Protocol of the Session on December 6, 2002

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich möchte eine letzte Bemerkung machen, die auch mit dem Steuerklima im Land zu tun hat. Vor einigen Wochen hat es eine ARD-Sendung unter dem Thema „Reich hinterm Deich“ gegeben. Ich glaube, es war „Report“. Unter gleicher Überschrift hat auch der „Spiegel“ im September publiziert. Es geht darum, dass sich in der schleswig-holsteinischen, nahe an der Nordsee gelegenen Gemeinde Norderfriedrichskoog, 47 Einwohner groß, mittlerweile 427 Unternehmen niedergelassen haben.

Es sind Unternehmen der feinsten deutschen Adressen: Die Deutsche Bank, Unilever, Daimler-Crysler, Allianz, Conti, Heidelberger Zement, Südzucker, Linde, Münchner Rück usw. Sie verwalten dort ihre Beteiligungspakete zum Teil in Milliardenhöhe. Sitz ist die 47-SeelenGemeinde Norderfriedrichskoog. Es sind 427 Unternehmen. Es gibt dort einen Gewerbesteuerhebesatz von null.

Meine Damen und Herren, all diejenigen, die ich genannt habe, haben sich dort in der Rechtspersönlichkeit von Personengesellschaften gegründet. Die Verrechnungsmöglichkeit für Gewerbesteuer ist vom Gesetzgeber im Interesse des Mittelstands geschaffen worden. Es war im Interesse der mittelständischen Unternehmen, dass sie steuerlich nicht schlechter, sondern besser als Kapitalgesellschaften gestellt werden.

Dass sich die Großunternehmen mit ersten Adressen, die an die Adresse der Politik und des Staates über ihre Verbände, aber auch in ihrem eigenen Namen Reformbedarf reklamieren und hohe Ansprüche an staatliche Effektivität und reformerisches Handeln formulieren, nicht zu schade sind, diesen Weg zu gehen, sich also der geringsten Mitverantwortung für die Finanzierung des demokratischen und sozialen Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland entziehen, ist ein Skandal erster Ordnung.

(Beifall bei SPD und FDP – Dr. Weiland, CDU: Dann sollen die Genossen das aber auch einmal sagen! Dann sagen Sie das doch im Bündnis für Arbeit!)

Es mag Ihnen genügen, dabei Ihre Stimme zu erheben.

(Jullien, CDU: Wer ist denn in der Regierungsverantwortung? – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich sage Ihnen und nehme dabei den Terminus von vorgestern Morgen wieder auf, wenn es uns nicht ge

lingt, auch in Deutschland wieder so etwas wie Steuerpatriotismus zu entwickeln – – –

(Zurufe von der CDU)

Sie mögen lachen, weil Sie nicht patriotisch denken.

(Beifall bei SPD und FDP – Heiterkeit und Zurufe bei der CDU)

Ich lege übrigens Wert darauf, die BASF ist nicht dabei.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn es so wäre, dass in den Eliteetagen der deutschen Wirtschaft das Verantwortungsbewusstsein für sozialen Zusammenhalt nicht vorhanden ist und die Verpflichtung zur Stärkung nicht nur der Wirtschaftskraft, sondern auch der Fähigkeit, das Gemeinwesen auf allen Ebenen zu stärken, nicht gesehen wird, dann gnade uns Gott.

(Jullien, CDU: Dann sind wir keine Patrioten!)

Ich denke, das ist ein schäbiges Verhalten, das die Firmen hier an den Tag legen.

(Beifall bei SPD und FDP – Jullien, CDU: Nehmen Sie sich einmal zurück!)

Ich habe zu einem frühen Zeitpunkt die Initiative mit dem Ziel ergriffen, dass es zu einer entsprechenden gesetzlichen Änderung kommt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Weiland das Wort.

(Pörksen, SPD: Jetzt wollen wir aber einmal Fakten hören! – Anheuser, CDU: Wir haben ja das gute Beispiel des Herrn Bundeskanzlers vor Augen! – Weitere Zurufe im Hause)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! So viel zum Stichwort „Krawall“.

(Beifall bei der CDU – Jullien, CDU: Patriotismus! – Lewentz, SPD: Vaterlandslose Gesellen!)

Wenn ich es darauf angelegt hätte, Krawall zu machen, hätte ich zum Beispiel Herrn Stiegler erwähnt,

(Lewentz, SPD: Ja, das war nicht so gut! Das spricht für Sie!)

habe ich aber nicht, weil ich ihn nicht für repräsentativ für die SPD halte.

(Beifall bei der CDU)

Das ist im Fall Müntefering und im Fall Scholz etwas anderes. Deswegen habe ich Müntefering und Scholz erwähnt.

Herr Finanzminister Mittler, wenn Sie einmal auf Ihre eigene finanzpolitische und haushaltspolitische Bilanz in diesem Land schauen, dann glaube ich, sind Sie der Letzte, der von hier aus mit einem so hohen und gespielten moralischen Anspruch sprechen darf.

(Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)

Für Sie gilt längst das alte Trappatoni-Wort: Flasche leer, Kasse leer, Mittler hat fertig.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Ministerpräsident Beck: Helau! Der Höhepunkt des Tages!)

Frau Thomas, Sie haben nach dem Respekt vor der Aufgabe gefragt. Frau Thomas, ich sage Ihnen ganz offen, ich habe vor Leuten keinen Respekt, die sich über Aufgaben beklagen, um die sie sich vorher freiwillig bemüht haben.

(Beifall des Abg. Schnabel, CDU)

Wenn Sie diese Aufgabe nicht wahrnehmen wollen, geben Sie sie ab. Wir können es besser. Glauben Sie es uns.

(Beifall bei der CDU – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der beleidigte Verlierer, Herr Dr. Weiland!)

Was Ihre steuerpolitischen Vorstellungen betrifft, empfehle ich Ihnen ein Gespräch mit Ihrem Kollegen Metzger, der schlicht und ergreifend immer wieder sagt und damit Recht hat: Steuererhöhungen sind der falsche Weg, um den Haushalt zu sanieren. – Hören Sie auf ihn, Frau Thomas.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Respekt vor der Aufgabe. Was uns in diesem Land in den letzten Tagen zum Thema „Vermögensteuer“ vorgeführt wird, hat mit Regieren wohl nichts mehr zu tun. Das kann man nur noch als gaga bezeichnen. Mehr findet doch in Berlin nicht mehr statt. Dieses Land wird auf diese Art und Weise ruiniert.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb muss diese Landesregierung im Bundesrat Nein zu dieser Politik sagen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hartloff, weil Ihnen sonst nichts mehr Neues einfällt, haben Sie die Vorschläge der CDU angemahnt. Ich warte jetzt auf Ihre Vorschläge bzw. auf die Vorschläge

dieser Landesregierung, nachdem es mit der Vermögensteuer, die von dieser Landesregierung so propagiert wird, offensichtlich nichts gibt. Bei der Vermögensteuer ist es schwer. Da Ihnen zur Lösung der Probleme nur Steuererhöhungen einfallen – alles andere übersteigt Ihren Horizont der Kreativität und Phantasie –, warte ich darauf, dass die Landesregierung in den nächsten Tagen, möglicherweise schon zu Beginn der nächsten Woche, die Erhöhung einer typischen Landessteuer vorschlägt.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Ich meine den Vorschlag zur Erhöhung einer typischen Landessteuer, nämlich der Biersteuer. Dann wäre der Dreiklang perfekt: Rasen für die Rente, Rauchen für die Sicherheit und Saufen für die Bildung. Das ist die Politik dieser Regierung.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Schämt ihr Euch nicht? Das ist unglaublich!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hartloff das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin versucht zu sagen: Drauß` vom Walde komm` ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. All überall auf den Tannenspitzen, sah ich schwarze CDUler sitzen. In den Augen tut der Wahlkampf blitzen, am Ende kommen sie dann noch ins Schwitzen.

(Dr. Gölter, CDU: Sie müssen sagen, von wem es ist!)