Protocol of the Session on January 16, 2003

Wir haben zwar alle die klugen Bücher vom „Club of Rome“ über die Grenzen des Wachstums gelesen, aber die Konsequenzen waren insgesamt doch bescheiden.

Damals wäre noch Verzicht aus eigener Einsicht möglich gewesen. Heute ist es der Verzicht wegen der veränderten Umstände. Wahr ist, dass sich das wirtschaftliche Wachstum in den letzten Jahren erheblich abgeschwächt hat. Einen Teil unserer Abschwächung kann man etwa in Perioden aufteilen.

Was in den Siebziger- und Achtzigerjahren drei Prozent waren, waren in den Achtziger- und Neunzigerjahren nur noch zwei Prozent, und das, was wir heute haben, ist ein Prozent. Das ist noch Optimismus, wie wir heute hier und dort hören.

Alle Prognosen gehen davon aus, dass es so bleiben wird. Von dieser Situation sind alle Ebenen betroffen, die Länder und die Kommunen.

Nun gibt es eigentlich nur zwei Fragen, die wir uns zentral zu stellen haben:

1. Wie stellen wir sicher, dass wir trotz der knappen finanziellen Mittel die wichtigen staatlichen Aufgaben erfüllen können. Was sind die wichtigen staatlichen Aufgaben? Darüber läßt sich streiten.

2. Die zweite zentrale Frage, die sich uns in den Neunzigerjahren mehr denn je nicht nur aufdrängt, sondern die uns gestellt worden ist, ist: Wie können wir das alles ohne zusätzliche Schulden organisieren, um die Gestaltungsmöglichkeiten der nachkommenden Generation nicht übermäßig einzuschränken?

Die Antworten sind uns bekannt. Sie sind ganz unterschiedlich. Ich will das politisch werten. Wir werden die nächsten Einzelheiten sicher beim Plenum des nächsten Monats beschreiben, wenn wir den Haushalt vorlegen.

Gewissermaßen relativ geräuschlos nach der Klausur, aber auch wirkungsvoll, haben Landesregierung und Koalition in den letzten Wochen und Monaten die Voraussetzungen für diesen Nachtragsplan geschaffen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit dies nachher nicht gesagt werden muss, selbs tverständlich haben wir als Koalition mit dieser Landesregierung an diesem Antrag gemeinsam gearbeitet – wir würden das natürlich nicht sozusagen ganz allein erarbeiten müssen; das war bei Regierungskoalitionen immer der Fall –,

(Beifall der SPD – Zuruf von der SPD: Richtig! – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sodass man hinterher nicht diskutieren muss. Keiner muss besserwisserisch sagen, das kommt aber aus dem Finanzministerium, das kann doch gar nicht – – – Leute, was denn sonst, gemeinsam erarbeitet.

Damit das auch klar ist, weil die Polizisten auf der Straße das in den falschen Hals bekommen haben, selbs tverständlich wird es Anhörungen zu allen politisch relevanten Fragen geben. Wenn wir als Koalition aber diesen Antrag heute einbringen, dann, um dem Parlament mehr Zeit zu geben zu beraten; – –

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich würde jetzt nicht laut lachen.

denn durch diese Chance, es heute einzubringen, haben wir mehr Beratungszeit. Es war der Wunsch des Parlaments und – in aller Bescheidenheit – auch dieser Koalition, einen Zeitplan vorzulegen, der etwas rascher, etwas schneller zu Entscheidungen kommt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das bedeutet aber auch, dass wir dann die Möglichkeiten der Einbringung durch die Fraktionen nutzen müssen, um diesem Zeitplan einigermaßen gerecht zu werden. Meine Damen und Herren, es wird turbulent werden, was die zeitliche Abfolge angeht.

1. Wir wollen einen verfassungskonformen Nachtragshaushalt vorlegen, ganz anders als in Hessen.

2. Wir müssen dafür sorgen, dass die erforderlichen Sparmaßnahmen ergriffen werden können.

3. Wir müssen die Prioritäten, nämlich die Bildungspolitik, die Ganztagsschule, die Unterrichtsversorgung und die Mobilitätsaktionen, nämlich Infrastruktur zu schaffen, weiter in unserem Nachtragsplan als die Schwerpunkte der Landesregierung und der Landespolitik zeigen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Kommunen sind natürlich in den geringen Steuereinnahmen auf das Nachhaltigste mit dem Land verbunden. Wir bieten den Kommunen einen Pakt an – den haben sie längst angenommen –, dass wir eine Verstetigung der Einnahmen des kommunalen Finanzausgleichs auf Kosten des Landes vornehmen, und zwar auf einem Niveau, das von den kommunalen Spitzenverbänden akzeptiert worden ist, ein günstiges, ein hohes Niveau.

Es ist ein gewisses Risiko, keine Frage, wenn wir Kredit aufnehmen, damit die Kommunen in der Lage bleiben, ihre Aufgaben zu finanzieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist vollkommen klar. Nicht alles wird aus Haushaltsstellen finanzierbar sein. Wir müssen auch in Gesetze eingreifen. Die Sozialpolitik ist im Wesentlichen zum Beispiel durch Gesetze festgelegt.

Wenn wir uns beim Landesblindengeld für neu Erblindete am Niveau anderer Länder, zum Beispiel des reichen Nachbarn Baden-Württemberg, orientieren, dann heißt das, dass es für die neu Erblindeten ab dem 1. Mai gilt.

Wir orientieren uns am Niveau eines Landes, das 115 % der Steuerkraft von Rheinland-Pfalz besitzt. Ich sage das, damit wir uns klar verstehen.

Wenn wir künftig keine Investitionskostenzuschüsse für stationäre und teilstationäre Pflegeeinrichtungen gewähren, dann geben wir dem Markt nach, der längst bewiesen hat, dass es ohne diese Zuschüsse gehen kann und wir dies über Pflegesätze finanzieren können.

Wenn wir die Taschengelder im Maßregelvollzug auch auf das Niveau unserer reicheren Nachbarn reduzieren, so denke ich, auch in diesem Fall lautet die Begründung: Wer im Verhältnis zu den anderen Ländern so wenig Steuereinnahmen hat wie wir, muss sich in seinem Ausgabeverhalten auch so verhalten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Polizeibeamten haben kritisiert, wir wollten die Lebensarbeitszeit für diejenigen verändern, die nicht im Wechselschichtdienst 25 Jahre lang eine schwierige Arbeit geleistet haben. Das wird uns vorgeworfen. Ich bin gefragt worden: Wie kannst du denn so etwas machen, beispielsweise auch noch gestaffelt nach höherem Dienst, gehobenem Dienst und mittlerem Dienst?

Auch in anderen Bereichen der Bundesrepublik wird dies genau nach diesem Prinzip gemacht. Diejenigen, die im höheren Dienst beschäftigt sind, müssen länger Dienst leisten.

Meine Damen und Herren, Reformen will jeder, aber keiner will sie bei sich.

(Beifall der SPD und der FDP)

Norbert Blüm hat dies auf seine Weise gesagt. Er hat gesagt: Alle wollen den Gürtel enger schnallen, und man sieht die Leute immer am Gürtel des Nachbarn herumfummeln. – Genau das ist die Situation, in der wir uns befinden.

Eben hat ein Kollege gesagt, man müsse den Flächentarifvertrag reformieren. Ja, ich bin dafür. Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr in der Gewerkschaft. Aber wer den Flächentarifvertrag ändern will, wer den Häuserkampf der Betriebsräte haben möchte, der muss auch sagen, was mit der VOB, mit der VOL oder mit der HOAI ist. Nur dann wird ein Schuh aus diesen Dingen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der SPD: Ja, so ist es!)

Wir verzichten gemeinsam in diesem Haus in diesem Jahr auf die Erhöhung unserer Diäten. Wir wissen, dass eine Erhöhung sowohl bei den Tarifbeschäftigten als auch bei den Beamten stattfinden wird. Wir verzichten auf die Erhöhung der Zuschüsse für die Fraktionen. Die Mitglieder der Landesregierung verzichten auf die Anhebung ihrer Amtsbezüge. Meine Damen und Herren, damit beweisen wir, dass wir begriffen haben, dass wir Vorbildleistungen zu erbringen haben. Dies haben wir getan, und das können wir mit Stolz sagen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Aber eines geht nicht. Ich habe eine ganze Sammlung von Zeitungsartikeln. Wir können nicht in Mainz die Stricknadeln für die Sparstrümpfe herausholen, und draußen in der Region werden die Spendierhosen geschneidert. Das ist die Situation, mit der die Koalitionsabgeordneten zurzeit draußen konfrontiert werden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Einer der Gurus, wie beispielsweise der Kollege Dr. Gölter, die uns immer sagen, wo es lang gehen soll, kämpft um das Forstamt Speyer, meine Damen und Herren. Herr Kramer hält dagegen, damit es Bellheim werden soll. Da wird um ein Forstamt mit vier Beschäftigten gestritten, von denen keiner die Arbeit verliert. Wir dürfen in Mainz nicht den Sparstrumpf anlegen und draußen die Spendierhosen. Das funktioniert nicht gemeinsam. (Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Kramer, CDU)

Herr Bismarck ist für einen Sozialdemokraten und – ich sage ironisch hinzu – für einen Katholiken allemal nicht immer derjenige, den man zitieren muss. Aber Bismarck hat gesagt: Die Scheu vor Verantwortung ist die Krankheit unserer Zeit. Wir müssen die Verantwortung für diese Sparanstrengungen übernehmen. Ich weiß, das geschieht unterschiedlich. Das ist gar keine Frage.

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt Rollen, und dafür haben wir uns wählen lassen. Aber es darf am Ende nicht so sein, dass im Parlament von Sparen und draußen von Ausgeben geredet wird. Das wäre keine Politik.

(Beifall der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Hörter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was unter der Überschrift „Landesgesetz zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften“ präsentiert wird, ist, wäre die Situation der rheinland-pfälzischen Kommunen nicht so ernst, eigentlich nur zum Lachen. Da die Situation der Kommunen aber so ist, wie sie ist, fehlt mir jedes Verständnis für das, was Sie vorschlagen.

(Beifall der CDU)