Protocol of the Session on July 10, 2003

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes und anderer Gesetze Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/2287 – Erste Beratung

Ich erteile Herrn Staatsminister Zuber das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der Einbringung des Entwurfs eines Landesgesetzes zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – meines Erachtens eines der zentralen Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode – geht die rheinland-pfälzische Landesregierung ihren erfolgreichen Weg in der Sicherheitspolitik der vergangenen 12 Jahre konsequent weiter. Das Gesetzeswerk wurde sorgfältig ausgearbeitet, genauestens auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft und versucht, möglichst allen Belangen der verschiedenen Interessengruppen im Hinblick auf Anwendbarkeit, Aktualität und Verlässlichkeit Rechnung zu tragen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

So hat beispielsweise erst vor 14 Tagen der Kommunale Rat dem Entwurf zugestimmt. Ziel des Gesetzentwurfs ist es in erster Linie, ein modernes Polizeirecht zu schaffen und damit ein Mehr an Sicherheit zu gewährleisten. Dabei wurde sorgfältig zwischen den berechtigten Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger und den notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit in unserem Land abgewogen. Gleichzeitig gibt das neue Gesetz unserer Polizei und den Ordnungsbehörden ein Werkzeug an die Hand, um im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung der Situation angepasst eingreifen zu können.

Unser bisheriges Gesetz aus dem Jahr 1993 ist seit dieser Zeit lediglich im Hinblick auf Organisationsvorschriften und vollstreckungsrechtliche Bestimmungen geändert worden. Vielfältige neue Herausforderungen zeigen, dass die derzeitigen Befugnisse der allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei zur Gefahrenabwehr nicht mehr ausreichen. Dies gilt vor allen Dingen für die Bekämpfung der unterschiedlichsten Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität sowie aller Formen der Alltagskrim inalität.

Die jüngere Vergangenheit hat uns ebenso gezeigt, wie wichtig die Gewährleistung eines wirkungsvollen Schutzes der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen ist. Insbesondere der 11. September 2001 hat für die Sicherheitsbehörden umfangreiche Folgewirkungen, die in den gesetzlichen Grundlagen berücksichtigt werden müssen. Hierzu ist es insgesamt erforderlich, Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten zu treffen und die Befugnisse der Polizei zur verdeckten Informationsbeschaffung zu erweitern und zu verbessern. (Beifall bei SPD und FDP)

Ferner werden die Befugnisse der allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei an den aktuellen Stand der Rechtsentwicklung und Rechtsprechung angepasst. Dies gilt insbesondere für die spezifischen Datenschutzbestimmungen, die insgesamt neu gestaltet werden. Zudem sollen die Belange des Datenschutzes durch spezielle verfahrenssichernde Maßnahmen noch stärker als bisher berücksichtigt werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Auf eine Reihe von Schwerpunkten der gesetzlichen Änderungen möchte ich gern hinweisen. Die Kriminalprävention wird gesetzlich verankert. Die allgemeinen Ordnungsbehörden können kriminalpräventive Gremien unter Beteiligung der Polizei auf kommunaler Ebene einrichten. Eine Personenkontrollbefugnis zur Durchführung von Anhalte- und Sichtkontrollen im öffentlichen Verkehrsraum wird eingeführt. Mit dieser Norm wird eine wichtige Grundlage geschaffen, um allen Erscheinungsformen auch grenzüberschreitender und Organisierter Kriminalität sowie der Schleuserkriminalität wirkungsvoll begegnen zu können.

Um die Opfer häuslicher Gewalt besser schützen zu können, werden die Bestimmungen über den Platzverweis und das Aufenthaltsverbot erweitert und ergänzt.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Danach können die zumeist männlichen Gewalttäter der Wohnung verwiesen werden. Mit diesen Vorschriften soll den Zielen des Gewaltschutzgesetzes angemessen Rechnung getragen werden. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass eine ausschließliche Zuständigkeit der Polizei zum Schutz der Opfer häuslicher Gewalt begründet wird.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: Sehr vernünftig!)

Somit werden im Interesse eines effektiven Opferschutzes Doppelzuständigkeiten vermieden.

Die Häufung der Polizistenmorde und täglichen Angriffe erfordern die Erweiterung und Ergänzung der Befugnisse zur Eigensicherung der Polizei. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die acht Polizistenmorde im Jahr 2000 im Bundesgebiet. Jede dieser Gewalttaten, die überwiegend aus polizeilichen Alltagssituationen heraus entstanden sind, hätte sich auch in RheinlandPfalz ereignen können. Die Befugnisse der allgemeinen Ordnungsbehörden sollen ergänzt werden, sodass diese unter anderem Personen zum Zweck der Eigensicherung sowie Wohnungen zur Abwendung dringender Gefahren durchsuchen dürfen.

Die bestehenden bereichsspezifischen Datenschutzbestimmungen werden aufgehoben und durch vollständig neu konzipierte Vorschriften ersetzt.

Wie es im Übrigen zu entsprechenden Presseveröffentlichungen kommen konnte, entzieht sich meiner Kenntnis. An dem Tag, an dem in der Presse die Kritik an Datenschutzbestimmungen nachzulesen war, war der Gesetz

entwurf überhaupt noch nicht vom Ministerrat verabschiedet worden.

(Pörksen, SPD: Vielleicht war das eine Wühlmaus!)

Im Übrigen fußte das offensichtlich auf einem früheren Entwurf, der schon längst überholt war.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf folgende wesentliche Änderungen. Der Einsatz moderner Videotechnik einschließlich der Nutzung neuer Technologien zur elektronischen Fahndungsunterstützung soll ausdrücklich geregelt werden. Damit können die Polizei und die allgemeinen Ordnungsbehörden mittels Videoüberwachungssystem unter anderem Kriminalitätsschwerpunkte auf öffentlichen Straßen und Plätzen überwachen, um so die Sicherheit der Bevölkerung besser gewährleisten zu können.

Der Einsatz von besonderen Mitteln zur verdeckten Datenerhebung, wie beispielsweise die längerfristige Observation oder der Einsatz von verdeckten Ermittlern, wird konkretisiert und der Anwendungsbereich erweitert. Die Maßnahmen sollen künftig auch zur vorbeugenden Bekämpfung von schwer wiegenden Straftaten genutzt werden können.

Der so genannte Große Lauschangriff wird restriktiv gefasst und setzt die Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit voraus. Damit wird der besonderen Bedeutung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung Rechnung getragen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Maßnahmen im Vorfeld einer Gefahr werden folglich ausgeschlossen.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass ich ebenso wie mein Kollege Herbert Mertin den Vorschlag der Länder Bayern, Baden-Württemberg und des Saarlandes ablehne, Postboten, Briefträger oder Schornsteinfeger

(Beifall bei SPD und FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

quasi als zivile Hilfssheriffs bei der Bekämpfung von Schwerstkriminalität mit einzubeziehen.

Frau Grützmacher, vielleicht reden Sie etwas lauter, damit ich Sie verstehen kann.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die andern haben es verstanden!)

Das ist besonders höflich.

Unsere Polizei ist auch für solche Maßnahmen bestens ausgebildet und hat in der Vergangenheit ihre diesbezüglichen Aufgaben hervorragend gelöst. Im Übrigen halte ich es für unverantwortlich, überhaupt auf den

Gedanken zu kommen, Bürgerinnen und Bürger solch gefährlichen Situationen aussetzen zu wollen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Des Weiteren soll künftig die Telekommunikationsüberwachung durch richterliche Anordnung zu präventiven Zwecken ermöglicht werden. Straftaten werden heute oftmals mittels neuer Kommunikationstechnologien geplant und vorbereitet. Die Telekommunikationsüberwachung ist ein angemessenes und in vielen Fällen auch das einzige Mittel, um schwer wiegende Straftaten verhindern und die Bevölkerung beispielsweise vor terroristischen Anschlägen schützen zu können.

Ein wichtiger Anwendungsfall dieser Vorschrift ist zudem die Suche nach Suizidgefährdeten und sonstigen Pers onen, die sich in hilfloser Lage befinden, um deren Aufenthaltsort zu ermitteln.

Die so genannte Rasterfahndung, die in der jüngeren Vergangenheit als Maßnahme zur Aufdeckung verdeckt operierender internationaler Terroristen genutzt wird, wird auf die vorbeugende Bekämpfung von besonders schwerwiegenden Straftaten ausgedehnt. Im Interesse des Datenschutzes soll eine bereichsspezifische Unterrichtungspflicht bei verdeckter Datenerhebung aufgenommen werden. Damit werden die Betroffenen in die Lage versetzt, eigene Rechte, wie beispielsweise Auskunfts- und Berichtigungsansprüche, geltend machen zu können.

Neu aufgenommen sind in den Entwurf Regelungen zum besonderen Schutz von Amts- und Berufsgeheimnissen entsprechend der Strafprozessordnung. So bestehen unter anderem Auskunftsverweigerungsrechte sowie einschränkende Regelungen bei der Erhebung von personenbezogenen Daten.

Wichtig ist es mir, darauf hinzuweisen, dass eine Bestimmung über die Evaluation polizeilicher Befugnisse eingeführt wird. Die Landesregierung hat danach dem Landtag fünf Jahre nach In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes über die Wirksamkeit der Maßnahmen, der Sicht- und Anhaltekontrollen im öffentlichen Verkehrsraum, des so genannten Großen Lauschangriffs, der Telekommunikationsüberwachung und der so genannten Rasterfahndung, zu berichten. Damit ist gewährleistet, dass auch der Gesetzgeber unmittelbar über die Erfahrungen der praktischen Anwendung der Vorschriften unterrichtet wird und gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle Nachbesserungen erfolgen können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Mit der Novellierung des Gesetzes werden Normen und klare Rechtsgrundlagen geschaffen, die die Rechtssicherheit für die Polizei und die allgemeinen Ordnungsbehörden erhöhen werden. Damit wird ein wichtiger und notwendiger Beitrag geleistet, um in der Zukunft unsere Bürgerinnen und Bürger noch effektiver vor Gefahren zu schützen und Straftaten zu verhüten.

Der Gesetzentwurf ist darüber hinaus ein wichtiger Baustein, um das hohe Niveau der rheinland-pfälzischen Sicherheitspolitik weiter zu verbessern.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass der Gesetzentwurf nach einer intensiven Beratung im Plenum und in den Ausschüssen eine breite Mehrheit findet; denn nach meiner Überzeugung macht dieses Gesetz deutlich, Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Lammert das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über den vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung zum Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG). Es hat sehr lange gedauert, bis dieser Gesetzentwurf vorgelegt wurde. Seit nunmehr über zwei Jahren sprechen wir in diesem hohen Hause und in der Öffentlichkeit darüber. Jetzt endlich, nach langen Forderungen und Nachfragen vonseiten der Opposition und der Gewerkschaften der Polizei, können wir in die parlamentarischen Beratungen gehen und den Gesetzentwurf erörtern.

Im Übrigen sind viele Änderungsanträge vonseiten der CDU und auch vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer wieder in der Hoffnung zurückgestellt worden, bald über den kompletten Gesetzentwurf sprechen zu können.

(Vizepräsident Creutzmann übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDU sieht das POG als wichtiges Handwerkszeug für die Arbeit unserer Polizei an. Es trägt dazu bei, viele Rechtsuns icherheiten für die Polizisten im Dienst zu beseitigen.