Protocol of the Session on June 21, 2001

Wissen Sie, ich bin länger in Stadträten und Verbandsgemeinderäten, als Sie jemals sein können.

(Dr. Weiland, CDU: Das glaube ich nicht!)

Das liegt einfach daran, dass Sie ein bisschen jünger sind als ich.

Ich wollte noch einen Satz zu der Frage von Herrn Dr. Braun sagen. Bei der Frage des Exports hat Herr Creutzmann deutlich gemacht, dass das Handwerk natürlich nicht der klassische Exportbereich ist. Wenn in dem Bereich Sprünge von 3,7 % auf über 10 % zu verzeichnen sind, ist das ein Qualitätsnachweis des rheinland-pfälzischen Handwerks von besonderer Größenordnung.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Herr Dr. Braun, damit wir bestimmte Dinge nicht verwechseln, sage ich nachrichtlich, dass in den vergangenen drei Jahren aus dem IMM 15 Unternehmen mit über 100 Beschäftigen gegründet worden sind. Ich will nicht sagen, dass dort alles in Ordnung ist. Das ist aber ein Datum besonderer Größenordnung.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist schon ein Fortschritt, wenn Sie das auch merken!)

Meine Damen und Herren, ich will zunächst etwas zum Antrag der Fraktionen der SPD und FDP sagen. Der Antrag ist ein Jahr alt. Deshalb kann also nichts abgefeiert werden. Vor einem Jahr waren die Wahlen bekanntlich noch ein Stück weit weg. Dann kann man nicht sagen, dass heute die Regierung abgefeiert werden sollte.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Deshalb ist das alles ein wenig weit hergeholt und belegt die Schwäche bzw. Stärke der Argumente.

Dennoch ist es wichtig, dass der Antrag zum heutigen Zeitpunkt beraten wird. Es ist auch wichtig, dass er sehr intensiv in den Ausschüssen beraten wird, weil es darum geht, wie sich der rheinland-pfälzische Mittelstand in der Europäischen Union positioniert und welchen Regelungen er unterworfen ist. Das fängt bei der Sprache der Ausschreibungen an und hört in anderen Bereichen auf. Die Europäische Union hat eigene Gesetze. Wettbewerbsmäßig sind diese Gesetze übrigens in Ordnung. Wenn man eine völlig andere Ausschreibungssprache wählt, kann das bedeuten, dass unter Umständen uns ere Kommunen auch in anderen Sprachen ausschreiben müssen. Deshalb ist es wichtig, dass hierüber eine breite Diskussion geführt wird.

Ich war schon ein wenig überrascht – Herr Schwarz hat es problematisiert –, als von der Zwangsberatung gesprochen worden ist. Das passt eigentlich nicht in eine liberale Wirtschaftsordnung.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen fünf Jahren wurden in Rheinland-Pfalz über 150.000 Gewerbebetriebe gegründet. Dank unserer Existenzgründer liegt Rheinland-Pfalz mit 76 Neuerrichtungen je 10.000 Einwohnern im Jahr 2000 über dem Bundesdurchschnitt. Damit nimmt das Land einen Spitzenplatz vor den klassischen Ländern wie beispielsweise Baden-Württemberg mit 69 Existenzgründungen je 10.000 Einwohnern ein.

In Rheinland-Pfalz konnte dadurch die Selbstständigenquote seit dem Jahr 1996 von 9,3 % auf jenseits von

10 % gesteigert werden und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt. Seit dem Jahr 1996 hat sich die Zahl der Selbstständigen in Rheinland-Pfalz um fast 25.000 erhöht.

Trotz dieser Erfolgsmeldungen gilt, dass wir unser Augenmerk nicht nur auf die Anzahl der Unternehmen richten werden, die wir in den Markt hineinbringen, sondern auch auf die Überlebensfähigkeit dieser Unternehmen. Wir müssen sie dabei entsprechend unterstützen, damit sie sich auf dem Markt behaupten können.

In diesem Zusammenhang ist das Beratungsprogramm für Existenzgründer des Landes ein überaus erfolgreiches Angebot, dass von 1997 bis 2000 von über 1.000 Personen in Anspruch genommen worden ist. Das zeigt gleichzeitig die hohe Effizienz und ausgezeichnete Akzeptanz. Darüber hinaus können Existenzgründer den Beratungsdienst der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz in Anspruch nehmen und bei wirtschaftlichen Problemen eine Beratungshilfe durch „runde Tische“ erhalten, die gemeinsam mit den Kammern und mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau eingerichtet worden sind.

Die Landesregierung hält eine Zwangsberatung für Existenzgründer bei der Inanspruchnahme von finanziellen Existenzgründerhilfen für nicht opportun. Sie passen eben nicht in eine marktwirtschaftliche Ordnung hinein.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Wenn der Antrag von anderer Seite eingebracht worden wäre, hätte ich gesagt, dass das der Weg in die Planwirtschaft sei. Das will ich in dem Fall aber nicht sagen.

Bereits jetzt wird eine Beratung vor der Inanspruchnahme der Fördermittel vorausgesetzt. Wenn eine Beratung notwendig und nach dem Umfang der Förderung angemessen ist, müssen Existenzgründer in der Regel vor einer Technologieförderung Beratungsleistungen in Anspruch nehmen. Diese Praxis hat sich im Übrigen bewährt.

Derzeit wird erwogen, aus Mitteln des EU-Sozialfonds das Beratungsprogramm auch für das Coaching zu eröffnen, um so in der Gründungs- und Sicherungsphase den Unternehmen eine kontinuierliche fachliche Begleitung zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, bezüglich der zweiten Forderung des Antrags der CDU-Fraktion, dem Aufbau von Dienstleistungszentren für Existenzgründer und Jungunternehmer, stelle ich fest, dass zahlreiche Institutionen, die bei der Existenzgründung helfen können, bereits jetzt gut zusammenarbeiten. Um die Effizienz der Existenzgründungsinitiativen noch zu erhöhen, wird derzeit an einer Vernetzung der rund 70 Initiativen in Rheinland-Pfalz gearbeitet, deren Tätigkeitsbereiche dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau bekannt sind. Diese Initiativen zur Unterstützung von Existenzgründern sowie von kleinen und mittleren Betrieben sind von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Hochschulen, Technologiezentren, Kommunen und Wirtschaftsförderungsgesellschaften, aber auch von privaten Gesellschaften in

vielfältiger Weise gebildet worden, und sie werden weiter ausgebaut.

Die Einrichtung eines flächendeckenden Netzes von Innovations - und Gründerzentren im Land ist mit der Gründung des Technologiezentrums Kaiserslautern seit dem Jahr 1986 fester Bestandteil des Existenzgründerkonzepts der Landesregierung. Neben den Technologiezentren in den Oberzentren des Landes, an denen das Land zurzeit auch noch als Gesellschafter beteiligt ist, wurden in den vergangenen Jahren insbesondere auf Initiative von kommunalen Gebietskörperschaften, Sparkassen und privaten Investoren weitere Gründer-, Innovations- und Technologiezentren errichtet. Einschließlich der bereits im Bau bzw. im konkreten Planungsstadium befindlichen Vorhaben verfügt Rheinland-Pfalz inzwischen über ein Netz von 28 Gründer-, Innovations - und Technologiezentren.

Nun zu Punkt 3 des Antrags, der Forderung nach einzelbetrieblicher Technologieförderung: Neben der Infrastrukturförderung hat der Auf- und Ausbau der Forschungs - und Entwicklungskompetenzen in den Unternehmen eine besondere Bedeutung. Dies führt in den geförderten mittelständischen Unternehmen unter anderem zu einer Ausweitung der Produktprogramme auf neue Produktkategorien bzw. Produktgruppen. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen gestärkt. Deren Wettbewerbsfähigkeit hängt in hohem Maße von der Umsetzungsgeschwindigkeit technologischer Neuerungen auf den Märkten ab.

Neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sind in der Regel mit einem höheren Aufwand zur Einführung in den Markt verbunden. Daher ist es sinnvoll, nicht nur in der Forschungs - und Entwicklungsphase, sondern auch in der Markteinführungsphase die Unternehmen durch rückzahlbare Zuschüsse nachhaltig zu unterstützen. Darüber hinaus können bei Bedarf Komplementärmittel aus Wagnisskapital zum Einsatz gebracht werden.

Zu Punkt 4 des Antrags, der Forderung nach Beteiligungs - und Wagnisskapitalgesellschaften: Die Möglichkeit, die Finanzierung von Existenzgründern, jungen Unternehmen und Unternehmensnachfolgern mit Beteiligungskapital zu begleiten, ist bereits heute über die verschiedenen Venture-Kapital-Gesellschaften gegeben, die bei der ISB angesiedelt sind.

Sowohl bei den landesweit tätigen Venture-KapitalGesellschaften als auch bei den bisher gegründeten regionalen Venture-Kapital-Gesellschaften erlauben die Beteiligungsrichtlinien ein finanzielles Engagement bei Übertragungen im Rahmen einer betrieblichen Nachfolgeregelung. Dabei ist die Sicherung von Arbeitsplätzen immer die Zielsetzung.

Der im Antrag erhobenen Forderung, dass die Beteiligungsgesellschaft neben der Beteiligung auch die unternehmerische Führung übernehmen soll, kann die Landesregierung aus grundsätzlichen marktwirtschaftlichen Erwägungen nicht folgen.

Hochinteressant ist die Forderung, dass die Beteiligungsgesellschaft neben einer Beteiligung aus grund

sätzlichen Erwägungen heraus auch die unternehmerische Führung übernehmen soll.

(Creutzmann, FDP: Sozialistisch!)

Da würde sich Ludwig Erhard zweimal im Grab herumdrehen, wenn er das hören würde.

(Beifall der FDP – Dr. Schmitz, FDP: Dreimal!)

Wir haben in der letzten Zeit wiederholt Venture-KapitalGesellschaften unter der Patenschaft und Beteiligung der ISB gegründet. Herr Abgeordneter Schwarz, meine Damen und Herren, als Kapitalgeber habe ich immer die Genossenschaftsbanken und Sparkassen erlebt. Die Geschäftsbanken ziehen sich aus diesem Geschäft ganz zurück. Ich sage in aller Klarheit und Deutlichkeit: Das ist auch eine Sache, die nicht in Ordnung ist. Ich erwarte, dass sich auch die großen Geschäftsbanken daran beteiligen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Es kann nicht sein, dass man nur auf dem Kapitalmarkt seine Gewinne erwirtschaftet und den Mittelstand und das Gewerbe auf der Straße stehen lässt. Das ist keine gute Kreditpolitik. Im Übrigen hat man auch Geld an denen verdient, und zwar nicht zu wenig. Deshalb würde ich mir wünschen, dass sich die Geschäftsbanken endlich einen Ruck geben und mit einem deutlichen Datum in die Venture-Kapital-Gesellschaften einsteigen. Es sind lange Verhandlungen geführt worden, aber bisher ist wenig Bewegung zu verzeichnen.

Öffentliche Institutionen sollten sich nicht – auch nicht befristet – in eine unternehmerische Verantwortung begeben; denn ein Unternehmen kann nur dann erfolgreich geführt werden, wenn der Unternehmensnachfolger über ausreichende unternehmerische Qualitäten verfügt.

Nun zu Punkt 5 des Antrags, der Forderung nach einer mittelstandsfreundlichen Bankenlandschaft: Fremdfinanzierung ist ein fester Bestandteil der Unternehmenspolitik. Dabei sind die Kreditinstitute besonders gefragt. Die Beibehaltung der dreigliedrigen Bankenlandschaft ist die erklärte und praktizierte Politik der Landesregierung.

Gerade in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz ist die Versorgung der Bevölkerung, vor allem des Mittelstands, mit einem umfassenden Angebot an Finanzprodukten lebenswichtig. Wir bemühen uns daher um die Präsenz aller drei Bankengruppen. Wir erkennen jedoch zunehmend, dass die flächendeckende Versorgung vor allem von den Sparkassen und den genossenschaftlichen Kreditinstituten gewährleistet wird.

Mit dem Sparkassengesetz von 1999 haben wir einen wichtigen und richtigen Schritt zur Stärkung der Sparkassen im Wettbewerb geleistet. Dennoch steht in Kürze eine weitere Novelle des Sparkassengesetzes an. Der Grund dafür sind Zweifel an der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten.

Am Mittwoch vergangener Woche haben entscheidende Gespräche der deutschen Delegation unter Leitung des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Herrn Koch-Weser, stattgefunden, die von den Gesprächsteilnehmern insgesamt positiv bewertet worden sind. Mehr Klarheit über die Rahmenbedingungen für die öffentlichrechtlichen Kreditinstitute wird es aller Voraussicht nach jedoch nicht jetzt, sondern erst nach dem zweiten Gespräch am 17. Juli 2001 in Brüssel geben.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch ein Wort zu Basel II und dem Rating. Man muss wissen, dass dazu zunächst einmal ein Problem gehört, nämlich die Unterlegung durch Eigenkapital bei der Vergabe von Krediten. Das ist die Bankseite. Herr Dr. Braun, Sie wissen, da können die Länder wenig leisten.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will versuchen, Ihnen das breit zu erläutern. Die Länder können verständlicherweise zunächst einmal gut informieren. Einer der elementaren Punkte für die Kreditwürdigkeit nach Basel II wird, nachdem man dann alle Bestimmungen hat und alle Vorschriften kennt, eine gute Eigenkapitalausstattung der Unternehmen sein. Das ist völlig klar. Da muss man überlegen, wie ein Unternehmen Eigenkapital bilden kann. Wie kann man Eigenkapital schaffen?

Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob dann eine Steuerreform notwendig ist. Es bestehen keine Zweifel, dass die auf den Weg gebrachte Steuerreform richtig war. Herr Wirz, Sie müssen aber wissen, als Herr Merz und Frau Merkel über das Halbeinkünfteverfahren diskutiert haben, nämlich über Kapitaldienstleistungen, haben wir in Rheinland-Pfalz gehandelt und für den Mittelstand zunächst einmal zum ersten Mal die Anrechnung der Gewerbesteuer erreicht. Ferner wurde erreicht, dass der Spitzensteuersatz noch einmal im Jahr 2005 auf 42 Punkte abgesenkt wird und der halbe Steuersatz bei Betriebsveräußerungen wieder eingeführt wird.

(Beifall der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war natürlich nicht so lupenrein, wie wir das gern gehabt hätten. Wir müssen aber auch wissen, dass von 1989 bis 1998 aus unterschiedlichen Gründen keine Steuerreform auf den Weg gebracht werden konnte.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)