Protocol of the Session on December 4, 2002

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Keller, CDU: So ist es!)

anstatt zu verkünden, was für das Jahr 2003 getan wird. Wir werden noch viel Gelegenheit haben, darüber zu reden und zu sagen, dass das Land ab 2003 die größte Sparaktion vollziehen wird, die es jemals gegeben hat. Ich sage Ihnen, nach den Zahlen, die man im Bundesfinanzministerium bekommt, haben Sie nicht die größte Sparaktion in diesem Jahr vollzogen, sondern Sie sind quasi das Schlusslicht der Flächenländer, wenn es darum geht, Ausgaben zu kontrollieren und im Griff zu halten. Das haben Sie versäumt, und deswegen bleibe ich auch bei der Behauptung, dass dies unseriös, unsolide und auch unverantwortlich ist.

Es geht nicht um Zahlenspiele. Es geht auch nicht um 100 Millionen mehr oder weniger. Es geht darum, ob man es in der gegebenen Situation auch bei zurückgehenden Einnahmen schafft, seine Verpflichtung zu erkennen, trotzdem die Neuverschuldung so gering wie möglich zu halten. Was heißt Neuverschuldung? Was heißt Nettoneuverschuldung?

Das sind doch die Lasten, die ich auf die nächste Generation, also auf unsere Kinder und Kindeskinder übertrage. Diesen nehmen wir mit jedem Euro mehr Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten. Unter diesem Aspekt ist die Haushaltspolitik so, wie Sie sie betrieben haben, Herr Mittler, nicht nur unsolide und unverantwortlich, sondern auch ungerecht. Es ist so, wie Sie ihn fahren, ein ungerechter Haushaltsvollzug. Deswegen kommt von uns auch die permanente Kritik seit April dieses Jahres, da Sie nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen und es nicht bereits in diesem Jahr geschafft haben, strukturelle Veränderungen hinzubekommen,

(Glocke des Präsidenten)

um diese Ausgabenausbordung in den Griff zu bekommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kuhn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Finanzsituation nach der Novemberschätzung ist allgemein bekannt. Es sind 580 Millionen Euro weniger an Einnahmen für das Jahr 2003. Dazu besteht die Notwendigkeit, globale Minderausgaben beim Nachtrag ebenfalls zu berücksichtigen. Dies ist eine Situation, die eben mit dem Begriff „katastrophal“ gekennzeichnet wurde. Das ist in der Tat so. Solche Einnahmeneinbrüche sind in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in dieser Dimension einmalig. Wir müssen dies in Rheinland-Pfalz, einem Bundesland, das nicht über eigene Einnahmen verfügt, hinnehmen und dieser Situation gerecht werden.

Ich gehe davon aus, zum laufenden Haushalt wird Finanzminister Mittler etwas sagen, ebenfalls zu dem Phänomen der Salden, die eben angesprochen worden sind. Ich bitte dabei aber zu berücksichtigen, wenn wir schon von Benchmarking sprechen, dass die Gesamteinnahmensituation des Landes Rheinland-Pfalz, das in der Tat nicht zu den einnahmenstarken Bundesländern gehört, ebenfalls unterdurchschnittlich ist, sodass wir immer mit einer schwierigen Ausstattung hinsichtlich der Einnahm enseite leben müssen.

Die Folgen dieser katastrophalen Entwicklung für den Nachtragshaushalt 2003, die im November bestätigt wurden, sind in der Tat gravierend. Sie alle haben in den

Medien verfolgt, dass die FDP- und SPD-Fraktion in Klausurtagungen ihre Linie festgelegt haben.

(Billen, CDU: Waren Sie nicht dabei?)

Ich sprach von Ihnen. Sie waren nicht dabei. Das war vielleicht gut so.

(Itzek, SPD: So weit sind wir noch nicht, dass wir euch mitnehmen! – Mertes, SPD: Er hätte es aber am nötigsten!)

Wir informieren Sie gern über unsere Grundhaltung, falls Sie sie noch nicht gelesen haben.

Die Zielvorgaben von beiden Koalitionsfraktionen waren zum einen, der Nachtragshaushalt 2003 muss verfassungskonform sein. Es wird keine zusätzliche Kreditaufnahme geben. Wir setzen zum anderen alles daran, die politischen Schwerpunkte, die diesem Haushalt zugrunde liegen, zu erhalten.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, diese Leitlinie war auch Grundlage der Erörterungen während der Kabinettsklausur. Herr Billen war auch nicht dabei, aber ich informiere Sie gern. Meine Damen und Herren, das Ziel ist in vollem Umfang erreicht worden. Das Ergebnis wird von der FDP-Landtagsfraktion ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei FDP und SPD)

Das Ziel, das nur über oft sehr harte Einschnitte erreicht werden kann, die Ausgaben massiv zu reduzieren, hat absolute Priorität. Natürlich wird es Zielkonflikte geben, was in der Politik Alltag ist. Wir müssen diese Zielkonflikte aushalten und werden dies auch tun. Man kann natürlich jede Einzelmaßnahme, wenn man sie isoliert sieht, hinterfragen. Meine Damen und Herren, der Erfolg wird aber nur dann möglich sein – hierzu stehen wir –, wenn die Ausgabenreduzierung in ihrer Summe wirksam wird. Das ist unsere politische Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten. Dieser Aufgabe werden wir auch gerecht werden.

Meine Damen und Herren, die Sparmaßnahmen im Jahr 2003 sind im Übrigen auch notwendig, um die Basiseffekte zu erreichen, damit die mittelfristige Finanzplanung auf eine seriöse Grundlage gestellt werden kann.

Die Bundesländer, die dieses Ziel im Jahr 2003 nicht erreichen, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, was im Moment mindestens acht Bundesländer sind, werden sich noch wundern. Diese Basiseffekte, die wir im Jahr 2003 erreichen, sind notwendig und hilfreich, um eine seriöse mittelfristige Finanzplanung auf den Weg zu bringen, dies natürlich mit dem Ziel einer baldmöglichst und sehr zeitnahen Beendigung der Neuverschuldung.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, in meinem ersten Beitrag möchte ich noch einen Satz zur Reaktion in der Öffent

lichkeit sagen. Ich bin persönlich sehr angenehm überrascht, dass das Maßnahmenbündel als Ganzes im Grunde von der Bevölkerung verstanden und akzeptiert wird. Das gilt nicht für die Interessengruppen. Es wird aber von der Bevölkerung verstanden und akzeptiert.

(Beifall bei FDP und SPD)

Dieser Eindruck ist nicht falsch. Es sind alle Bereiche betroffen. Das ist das, was Bevölkerung und Menschen in Rheinland-Pfalz von einer handlungsstarken Regierung und Koalition erwarten.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Finanzminister Mittler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt überhaupt keinen Zweifel und keine Beschönigung, unsere Haushaltslage ist dramatisch. Sie ist vor dem Hintergrund einer Haushaltsentwicklung nunmehr im zweiten Jahr dramatisch, wie sie es noch nie zuvor gewesen ist. Die Steuereinnahmen brechen uns wirklich in einem Umfang weg, der selbst auch von den skeptischsten Prognostikern nicht vorhergesagt wurde – im Gegenteil. Noch im Frühjahr haben die wirtschaftswissenschaftlichen Institute für das zweite Halbjahr einen Zuwachs bei den Steuereinnahmen von mehr als 7 % prognostiziert.

(Bracht, CDU: Sie hätten besser uns geglaubt!)

Diejenigen, die in der Politik bei Haushaltsplanungen darauf angewiesen sind, dass der wirtschaftliche Sachverstand auch Hilfe andient, stehen nun im Regen. Das räume ich allerdings ein. Es ist in der Tat so, wie vorhin die Zahlen referiert wurden, dass wir bis einschließlich November bei Steuern, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 7,5 % haben. Wir hatten einen Zuwachs von 3,8 % geplant. Dies ergibt eine Differenz von etwas mehr als 11 %.

Meine Damen und Herren, das ist die Dramatik, vor der wir stehen. Auch im Monat November selbst hat sich die Situation noch einmal dramatisch mit einem Minus in der gleichen Größenordnung wie für das Jahr insgesamt mit allein bei den originären Steuereinnahmen von 7,5 % verschärft.

Ich mache darauf aufmerksam, dass uns die Steuerschätzung für dieses Jahr eine volkswirtschaftliche Steuerquote von 20,8 % zeigt, die niedrigste, die es je in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es ist seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland die absolut niedrigste Quote, auch die niedrigste im euro

päischen Vergleich unter allen EU-Ländern, selbst unter Einbeziehung der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada. Es gibt nur ein großes Industrieland, das eine niedrigere volkswirtschaftliche Steuerquote als Deutschland hat, nämlich Japan. Dort kommt trotz niedrigster Steuerquote die Konjunktur nicht auf die Beine.

Vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2002, also in nur zwei Jahren, haben wir eine Absenkung der volkswirtschaftlichen Steuerquote um 2,2 %. Unter Zugrundelegung eines Bruttoinlandsprodukts von etwas mehr als zwei Billionen Euro entspricht dies einem Steuerbetrag von etwa 46 Milliarden Euro für den Gesamtstaat.

Das heißt, anteilig für das Land Rheinland-Pfalz entspricht dies einer Größenordnung von 1 Milliarde Euro unter dem Regime der verringerten Steuerquote gegenüber dem Jahr 2000 in diesem Jahr. Es stellt sich die Frage, wie darauf zu reagieren ist. Es ist eine Illusion anzunehmen, dass es im Lauf eines Jahres, im Lauf des Haushaltsvollzugs möglich wäre, in der Größenordnung dieser Summe – – –

(Lelle, CDU: Wer hat denn propagiert? Wir nicht!)

Herr Lelle, ich komme gern darauf zurück. Wer mit dieser Lässigkeit, mit der heute über diese Entwicklung gesprochen wird, mit der Häme und der Schadenfreude darüber spricht, ist kein wahrer Patriot.

(Beifall der SPD – Heiterkeit und Widerspruch bei der CDU)

Ich höre das auch hier. Es ist der billige Versuch des von mir ansonsten hoch geschätzten Kollegen Bracht, der sagt, man muss schauen, ob man dies nicht doch der Regierung in die Schuhe schieben kann. Es geht um eine Steuermindereinnahme bis Ende November in einer Größenordnung von 700 Millionen Euro.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Meine Damen und Herren, wer ernst genommen werden will, kann so nicht reden, wie wir das hier gehört haben.

(Beifall bei SPD und FDP – Zurufe von der CDU)

Ja, für schlichte Gemüter mag das angehen. Erns thaften Betrachtungen hält es nicht stand. Wir haben auf der Ausgabenseite reagiert.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Wir können doch nicht die Lehrer nach Hause und die Polizeibeamten in unbezahlten Urlaub schicken.

(Zuruf von der CDU: Sind Sie wirklich der Meinung?)