche Modellprojekte in dem Zusammenhang haben auch dazu geführt, dass es bereits jetzt eine ganz starke Entwicklung hin zur individuelleren Förderung von Schülerinnen und Schülern im Unterricht gibt.

Zum Thema „Selbstständigkeit“ kann ich nicht erkennen, dass es in den vergangenen Jahren noch keine Entwicklung gegeben hat. Ich finde es gut, dass dies schrittweise im Gesetz festgeschrieben wird, und zwar orientiert am Stand dessen, was geleistet werden kann.

In den meisten Kommunen haben wir mittlerweile eine Budgetierung, die es den Schulen ermöglicht, weites tgehende wirtschaftliche Selbstständigkeit auszuüben. Im Personalbereich ist vor allem das Projekt der erweiterten Selbstständigkeit zur flexiblen Abdeckung von Unterrichtsausfall zu nennen.

Gerade die neue Ganztagsschule hat auch dazu geführt, dass die Schulen einen ungeheuren Schub an innerer Diskussion und Entwicklung für die Nachmittagsangebote erfahren haben. Dabei haben sich Lehrerinnen und Lehrer in einem ungeheuren Ausmaß engagiert. Kooperationen mit außerschulischen Einrichtungen, die jetzt auch im Gesetz stehen, sind dadurch noch stärker angestoßen worden.

Das Einschulungsalter ist in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren bereits gesenkt worden. Ich denke, es ist wichtig, dass wir diese neue Regelung nun auch im Gesetz festschreiben. All das, was ausdrücklich von den Regierungsfraktionen und der Landesregierung gewollt ist und zum Teil auch schon sehr konsequent umgesetzt wurde, wird nun in diesem neuen Schulgesetz zusammengefasst und festgeschrieben.