Protocol of the Session on February 20, 2003

Vielen anderen in diesem hohen Haus wird es nicht anders gegangen sein als mir: Ich bin von der ersten bis zur vierten Klasse in einem Klassenzimmer zusammen mit den anderen Mädchen und Jungen gewesen und anschließend von der fünften bis zur achten Klasse.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sollten wir Vergleiche nicht so strapazieren und so tun, als wären wir wieder ganz am Anfang, was eine ähnliche Bedeutung hätte, als wären wir ganz am Ende unserer Anstrengungen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Da ich den Vergleich ökonomisch eingeordnet habe, möchte ich ihm auch ökonomische und Arbeitsmarktdaten aus rheinland-pfälzischer Sicht entgegensetzen dürfen. Ohne uns herausheben zu wollen, können wir doch feststellen, dass Rheinland-Pfalz im letzten Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1 % verzeichnet hat. Der Bundesdurchschnitt lag bei 0,2 %. Dies ist das zweithöchste Wachstum der Länder in der Bundesrepublik Deutschland.

Wir können darüber hinaus feststellen, dass wir insgesamt in Deutschland – Rheinland-Pfalz hat Gott sei Dank seinen Anteil davon abbekommen – in den Jahren 1999 bis 2000 wiederum Direktinvestitionen in einer Größenordnung von über 40 Milliarden Euro verzeichnen konnten, nachdem in den Jahren 1995 bis 1997 bzw. 1998 im Schnitt 8 Milliarden Euro Direktinvestitionen nach Deutschland geflossen sind. Diese Punkte muss man ebenfalls zu einer vernünftigen Betrachtung hinzuziehen, um daran anknüpfen zu können und das Verstärkende daran genauso zu erkennen, wie man auch das Korrekturbedürftige sehen und erkennen muss, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Um nach Rheinland-Pfalz zurückzukehren, was die Daten anbelangt: Wir haben im Jahr 2002 eine Exportquote von 43,6 % und von bundesweit 39,2 % zu verzeichnen. Auch dort befinden wir uns in einer absoluten Spitzengruppe. Das spricht zumindest nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Dabei spreche ich nicht von der Wirtschaft generell. Ich weiß auch, dass man nicht den Mittelstand nennen kann, sondern dass es einer sehr differenzierten Betrachtung bedarf, um die notwendigen Handlungsfelder erkennen und überprüfen zu können, ob man handeln kann bzw. ob es Möglichkeiten gibt, dass die rheinland-pfälzische Politik positiv Einfluss nimmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auch deshalb darauf verweisen dürfen, was keine Selbstverständlichkeit ist, damit die Menschen Arbeit und eine Perspektive als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin oder als Selbstständige haben. Darauf gründet

sich doch die ganze arbeitsteilige Wirtschaft. Wenn wir bei bedrückenden Arbeitslosenzahlen insgesamt noch verzeichnen können, dass wir mit einem Jahresschnitt von 8,3 % gegenüber 8,8 % im Bund – nur die Westländer gerechnet, ich mache es mir gar nicht leicht, sonst wäre die Differenz noch viel größer – deutlich auf der guten Seite und in der Spitzengruppe liegen, sage Ich dies nicht, um sich darauf auszuruhen, sondern ich fordere zu Anstrengungen von uns allen auf. Man darf dies aber nicht einfach außen vor lassen und ein Szenario malen, als wäre das Land Rheinland-Pfalz am allerletzten Ende der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Das Gegenteil ist richtig. Ich rate Ihnen, das nachzulesen, – – –

(Bracht, CDU: Das, was der Rechnungs- hof geschrieben hat!)

Sehen Sie, man soll nie Zwischenrufe machen, bevor es zu Ende ist, was der andere zu sagen hat. Das geht oft daneben, Herr Kollege Bracht. Ich rede nämlich von der „WirtschaftsWoche“ und von „FOCUS-MONEY“ und deren Veröffentlichungen über eine Reihe von Parametern, die sich mit Wirtschaftsfreundlichkeit auseinander setzen. Sie werden zugeben, dass beide Chefredakteure dort nicht verdächtig sind, zu Linksabweichlern in der Sozialdemokratie gezählt zu werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Schauen Sie sich diese Daten an. Dabei sage ich nicht, dass die besondere Wirtschaftsfreundlichkeit, die uns mit ganz vorn zeigt, ein Punkt ist, an dem man sagen kann: Na, dann ist alles prima! – Natürlich müssen wir trotzdem handeln. Wir müssen dies aber auch sagen dürfen. Wir wollen uns nicht selbst schlecht- und in den Orkus hineinreden. Das werde ich auf jeden Fall unwidersprochen nicht akzeptieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich sage auch zur Rolle des Landes Rheinland-Pfalz, es ist doch kein Zufall, dass dieses Land stärker als die meisten anderen Bundesländer wächst. Das hat etwas mit Zuzug zu tun. Ich lasse mir auch heute in dieser Debatte nicht einreden, dass dies gegen RheinlandPfalz spricht.

Die „Rheinpfalz“ hat am 17. Januar 2003 getitelt: „Die Südpfalz gedeiht – in Karlsruhe herrscht Stagnation“. Ich sage dies nicht mit Häme gegenüber dem Karlsruher Raum, mit dem wir zusammenarbeiten wollen und den wir natürlich auch für die Gesamtentwicklung in unserem Land so brauchen, wie wir den Ballungsraum Rhein/Main brauchen, den Ballungsraum Ludwigshafen/Mannheim/Heidelberg, so, wie wir die Kontakte nach Bonn und Köln brauchen, die Kontakte von Trier aus nach Luxemburg und so weiter. Es ist aber doch nicht so, dass wir uns dessen schämen müssen, sondern offensichtlich ist es gelungen, den Menschen ein Angebot zu machen. Unsere Rahmenbedingungen können nicht so falsch gewesen sein. Man sagt vielmehr, es lohnt sich, in diese Nachbarregion zu gehen. Es lohnt sich, in Rheinland-Pfalz zu investieren und als junge Familie hier zu leben, zu investieren und seine Kinder großzuziehen, weil gute schulische Bedingungen vor

handen sind, auch gute Bedingungen hinsichtlich der Betreuung über den Schulbereich hinaus. Das ist eine Realität; dies muss auch gesagt werden dürfen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wenn wir uns der Betrachtung der Entwicklung der Arbeitslosendaten genauer zuwenden, dann wissen wir, dass die Zuwächse, die wir in Rheinland-Pfalz verzeichnen mussten, deutlich niedriger als im Bundesdurchschnitt waren, deutlich niedriger auch im Übrigen in Ländern, die ansonsten als die prosperierenden deutschen Länder gelten können, nämlich BadenWürttemberg, Bayern und auch Hessen. Ich rede von den Zuwachsraten.

Dies zeugt davon, dass wir in unserer Wirtschaftsstruktur offensichtlich stabilisierende Elemente haben. Dies müssen wir erkennen, um diese stabilisierenden Elemente auch zu stärken. Deshalb ist und bleibt es richtig, wir werden aus der Sicht dieses Landes eine mittelstandsfreundliche Politik machen. Das ist eine Stärke dieses Landes, die wir weiter entwickeln und weiter ausbauen wollen. Daran kann es überhaupt keine Zweifel geben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Herr Kollege Böhr hat einige Beispiele angesprochen, die symptomatisch für Hemmnisse sind, mit denen wir uns auseinander zu setzen haben. Da hat er Recht. Ich sage noch einmal, dass über die steuerliche und abgabenrechtliche Seite geredet werden muss. Es muss aber natürlich auch über Investitionsfreundlichkeit gesprochen werden. Dabei geht es um Vorschriften und um eine überzogene Regelungsdichte, die wir haben. Die Landesregierung ist in Vorbereitung – ich lade Sie herzlich dazu ein mitzuwirken – zu versuchen, diesen Dschungel – ich bin einmal vorsichtig – zu lichten. Wir haben es vor fünf Jahren schon einmal gemacht. Ich bin vorsichtig, weil ich weiß, wie schwer dies ist.

Meine Damen und Herren, es ist leicht gefordert, ein Gesetz zu machen, das Standards verändert. Dies ist leicht gefordert. Man kann zunächst einmal die zwei oder drei Streitpunkte wegnehmen. Die einen sagen, die Betriebsräte oder Personalräte müssen zusammengestutzt werden. Die anderen sagen, die Frauenbeauftragten müssen gestrichen werden. Dann sind wir aber schon am Ende der Vorschläge, die ohne Weiteres zu machen sind, die mit uns im Übrigen nicht zu machen sind, die man aber einmal ohne Weiteres so formulieren kann. (Dr. Weiland, CDU: Das haben wir nicht vorgeschlagen!)

Ja, Sie nicht, aber von den Kommunen wird es vorgeschlagen. Das liegt mir schriftlich vor.

(Dr. Weiland, CDU: Aber von uns nicht!)

Ich rede nicht von Ihnen, sondern von dem, was an Vorschlägen auf dem Tisch liegt.

Wir bemühen uns darum. Ich glaube, dass es im Sinne dessen, was die Kollegen Böhr und Mertes gesagt ha

ben, richtig ist, dass wir tiefer schauen müssen als auf solche Dinge, die sich an der Oberfläche abspielen. Wir müssen schauen, wie wir Regelungsdichten so verändern, dass Eigendynamik erleichtert und nicht erschwert wird.

Herr Kollege Böhr, Sie haben ein Beispiel mit der Straße angeführt. Ich habe es nachgeschaut. So ist das Leben. Es ist ein Gesetz aus dem Jahr 1977, übrigens ein Landesgesetz. Es ist bis dato unverändert. Ich sage dies nicht als Retourkutsche, sondern es ist so. Es ist eingebürgert. Wir alle haben nicht genug gefragt, ob das, was für eine Straße über das freie Feld oder durch einen Wald gerechtfertigt ist, für eine innerörtliche qualifizierte Straße auch notwendig ist. Da müssen wir schauen und darangehen.

Herr Dr. Braun, Sie schütteln schon wieder den Kopf. Genau das ist der Punkt. Wenn einer irgendwo im Vorgarten des anderen angekommen ist, dann gehen die Schranken zu, und dann geht nichts mehr. Genauso kommen wir nicht weiter.

(Beifall der SPD und der FDP – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Denken Sie einmal an Ihre Schranken im Kopf, Herr Ministerpräs ident!)

Ich möchte Ihnen signalisieren, dass ich das Türchen zu unserem Vorgarten aufmachen möchte. Wenn man im Vorgarten des anderen ist, muss man aufpassen, dass man nicht seine Blumen und Blüten zertrampelt, sonst darf man in Zukunft nicht mehr hinein. Das muss gegenseitig gelten.

Wenn wir uns dies vornehmen, hätten wir bei aller Unterschiedlichkeit, die noch groß genug ist, eine Chance, einen wirklich großen Schritt zur Entbürokratisierung in diesem Land zu gehen. Ich lade herzlich dazu ein. Wir werden Vorschläge machen und sie Ihnen zur Begutachtung vorlegen. Ich freue mich darüber, wenn zusätzliche oder andere Ideen kommen oder wenn Sie sagen, es geht aus diesem Grund nicht, wenn man also nicht insgesamt nur eine Verweigerungshaltung miteinander produziert.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich sage Ihnen auch, mir geht es ganz schön auf den Keks – entschuldigen Sie die etwas flapsige Formulierung –, wenn ich erlebe, dass ein Kampf, den ich jetzt seit Jahren führe, nicht erfolgreich ist, nämlich ehemalige Munitionsbunker, Betonbunker nicht zu zertrümmern und einen Haufen Geld dafür aufzuwenden, sondern sie schlicht und einfach zuzudecken, zu bewalden oder zu bebuschen und damit zu leben. Nein, es ist bisher nicht hinzubekommen. Ich bekomme es nicht fertig. Ich bekomme es gegen die eigene Verwaltung nicht durch.

(Billen, CDU: Dann wird es aber Zeit!)

Nein, das ist so. Herr Billen, wir können so miteinander umgehen. Ich möchte Ihnen aber nur sagen, wie die Realitäten sind. Es stehen Gesetze entgegen. Ich kann

nicht dem remonstrierenden Beamten sagen, wenn er gesetzlich Recht hat, dass er es trotzdem machen soll.

(Billen, CDU: Dann ändern wir die Gesetze! Dann müssen wir es ändern!)

Ich bin doch dafür, dass wir es machen. Deshalb lade ich doch gerade dazu ein.

Meine Damen und Herren, wir erleben jetzt, dass diese Bunker, die zerbröselt und in Brocken geschlagen werden, auch noch zum Abfall erklärt werden. Wenn sie zerbrochen sind, dann ist es kein Beton mehr, sondern Abfall, und dieser muss noch beseitigt werden. Dann muss ich sagen, wir müssen wirklich aufpassen, dass wir uns nicht vor uns selbst lächerlich machen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Schmitt, CDU)

Lieber Herr Kollege Schmitt, deshalb habe ich das Beispiel gesagt. Wenn ich es nicht gesagt hätte und wenn Ihr Beifall oder zumindest Ihre erkennbare Zustimmung nicht so gekommen wäre, dann hätte ich so sicher wie das Amen in der Kirche morgen oder übermorgen eine Kleine Anfrage am Hals gehabt, wieso ich dazu komme, gegen eine rechtliche Regelung in diesem Land zu verstoßen. Das wäre so sicher wie das Amen in der Kirche gewesen.

(Beifall der SPD – Billen, CDU: Das ist doch gar nicht wahr! – Dr. Weiland, CDU: Wer ist an der Regierung? Machen Sie einmal etwas!)

Ich merke, dass dieser Ton offensichtlich in diesem Hause noch lange nicht auf eine reife und verantwortungsvolle Verständnislandschaft stößt. Anders kann ich Ihre Reaktionen, die Sie darauf folgen lassen, nicht erklären. (Dr. Weiland, CDU: Wir fordern Sie doch auf, dies umzusetzen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu einer zweiten Betrachtung kommen, die etwas mit der Analyse und einer realistischen Betrachtung zu tun hat. Als weiland – nein, nicht Dr. Weiland – die CDU in diesem Land reagiert hat, hatten wir eine entsprechende Situation.

(Dr. Weiland, CDU: Das ist ein guter Zusammenhang, Herr Ministerpräsident!)

Ich fürchte, solange Sie so Politik machen, werden Sie dafür sorgen, dass ich noch lange von weiland reden kann.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP – Dr. Weiland, CDU: Das sehen wir noch! – Zuruf des Abg. Billen, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)