Protocol of the Session on September 11, 2003

(Frau Hammer, SPD: Das kann ich bestätigen!)

Was da funktioniert, sollte in anderen Bereichen auch möglich sein. Nur die Rentensystematik hat auf dieses Phänomen noch keine Rücksicht genommen.

Meine Damen und Herren, in anderen Bereichen nimmt man darauf Rücksicht. Das Segment der 60plusJährigen – ein Blick zur Galerie – ist als Konsument längst erkannt. Zwei Drittel der Barvermögen ruhen in den Händen der über 60-Jährigen. Das ist für all diejenigen, die auf Umsätze aus sind, als Kundenkreis nicht verzichtbar. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man sowohl in der Ästhetik, der Mode, aber auch in den Konsumangeboten auf dieses Segment Rücksicht nimmt und diese Menschen nicht als potenzielle Sozialfälle sieht, sondern als attraktive Zielgruppe für Werbeindustrie und auch für umsatzträchtige andere Bereiche.

Meine Damen und Herren, wenn wir aber unser Augenmerk auf die jetzige Situation richten, dann sehen wir aus der demographischen Entwicklung und aus dem „Immer-Älter-werden“ nur Probleme. Wir fragen uns, wie sich das finanzieren lässt. Mit dem jetzigen Denken geht das auch nicht, egal, ob wir mit 65 oder 67 in die Rente einsteigen, die demographische Entwicklung würde uns einholen. Das ist nicht leistbar für die wenigen Jungen, die noch nachkommen mit immer kürzeren Lebensarbeitszeiten, mit immer längeren Ausbildungen, mit immer früherem Renteneintrittsalter. Das geht nicht. Da brauchen wir ein Umdenken. Dazu möchten wir mit dieser Diskussion einen Anstoß geben. Wir brauchen ein Umdenken, das die ganze Gesellschaft als Zielgruppe sieht, auch die Industrie und Wirtschaft.

Es ist kurzsichtig, egoistisch und nur vordergründig richtig gewesen, eine Personalpolitik zu betreiben, die alle, die über 50 sind, als Problemfälle ansieht, und die nicht einsehen will, dass in dieser Gruppe und auch in der Gruppe der über 60-Jährigen – ich bin überzeugt, auch in der Gruppe der über 70-Jährigen – Potenziale schlummern, wie man das früher nicht ahnen konnte. Diese Potenziale zu wecken und für die Betroffenen einzusetzen und ihnen das Gefühl zu geben, sie sind nicht ausschließlich Opfer von Streuselkuchennachmittagen der großen Volksparteien, sondern für sie gibt es Möglichkeiten und Chancen, sie sind gefragt, sie sind benötigt, ohne sie geht es nicht, dieses Denken wird unverzichtbar sein.

Es genügt aber nicht, jetzt mahnend den Zeigefinger zu heben und zu sagen, böse Industrie, böser Mittelstand, böser Arbeitgeber, du schmeißt die bestialisch raus, wenn sie dir zu alt geworden sind, sondern man muss überlegen, warum sich diese Firmen von diesen Menschen trennen, bei denen wir alle – ich habe viele nicken

sehen – so viele Potenziale vermuten. Es muss Gründe dafür geben. Diese Gründe müssen wir analysieren. Dann müssen wir in die gesamten Rechtsbeziehungen, Beschäftigungsbeziehungen und Sozialversicherungsbeziehungen diesen Altersaspekt einfließen lassen. Dann wird es keinen Stichtag mehr geben, wo man in Rente geht. Das ist Bismarck`sche Rentenvorstellung, die da immer noch mitschwingt.

Wir müssen jedem die Chance geben, für ihn attraktiv früher oder später auszusteigen, je nachdem, wie leistungsfähig er ist und wie viele Chancen auch seine Firma noch in ihm sieht. Wir müssen ihm anschließend die Möglichkeit geben, sich nicht nur ehrenamtlich einzubringen. Das ist zu wenig. Wir brauchen zwischen Fulltimejob und ehrenamtlicher Tätigkeit Zwischenzonen. Da muss es Bereiche geben, wo jemand zum Beispiel in einem quasi rentnersozialen Jahr noch etwas im Sinn der eigenen Rentenformel tut, wo er noch Anwartschaften erwirken oder seine Rentenhöhe beeinflussen kann und dennoch auch außerhalb seines Berufs oder innerhalb seines Berufs tätig ist.

Jetzt komme ich auf einen Punkt der Großen Anfrage: Tutorinnen und Tutoren für Heimbeiräte. Das ist so etwas. Da wird Wissen angezapft, es wird Wissen vermittelt und denen zugeführt, die über diese Erfahrung noch nicht verfügen, sodass man diese Leute gesamtgesellschaftlich nutzbar machen kann, – –

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nutzbar!)

Frau Kiltz, nutzbar machen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Das ist richtig.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kiltz, wir wollen nicht päpstlicher als der Papst sein. Der Ausdruck ist nicht in Ordnung. Ich bedanke mich für Ihre Korrektur. Jawohl, ich nehme es an. Ich nehme es auf.

wobei man es schafft, die Kompetenzen, Qualitäten und Fähigkeiten dieser Menschen für die Gesellschaft einzusetzen und auch diesen Menschen ein Interesse dafür vermittelt.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich hatte eine kurze Rede angekündigt. Ich bin überrascht, die zehn Minuten sind vorbei. Sie sehen, wie engagiert ich dabei war.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Enders das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aktive Gestaltung auch im Alter hat etwas mit persönlicher Aktivität zu tun. Dazu müssen wir als Politiker die Bedingungen schaffen.

In den nächsten Jahrzehnten werden die Menschen nicht nur immer älter, sondern durch das Älterwerden der geburtenstarken Jahrgänge wird ihre Zahl auch noch größer mit sehr starken Veränderungen, aber individuellen Unterschieden in der Alterspyramide.

Ich habe einmal im Studium gelernt, dass die höchste Lebenserwartung evangelische Geistliche haben. Die geringste liegt bei den Gastwirten.

Die nachfolgenden Jahrgänge, die schwächeren Jahrgänge, sind durch die geänderte Familienplanung der Gesellschaft in der Tat stark reduziert, sodass auch die Zahl der Rheinland-Pfälzer in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken wird. Dies wird alles Auswirkungen auf gesellschaftliche Bereiche haben, ich denke, ernsthafte Auswirkungen, die bis in die jüngste Vergangenheit von allen Verantwortlichen nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.

Die aktuelle Diskussion über die Rente und die Gesundheitsreform zeigt dieses Dilemma sehr eindrucksvoll. Man kann in der Tat durch Zuwanderung allein die demographische Entwicklung nicht mehr kompensieren, allein schon deswegen, weil es nicht genug geeignete Zuwanderungsinteressierte gibt.

Die FDP-Fraktion stellt im Prolog zu ihrer Großen Anfrage sehr richtig fest, dass Seniorenpolitik Querschnittsaufgabe ist. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, den wir kritisch begleiten müssen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wenn man die Zahlen liest, dass sich die demographischen Zahlen bereits gegenüber dem Jahr 2000 geändert haben. Bereits jetzt ist abzusehen, dass der Anteil der über 60-jährigen von zurzeit knapp 25 % auf fast 34 % im Jahr 2030 steigen wird, wenn die meisten, die hier sitzen, mindestens im Seniorenalter sind.

(Itzek, SPD: Sehen wir so alt aus?)

Ich bin dann im Seniorenalter und Sie auch.

Kritisch hinterfragen muss man natürlich die Antwort der Landesregierung zur Altersdiskriminierung. Die Landesregierung stellt fest, dass sich die Wertschätzung gegenüber alten Menschen positiv gewandelt hat. Das stimmt sicherlich. Von dieser Wertschätzung findet man jedoch nichts, wenn man sich die Situation eines Menschen im 6. Lebensjahrzehnt anschaut, der seinen Arbeitsplatz verloren hat und mit Ende fünfzig einen Arbeitsplatz sucht. Diese Leute werden in der Tat diskriminiert.

(Beifall der Abg. Frau Thelen, CDU)

In Bezug auf die aktuelle Diskussion über die Rentenreform ist die Feststellung der Landesregierung interessant, dass nur noch 22,9 % der 60-Jährigen bis 65

Jährigen erwerbsfähig sind. Deshalb ist die Diskussion über ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren auf der falschen Ebene, solange solche Zahlen vorhanden sind und das durchschnittliche Renteneintrittsalter noch nicht einmal 63 Jahre beträgt. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass der Anteil der vorzeitigen Altersrenten bei über 40 % liegt. Das sind erschreckende Zahlen.

In der Beantwortung der Großen Anfrage hält sich die Landesregierung bezüglich einer inhaltlichen Festlegung in Bezug auf die gesetzlichen Altersgrenzen zurück und verweist auf die noch zu erfolgende Vorlage der RürupKommission. Vielleicht kann Frau Dreyer heute noch etwas dazu sagen; denn mittlerweile sind wir schon sechs Monate weiter.

Die Große Anfrage lautet „Aktive Gestaltung des Älterwerdens in Rheinland-Pfalz“. Aktivitäten bei älteren Menschen finden sich sehr häufig im ehrenamtlichen Engagement. Dazu gibt es keine exakten Daten. Das wurde auch ausgesagt. Ein hoher Prozentsatz scheint jedoch in unterschiedlichen Bereichen ehrenamtlich aktiv zu sein und bringt damit für die Gesellschaft seine Lebenserfahrung in allen Bereichen ein.

Man stellt darüber hinaus fest, dass zunehmend die neuen Medien, wie Internet, PC und E-Mail, von den Senioren genutzt werden und sie Kurse besuchen, die überall angeboten werden.

Was mir aber etwas Sorgen macht und in der Beantwortung der Großen Anfrage zum Ausdruck kommt, ist ein anderer Aspekt, den man in der Kürze der Zeit nur streifen kann, nämlich die Inhomogenität der wirtschaftlichen Situation von Seniorinnen und Senioren. Diese geht sehr stark zulasten der Frauen. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Organisationen in RheinlandPfalz – das ist vorbildlich –, wie zum Beispiel die Untergliederungen der Parteien, beispielsweise die SeniorenUnion, „60plus“ und andere Organisationen. Darüber hinaus gibt es in vielen Landkreisen die Seniorenbeiräte und die Landesseniorenvertretung. Auf den jährlichen Versammlungen, zu denen wir als Gäste geladen werden, stelle ich immer wieder fest, dass mit großem Engagement mitgedacht wird und die Leute ihre eigenen Erfahrungen einbringen. Deshalb ist es an der Zeit, dass die kommunale Verankerung der Seniorenbeiräte, die in Vorbereitung ist, umgesetzt wird. Die Zahl der Seniorenbeiräte hat sich mittlerweile auf gut 65 erhöht. Leider sind die meisten weißen Flecken im Norden von Rheinland-Pfalz.

(Dr. Altherr, CDU: Wie immer!)

Bei älteren Menschen zeigt sich ein Interesse an Politik. Diese Altersgruppe weist eine vergleichsweise sehr hohe Wahlbeteiligung auf. Außerdem stehen diese Leute auf vielen Ebenen noch als Kandidaten zur Verfügung. In der Gemeinde, in der ich Ortsbürgermeister bin, ist ein Drittel der Ratsmitglieder über 60 Jahre alt. Ich bin froh darüber, dass wir diese gute Mischung haben; denn allein jung zu sein, ist in der Politik zu wenig.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Zahl der älteren Menschen in Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren absolut und prozentual stetig steigen wird. Uns e

re Aufgabe wird es sein, günstige Bedingungen zu schaffen, dass dieses dritte Leben aktiv gestaltet wird. Auch in diesem Parlament sitzen mittlerweile eine ganze Reihe über 60-jährige, denen man das teilweise nicht ansieht. Per Definition sind sie aber Seniorin oder Senior.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das ist eine Bereicherung. Die nächste Herausforderung wird dann kommen, wenn die Reform der Rentenvers icherung in die Tiefe geht. Ich bin überzeugt, dass es wie bei der Gesundheitsreform nur im Konsens geht. Es wird nur gemeinsam gehen. Das hat die Diskussion im Sommer ganz deutlich gezeigt. Rente ist kein Almosen, sondern eine Entlohnung von Lebensleistung. Jemand, der über keine auskömmliche Rente verfügt, ist von der Altersarmut betroffen und kann wenig zur eigenen Lebensgestaltung aktiv beitragen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Spitze der Demographieproblematik dann erreicht sein wird, wenn die geburtenstarken Jahrgänge, also die heute 30-jährigen bis 40-jährigen, ins Rentenalter kommen und die geburtenschwachen Jahrgänge im Arbeitsleben stecken. Diese Herausforderung muss jetzt gemeinsam angegangen werden. Dazu fordere ich alle in Bund und Land auf. Wir sollten versuchen, diesen harten Weg gemeinsam zu bestreiten.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und des Abg. Hartloff, SPD)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Dröscher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Pörksen, SPD: Ich bin noch keine 60!)

Herr Dr. Enders, es sind nicht die evangelischen Geistlichen, sondern die Diakonissen, die am ältesten werden. Das liegt aber schon dicht beisammen.

Wir besprechen heute die Große Anfrage der Fraktion der FDP „Aktive Gestaltung des Älterwerdens in Rheinland-Pfalz“ und die Antwort der Landesregierung darauf. Vorab ein Lob an den Koalitionspartner, der eine sehr ausführliche und differenzierte Große Anfrage gestellt hat, und an die Landesregierung, die uns wertvolles Material zur Verfügung gestellt hat, mit dem wir in der nächsten Zeit gut arbeiten können. Zu diesem Thema reden auch im Parlament immer dieselben Leute. Für uns alle gibt es aber die Möglichkeit, ein bisschen positiver zu reden, weil das, was besprochen wird, nicht nur negativ ist.

Es werden insgesamt 12 Fragen gestellt und 12 Antworten gegeben. Zu einigen wenigen will ich einige Ausführungen machen.