Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Zuwanderungsgesetz ist nicht verfassungsmäßig zustande gekommen und damit nichtig. Die Entscheidung stärkt das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat und ist eine Niederlage für diejenigen, die glaubten, die Verfassung folgenlos manipulieren zu können.
Das ist gleichzeitig eine Warnung an alle, die glaubten, wer die Macht hat, könne leichtfertig mit dem Recht umgehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte nur über das Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes zu urteilen, nicht über den Inhalt.
Die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung ist nach wie vor strittig. Dabei müssen wir eigentlich nichts von unseren inhaltlichen Positionen zurücknehmen. Von weitgehender Einigkeit in Kernfragen, wie von interessierter Seite kolportiert wird, kann nach unserer Auffassung derzeit überhaupt keine Rede sein.
Von 91 Anträgen, die seinerzeit eingebracht wurden, ist kein einziger, der substanziell Gehalt hatte, damals angenommen worden.
Der rotgrünen Koalition ging es eigentlich nicht um die Kompromisssuche, sondern nur um das Durchpeitschen eines rotgrünen Prestigeobjekts.
Die FDP versucht mit ihrem Gesetzentwurf im Grunde genommen, ihre alten Vorschläge für ein Zuwanderungsgesetz wieder zu beleben. Diesen Entwurf aus dem Jahr 2000 uns jetzt als Kompromissvorschlag neu vorzulegen, bringt uns im Thema mit Sicherheit nicht voran.
Außerdem ist wohl schon bei der Übermittlung des Gesetzentwurfs zwischen den FDP-Landesgruppen ein Dissens entstanden. Wenn ich das richtig in der Zeitung gelesen habe, war dem Minister Bauckhage überhaupt nicht klar, was sein Ministerkollege Döring veröffentlicht hatte. Daran sieht man, wie die Informationsflüsse innerhalb der FDP bei diesem wichtigen Thema sind. Diese Irritationen sprechen für sich, meine ich.
Meine Damen und Herren, wir brauchen in Deutschland ein Gesetz aus einem Guss, das den berechtigten Interessen unseres Landes dient. Ein neues Gesetz muss die Zuwanderung wirksam begrenzen und darf nicht zu einer Erweiterung der Zuwanderung führen. Der Anwerbestopp darf sicherlich vom Grundsatz her nach unserer Auffassung nicht aufgehoben werden. Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass der Anwerbestopp 1973 von Willi Brandt oder von der von Brandt geführten Regierung erlassen worden ist. Damals hatten wir eine Arbeitslosigkeit von 1,2 % und eine Ausländerarbeitslosigkeit von 0,8 % bei 4 Millionen Ausländern, die in Deutschland wohnten.
Heute haben wir 7,3 Millionen Ausländer und 20 % Arbeitslose. Ich denke, das allein spricht dafür, dass wir über diese Frage des Anwerbestopps mit Sicherheit sehr intensiv reden müssen.
Herr Kuhn, ich könnte jetzt viele Erklärungen von der FDP aufzählen und zitieren, die insgesamt letzten Endes nicht tragfähig sind.
Ein wesentlicher Punkt wird nach unserer Auffassung die Frage nach der Zuwanderung in unsere Sozials ysteme sein, die unbedingt reduziert werden muss. Die von Rotgrün vorgeschlagene Härtefallregelung stellt den konsequenten Vollzug des Ausländer- und Asylrechts in Frage. Schon aus der Härtefallregelung ergeben sich massive Anreize für Arbeitsflüchtlinge, nach Deutschland zu kommen. In Anbetracht von mehr als 4 Millionen Arbeitslosen – rund 10 % – darf es bei einer Zuwanderung wirklich nur für qualifizierte Arbeitskräfte eine Zustimmung geben, die einen Beitrag zur Sicherheit uns erer Wirtschaft in Deutschland leisten.
Meine Damen und Herren, das neue Gesetz muss die Integration besonders fördern. Darauf werde ich in der zweiten Runde noch eingehen.
Ich denke, wir werden uns mit diesem Thema mit Sicherheit noch weiter beschäftigen auch über diese Aktuelle Stunde hinaus.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema „Zuwanderung“ ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Politiker in unserem Land. Seitdem ich diesem Landtag angehöre – seit 1991 –, unterhalten wir uns immer wieder über Zuwanderung und Ausländerpolitik. Aber gerade an dem Punkt der Zuwanderung sind wir nicht entscheidend weitergekommen, was meines Erachtens nicht an den Regierungsfraktionen und nicht an der Landesregierung liegt – diese hat seit 1996 aus meiner Sicht einen absolut vernünftigen Vorschlag im Bundesrat auf dem Tisch liegen –, sondern es liegt an den Unionspolitikern, die das Thema „Zuwanderung“ immer wieder als Wahlknüppel benutzen, wie wir das zuletzt im vergangenen Jahr sehen mussten.
Herr Schily war sich doch im Sommer 2001 mit Herrn Müller so etwas von einig, dass die Einigkeit zwischen
Vor diesem Hintergrund kann ich den französischen Publizisten Alfred Grosser sehr gut verstehen, der sagt, bei dieser unsäglichen Bundesratssitzung im letzten Jahr habe die schlimmste Figur Herr Müller gespielt, weil er einen Kompromiss, der vorher klar mit ihm abgestimmt war, aus rein wahltaktischen Gründen gekippt hat. Das sind die Tatsachen.
Worum geht es denn in der Sache? Das jetzige Ausländerrecht, das wir haben, ist ein Gefahrenabwehrrecht. Es taugt schlichtweg nicht zu einer Steuerung der Zuwanderung. Das war nie das Ziel der damaligen Ausländergesetzgebung gewesen. Jetzt, da wir die Steuerung bräuchten, versagt dieses Gesetz oder die ganzen Gesetze, die im Ausländerbereich eine Rolle spielen.
Wir sind die Einzigen unter den ganzen Zuwanderungsländern, die sich den Luxus erlauben, wirtschaftspolitische und sozialpolitische Gesichtspunkte bei der Zuwanderung außen vor zu lassen und dort auf eine Steuerung zu verzichten. Kein anderes Zuwanderungsland erlaubt sich diesen Luxus.
Herr Kollege Schnabel, dann kommen wir einmal zu den Zahlen. Weltweit hat der UNHCR 20 Millionen Flüchtlinge festgestellt. Davon haben im Jahr 2000 390.000 einen Asylantrag in der EU gestellt, um auch einmal diese Legende aufzuarbeiten, die kämen alle hier nach Europa. Von diesen 390.000 wiederum haben knapp 79.000 einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Das bedeutet, es kommen in Deutschland 0,96 Asylanträge auf 1.000 Bewohner. Der EU-Schnitt liegt bei 1,04. Wir liegen unter dem EU-Schnitt. Das wird von Ihnen immer weggewischt, und es wird immer so getan, als ob wir hier die Tore für alle Beladenen der Welt aufmachen wollten.
Dann nehmen wir einmal die aktuellen Zahlen der Spätaussiedler und Asylbewerber. Im Jahr 2001 sank die Zahl der Spätaussiedler, die zu uns kommen, ers tmals seit zehn Jahren unter 100.000. Die Tendenz ist weiter fallend. Das sind die Fakten. Im letzten Jahr, 2002, war der Asylbewerberzuzug nach Deutschland so gering wie seit 1986 nicht mehr. Das wird alles negiert. Das wird nicht zur Kenntnis genommen. Statt dessen tun Sie so, als ob wir alle einladen.
In Bezug auf die Ausländerfeindlichkeit in den neuen Bundesländern wurde in den 90er-Jahren das Wort von der Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer geprägt. Sie sind auf dem besten Weg, Zuwanderungsfeindlichkeit ohne Zuwanderer zu betreiben, wenn Sie noch weiter so diskutieren.
Dabei bräuchten wir Zuwanderung. Sie spielen immer wieder die Arbeitslosen gegen die Zuwanderer aus. Dann fragen Sie einmal Ihre politischen Freunde beim BDI. Die sagen uns: Trotz 4 Millionen Arbeitsloser haben wir 1,5 Millionen unbesetzte Stellen. – Es sind beileibe nicht nur die Hochqualifizierten, über die wir immer reden. Das ist bei der Pflege, der Gastronomie usw. der Fall.
Da brauchen Sie Zuwanderung. Anders geht es überhaupt nicht. Diese Zuwanderer, die dort Jobs bekommen, erhöhen unser Wirtschaftswachstum. Die schaffen bei uns Steuerkraft usw. Das muss man doch sehen. Das sind doch nicht die, die unsere Sozialsysteme plündern, sondern das sind die, die da auch hinein zahlen.
Laut UN müssen wir in Deutschland ohne Zuwanderung im Jahr 2050 das Pensionsalter auf 75 Jahre anheben.