Meine Damen und Herren, schenkt man der Berichterstattung in den letzten Tagen Glauben, so soll dieses Modell die leeren Kassen der Gemeinden und Städte um immerhin rund 3,9 Milliarden Euro aufbessern. Man könnte meinen, ein wahrer Geldsegen, der die Kassen der Kommunen bald wieder kräftig klingeln lässt. Dies suggerieren auch die rheinland-pfälzischen GRÜNEN, die das Kind lediglich anders nennen, aber trotzdem dasselbe meinen. Eine so genannte kommunale Betriebssteuer, die von allen Unternehmen einer Gemeinde oder Stadt zu zahlen ist, soll den Rubel wieder rollen lassen. Darunter ist allerdings nichts anderes als eine erweiterte Gewerbesteuer zu verstehen, in die analog dem Modell der kommunalen Spitzenverbände auch Freiberufler mit einbezogen und die Bemessungsgrundlage erweitert werden sollen.
(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unter Anrechnung auf die Einkommensteuer! Das muss man dazusagen!)
Das ist nicht unsere Intention. Ich werde aber Gelegenheit haben, in der zweiten Runde noch einmal auf die Eckpunkte hinzuweisen, bei denen wir eine Vorgehensweise sehen, dass unsere Kommunen in Zukunft mit einer Finanzausstattung versehen werden, die weites tgehend konjunkturunabhängig ist.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzte Gemeindefinanzreform hat es in Deutschland im Jahr 1969 gegeben. Das war übrigens die letzte gemeinsame Großtat der großen Koalition. Sie ist reformbedürftig; denn wesentliche Eckdaten haben sich verändert.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Gewerbesteuer keineswegs in dem Umfang eingebrochen ist, worauf der Herr Kollege Itzek zu Recht verwiesen hat, wie es landläufig kommuniziert wird.
Sie ist in den 90er-Jahren mit einer einzigen Ausnahme kontinuierlich angewachsen. Wenn ich einmal die Sonderentwicklung des Jahres 1995 außen vor lasse, als sie von 22 Milliarden auf 31 Milliarden angestiegen ist, um im nächsten Jahr dann wieder auf 23 Milliarden zurückzugehen – das lasse ich einmal außen vor –, wenn man also die Werte mittelt, kann man feststellen, dass die Gewerbesteuer in den 90er-Jahren kontinuierlich gewachsen ist.
Einen signifikanten Rückgang hatten wir im Jahr 2001 um 9 % und im Jahr 2002 um weitere 4 %. Die genauen Zahlen sind 9,2 % und 4,3 %.
Dafür wird überwiegend die Unternehmensteuerreform, die wir im Jahr 2000 gemacht haben, verantwortlich gemacht. Meine Damen und Herren, das ist falsch. Die Unternehmensteuerreform des Jahres 2000 hat die Gewerbesteuer unangetastet gelassen. Ich erwähne das nur, damit wir, was die Fakten angeht, auf einem sauberen Feld miteinander argumentieren.
Der Antrag für die Aktuelle Stunde heute lautet: „Haltung der Landesregierung zur Reform der Besteuerungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer“. Meine Damen und Herren, das ist ein Teilaspekt des Ganzen, worum es bei der Gemeindefinanzreform geht.
Bei der Gemeindefinanzreform geht es nicht nur um Gewerbesteuer, ihre Abschaffung oder ihre Revitalisierung. Das ist nur ein Teilaspekt. Ein ebenso wichtiges zweites Standbein ist die Änderung bei Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe so, wie es in einer zweiten Kommission auch herausgearbeitet wurde.
(Beifall bei der SPD – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Darüber wollen wir aber heute nicht reden!)
Insoweit springt der Antrag zu kurz. Es ist aber deutlich, worauf er hinausläuft. Man will einmal schauen, wie man sich in dieser Regierung von SPD und FDP in dieser empfindlichen Frage, nämlich der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, wird verständigen können.
Ein berechtigtes Anliegen. Es ist interessant, was dazu bereits gesagt worden ist. Ich möchte es nicht wiederholen, möchte nur eines deutlich machen: Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, das heißt, auch die Einbeziehung der Freiberufler,
ist sowohl im Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände als auch in dem Modell des Bundesverbandes der Deutschen Industrie/Verband der Chemischen Industrie (BDI/VCI) vorgesehen.
Es ist in beiden vorgesehen. Ich kann nachvollziehen, dass sich Herr Kollege Jullien darum gedrückt hat.
Es ist nicht so, als sei es eine Position der CDU, zu sagen, nur keine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, und dann die Tränen für den Mittelstand. Reden Sie einmal mit Frau Roth.
Reden Sie einmal mit den Vertretern aus Hamburg, reden Sie einmal mit der hessischen Landesregierung.
Die hessische Landesregierung ist mit der Hinzurechnung der gewinnunabhängigen Elemente noch erheblich weiter gegangen als das, was das Konzept der kommunalen Spitzenverbände vorsieht.
Natürlich ist es so, dass die Gewerbesteuer immerhin neben der Beteiligung der Kommunen an der Einkommensteuer die zweitstärkste Einnahmenquelle ist.
Das Konzept der Wirtschaft, also des Bundesverbandes der Deutschen Industrie/Verband der Chemischen Industrie, hat in der Kommission zur Diskussion gestanden, auch in der Arbeitsgruppe, in der wir als rheinlandpfälzische Landesregierung vertreten waren. Meine Damen und Herren, wir müssen natürlich darauf Acht geben, dass nicht Verwerfungen hinsichtlich des Steueraufkommens zwischen den Industrie- und Gewerbestandorten einerseits und den Schlafgemeinden andererseits eintreten. (Beifall bei der SPD)
Das ist dann möglicherweise im Durchschnitt eine vernünftige kommunale Steuerentwicklung, die aber zulasten der Wirtschaftsstandortgemeinden in unserem Land, insbesondere zulasten Ludwigshafens, geht und zugunsten der Wohnstandorte ringsherum im Speckgürtel, oder wie immer man es nennen mag.
Wir brauchen – das sieht man auch, wenn man die rheinland-pfälzische Statistik hinsichtlich der Fehlbeträge der kommunalen Haushalte ansieht – eine Gewerbesteuerreform, die die großen Städte in den Mittelpunkt stellt; die zuallererst. Nun stellt sich die Frage, wie das insgesamt weitergeht. Ich will auf das, was von Herrn Jullien zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen gesagt wurde, nicht eingehen. Das ist doch Quatsch.
(Itzek, SPD: Kleine zahlen doch sowieso keine Gewerbesteuer! – Jullien, CDU: Das ist ein Schlag in das Gesicht!)
Das stimmt doch gar nicht. Die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe zahlen doch überwiegend gar keine mehr. Das ist auch gut so.
Soweit sie sie zahlen, und soweit sie als Personenunternehmen oder als Einzelunternehmen organisiert oder rechtlich verfaßt sind, haben sie seit der Unternehmensteuerreform, die seit 2001 in Kraft ist, die Möglichkeit der Verrechnung mit der Einkommensteuer.
Meine Damen und Herren, es gibt zurzeit keinen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Bundesfinanzminister Eichel hat aber angekündigt, dass er einen solchen im Lauf des August vorlegen werde. Wichtig ist – deswegen ist es auch richtig, dass der bayerische Antrag auf Einrichtung eines Sofortprogramms für das Jahr 2004 keine Mehrheit gefunden hat –, den Druck hinsichtlich des Reformbedarfs nicht wegzunehmen und vor allen Dingen der bayerischen Landesregierung auch nicht die Chance zu geben, sich über ihren eigenen Landtagswahltermin mit Verzicht auf eigene Vorschläge hinwegmogeln zu können. Das wollen wir nicht. Es muss dann schon Farbe bekannt werden.
Wir brauchen die Reform nicht nur der Gewerbesteuer, sondern auch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Wir brauchen darüber hinaus die Ausgestaltung der Gewerbesteuer als eine Wertschöpfungssteuer – oder wie auch immer man sie nennt –, eine wirtschaftsbezogene Steuer, die möglichst stetig ist und mit einem eigenen Hebesatzrecht der Kommunen versehen ist, weil dies nämlich die kommunale Verantwortung für die Wirtschaft vor Ort stärkt.
Wir brauchen also eine Ausgestaltung, die das Interessenband zwischen den Kommunen und der ortsansässi
gen Wirtschaft stärkt. Wir brauchen ferner eine Verabschiedung noch in diesem Jahr mit dem In-Kraft-Treten 1. Januar 2004. Sie können ganz sicher sein, dass wir uns in der Mainzer Koalition bei allen Unterschieden, die wir in Grundsatzfragen haben mögen, im Interesse der Schaffung einer wirksamen Unterstützung für die Gemeinden, die nicht nur für die Kommunen, sondern auch für die Wirtschaft berechenbar ist, verständigen werden. Sobald der Gesetzentwurf vorliegt, werden wir das tun.