Laut UN müssen wir in Deutschland ohne Zuwanderung im Jahr 2050 das Pensionsalter auf 75 Jahre anheben.
Dann erlauben wir uns eine Diskussion, als ob Zuwanderung das Schlimmste wäre, was uns in diesem Land passieren könnte. Ich verstehe es wirklich nicht.
Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Herr Redmer einige sachliche Dinge einmal sehr deutlich klargestellt hat, die Herr Schnabel in einer sehr unsachlichen Form und, ohne sich überhaupt mit dem Inhalt des Gesetzes zu beschäftigen, sehr polemisch dargestellt hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mertes, SPD: Das ist wirklich wahr! Da hat er es sich sehr leicht gemacht!)
Ich will das jetzt auch nicht wiederholen. Dann komme ich auch noch auf das Thema der heutigen Aktuellen Stunde zu sprechen. Ich will aber nur noch eine Sache zu dem sagen, was Sie gesagt haben, Herr Schnabel. Man kann gar nicht alles geradestellen, was Sie hier schief dargestellt haben.
Herr Schnabel, Sie und die CDU haben noch gar nicht verstanden, dass Zuwanderung auch jetzt stattfindet. Natürlich ist es so, dass jedes Jahr rund 300.000 Menschen regulär, ganz ordentlich und auch, um hier zu arbeiten, nach Deutschland kommen. Das Problem ist aber, dass das Ganze sozusagen manchmal sehr wildwüchsig passiert. Das Gesetz über die Zuwanderung, das wir jetzt auf der Bundesebene haben und das jetzt wieder eingebracht wird, soll gerade die Zuwanderung transparent machen und auch steuern, damit wir wissen und auch steuern können, wer hier herein kommt. Das ist ein gutes Recht einer Zuwanderungsgesellschaft, dass sie da auch bestimmte Kriterien aufstellt. Wir wollen vielleicht ein paar andere als andere, aber immerhin wollen auch wir Kriterien aufstellen.
Das Zweite ist, es soll für die Menschen, die zu uns kommen wollen, dadurch auch transparent werden, damit sie wissen, auf was sie sich einlassen, ob sie wirklich kommen wollen und hier in die Arbeitslosigkeit gehen wollen. Das werden sich dann vielleicht auch manche Menschen überlegen. Das sind ganz wichtige Punkte, die in diesem Gesetz geregelt werden sollen. Darum ist es höchste Zeit, dass sich die Union hier endlich auch einmal ganz deutlich dazu bekennt, dass sie Zuwanderung auch unterstützt.
Jetzt komme ich aber zu dem Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Es geht darum, dass die FDP dieses Mal – eigentlich zum x-ten Mal – wieder einen Gesetzentwurf zum Zuwanderungsgesetz recycelt. Sie will damit ihre Illusion, die Unionsblockadehaltung im Bundesrat überwinden zu können, aufrechterhalten. Ich meine, wir haben gerade schon sehr deutlich gesehen, dass das wahrlich eine Illusion ist. Sie möchten aber nun sehr gern diese Rolle als Weltkind in der Mitte spielen.
Meine Damen und Herren von der FDP, ich sage Ihnen aber, dieses Kalkül wird nicht aufgehen. Es kann schon deswegen nicht aufgehen, weil es ein FDP-Vorschlag ist. Es ist nicht ein Vorschlag, den die Landesregierungen zum Beispiel in Baden-Württemberg, in Hamburg, in Sachsen unterstützen. Es gibt schon viele Bundesländer, aus denen heraus die FDP das vorgeschlagen hat, die diese Sachen gar nicht unterstützen.
Meine Damen und Herren, was die FDP hier abzieht, ist deswegen eine Shownummer und nützt der Diskussion im Moment wirklich nicht. Leider ist die Debatte total ideologisiert. Es geht nicht um die Sache. Es geht um Stillstand und Blockade. Das sind die politischen Instrumente der Stunde, besonders natürlich auf Seiten der Konservativen.
Meine Damen und Herren von der CDU, es ist aber doch endlich ein Konsens in unserer Gesellschaft, dass wir alle sagen: Ja, Zuwanderung findet statt. – Auch die CDU bejaht in bestimmten Fällen Zuwanderung und Migration, allerdings nur für eine bestimmte Gruppe. So sprach sich gestern der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Bosbach, ganz eindeutig gegen Zuzugsbeschränkungen bei Zuwanderung aus. Allerdings meinte er damit natürlich nur eine bestimmte
Gruppe von Migrantinnen, nämlich diejenigen, die aus der Ex-Sowjetunion kommen und die hier bei uns natürlich die gleichen Probleme, die gleichen Chancen und die gleichen Behandlungen erfordern wie andere Migranten und Migrantinnen, die aus anderen Ländern kommen. (Schnabel, CDU: Aussiedler oder?)
Wir sollten endlich auch deutlich sagen, dass auch die Leute, die aus der Ex-Sowjetunion kommen, hier bei uns in der Integration mit den Migrantinnen und Migranten aus anderen Ländern gleichgestellt sind. Dieser Zuzug aus der Ex-Sowjetunion ist etwas, was die CDU auch unterstützt. Deswegen glaube ich, ist sie gegen Zuwanderung gar nicht so abgeneigt.
Für uns GRÜNE sind die Migrantinnen besonders wichtig oder die Flüchtlinge, die hierher kommen wollen, die sich in humanitären Zwangslagen befinden, dass wir hier Unterstützung geben.
Die FDP hat ihr altes/neues Konzept wieder ausgegraben, dass besonders die Upperclass, also die gut Ausgebildeten aus aller Welt hierher kommen sollen.
Meine Damen und Herren, alle haben bestimmte Vorstellungen, wen sie hier gern haben wollen oder nicht haben wollen. Aber alle wissen, dass wir darauf angewiesen sind, dass Menschen zu uns kommen. Deswegen sollten alle Fraktionen und alle Parteien über ihren Schatten springen und einen Kompromiss finden, der es möglich macht, Zuwanderung nach Deutschland zu steuern, und in eine moderne Integrationspolitik einsteigen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst will ich noch einmal daran erinnern, dass bekanntlich die rheinland-pfälzische Landesregierung mit den Stimmen unserer Kollegen der Freien Demokratischen Partei dem Zuwanderungsgesetz seine Zustimmung gegeben hat.
Ja, gut. Sie haben aber die FDP generell angesprochen. Deshalb wollte ich das ein Stück geraderücken.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist ein Einwanderungsland, das sich einzig unter den Einwanderungsländern dieser Welt bis zur Stunde den Luxus erlaubt, die Zuwanderung nicht nach seinen wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen und humanitären Gesichtspunkten zu steuern.
Der von meinem verstorbenen Kollegen Caesar und mir bereits im März 1997 vorgestellte Gesetzentwurf für ein Zuwanderungssteuerungs- und Integrationsgesetz hat zum ersten Mal in einer für die parlamentarische Beratung geeigneten Form festgestellt, dass Zuwanderung generell erwünscht und sogar geboten ist. Er hat weiter festgestellt, dass außerhalb des humanitären Bereichs Zuwanderung so gesteuert werden muss, dass sie uns eren Sozialsystemen nicht schadet, sondern nützt. Mit dem Gesetzentwurf sind dann einige Regeln aufgestellt worden, die erfreulicherweise heute in der politischen Diskussion zum Allgemeingut geworden sind. Der Entwurf hat also gewissermaßen wie Hefe, die Prozesse auslöst und antreibt, im Stillen, aber mit Erfolg im politischen Gärungsprozess gewirkt.
Wir dürfen darauf stolz sein, dass ein Teil des Gesetzentwurfs, der sich mit der Staatsbürgerschaft befasste, zwischenzeitlich verfasstes und unbestrittenes Recht geworden ist. Einige andere Ideen aus unserer Arbeit sind zwischenzeitlich oft unter anderen Begriffen auch zum juristisch formulierten Gemeingut geworden.
Lassen Sie mich an erster Stelle die Forderung nach verpflichtender Integration nennen. Die Tatsache, dass wir vor der Steuerung der Zuwanderung die Augen verschlossen hatten, hatte dazu geführt, dass wir zur Integration der bisherigen Zuwanderer zu wenig beigetragen haben. Umso höher ist die Integrationsleistung zu veranschlagen, die Millionen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger als Arbeitnehmer und Selbstständige unter uns und für unsere Gesellschaft erbracht haben.
Meine Damen und Herren, Integration ist jedoch keine Einbahnstraße. Integration ist für uns die Qualifizierung unserer Gesellschaft, die Sicherung unserer Sozials ysteme, unsere Innere Sicherheit. All das ist dringend notwendig. Sie ist ein Geben und ein Nehmen. Deshalb müssen wir verstärkte Anstrengungen in Form von Angeboten zur Integration machen. Deshalb sollte auch der, der bei uns mit uns leben will, sich aktiv, auch finanziell, an seiner Integration in unsere Gesellschaft beteiligen. Dies heißt aber auch, wer nicht willens oder fähig ist, sich in die auf den Grundwerten unserer Verfassung basierende Gesellschaft zu integrieren, der darf nicht zu uns kommen oder muss uns verlassen. Dabei sollten wir keinen Unterschied machen, ob jemand auf dem Weg der beruflichen Zuwanderung zu uns kommt oder ob er Aussiedler ist.
Über 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist es im Übrigen nach meinem persönlichen Dafürhalten nicht mehr einsehbar, dass die Aussiedler aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks ihre Vertriebeneneigenschaft nachweisen müssen, diese aber bei Aussiedlern aus der Sowjetunion unterstellt wird.
Ich nenne weitere grundsätzliche Punkte aus unserer Arbeit: den Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration, von uns Zuwanderungskommission genannt, die Koppelung der Genehmigungsverfahren für Zuzug und Arbeit, die Quotierung von Zuwanderung über ein Auswahlverfahren, Zuwanderung von Selbstständigen, aus deren Tätigkeit eine positive Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft zu erwarten ist, Ausschluss des Wechsels von Asylverfahren in das Zuwanderungsverfahren, finanzielle Beteiligung des Zuwanderers an den Kosten von Integrationsfördermaßnahmen, gestufte Aufenthaltsberechtigungen bis hin zum Anspruch auf Einbürgerung.
Diese grundsätzlichen Gedanken finden sich in allen weiteren Gesetzentwürfen und Anträgen, seien sie nun von der FDP-Bundestagsfraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder der Bundesregierung, wieder.
Meine Damen und Herren, die rheinland-pfälzische Hefe, die wissenschaftliche und ernsthafte politische Diskussion und die Erkenntnis, dass wir auf eine qualifizierte Zuwanderung angewiesen sind, haben bewirkt, dass sich die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien außerhalb von Wahlkampfzeiten im Wesentlichen über diese Grundsätze und auch die gesetzlichen Formulierungen für eine gesteuerte und begrenzte Zuwanderung einig sind.
Angesichts dieses gewaltigen Integrationsprozesses der politischen Meinungsbildung innerhalb der vergangenen fünf Jahre bleibe ich dennoch guter Hoffnung, dass bei der gebotenen und im Übrigen auch üblichen sachlichen Beratung – Ausnahmen bestätigen da die Regel – im Deutschen Bundesrat und seinen Ausschüssen eine Einigung in Detailfragen erzielt werden kann.
Ich bin auf jeden Fall auf die Beiträge der verschiedenen Bundesländer gespannt, besonders natürlich auf den des Landes Baden-Württemberg. Das ist klar. Rheinland-Pfalz wird jedenfalls versuchen, seine Vermittlerrolle wie bisher erfolgreich fortzusetzen. Hierfür wäre ich für die Unterstützung des ganzen Hauses dankbar.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich mich bei Herrn Minister Zuber für seine Rede bedanken, in der er noch einmal deutlich gemacht hat, dass wir in Rheinland-Pfalz sehr früh und als Erste in Deutschland uns dieses Problems angenommen haben. Inzwischen ist die Notwendigkeit eines Zuwande
rungsgesetzes Allgemeingut geworden. Ich denke, dass dies auch politisch richtig eingeschätzt werden soll. Wir sollten aufhören, uns kleinkariert Motive zu unterstellen, die eigentlich eher abträglich sind. Ich habe heute Morgen versucht, dies zu vermeiden. Das haben wir als FDP in Rheinland-Pfalz nicht nötig. Diese Untertöne, die herüberkamen, machen mich schon ein bisschen betroffen. Das gilt insbesondere für Frau Grützmacher, die sich gerade intensiv im Gespräch mit ihrer Fraktionsvorsitzenden befindet.
Es ist eigentlich schade, wenn wir uns auf dieses Niveau begeben. Ich will nicht noch einmal wiederholen, was Sie nicht mitbekommen haben. Aber Sie können es im Protokoll nachlesen. Es ist ein bisschen schade, weil wir wirklich eine Kultur der Zusammenarbeit brauchen. Wir haben auch die Chance in diesem Hause, gerade vor dem Hintergrund dieser guten Tradition in RheinlandPfalz, die Suche nach dem Konsens in den Vordergrund zu stellen.
Herr Kollege Schnabel hat sich da widersprüchlich geäußert. Er hat zunächst einmal das wiederholt, was im Wahlkampf von der CDU immer wieder als Dissens nach draußen getragen wurde. Nach meiner Einschätzung – ich bitte Sie, das zu entschuldigen – haben Sie uns eriös Wahlkampf betrieben.
Sie haben einen unseriösen Wahlkampf betrieben, wenn Sie sich ganz pauschal auf die Arbeitslosigkeit konzentrieren und nun dieses Scheinargument bringen. Das haben Sie zunächst getan. Das geht an der Sache – ich will es einmal vorsichtig formulieren – wirklich vorbei. Im zweiten Teil Ihrer Rede haben Sie noch etwas Konstruktives zur Zuwanderung von Arbeitskräften gesagt.
Ich interpretiere das einmal positiv. Sie sind als CDU auf dem Weg, sich umzuorientieren und sich einer sachgerechten Diskussion zu stellen. Ich verweise – lesen Sie Ihre Göttinger Erklärung – noch einmal darauf, dass es die Hoffnung gibt, dass wir zumindest nach dem 2. Februar zu einer konstruktiven Zusammenarbeit kommen.