Protocol of the Session on September 26, 2002

die Bundesrepublik eher den Bedarf hätten, die anderen Sektoren in den Vordergrund zu stellen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Deswegen möchte ich an dieser Stelle deutlich machen: Die Bundesrepublik würde nie über die jetzigen Instrumente hinausgehend den Bedarf sehen. Das ist ein Instrumentenbündel, das ausgesprochen erfolgreich ist, nämlich die Ökosteuer, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz für die Kraftwerke und das gesamte Bündel für erneuerbare Energien. Was wird in Zukunft passieren? Wenn wir nicht aufpassen, werden wir unter Umständen eine Doppelbelastung ausgerechnet der im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen haben. Das kann doch keine industriepolitische oder ökologische Position von uns sein.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es gibt eine Prognos-Studie über die Effekte und Notwendigkeiten, Klimaschutzziele auch unter volkswirtschaftlichen Prämissen zu erreichen, die der Bundesregierung vorliegt. Was sagt diese Studie? Diese sagt ganz klar: Volkswirtschaftlich macht es Sinn, dass man zunächst den Klimaschutz dort realisiert, wo die Branchen nicht im internationalen Wettbewerb stehen.

Wir hätten große Chancen – im Übrigen auch mit enormen Arbeitsmarkteffekten; auch das ist in der Studie nachzulesen –, wenn wir uns zunächst einmal ganz stark auf die Haushalte und insbesondere auch auf den Verkehrssektor konzentrieren würden, weil dort eine enorme Innovation mit Arbeitsplätzen in der Region erreichbar wäre.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich sage das an dieser Stelle genauso deutlich für die Landesregierung, man muss das auch sagen, wenn man eine Verhandlungsposition in Brüssel einnimmt. Das ist zunächst einmal aus nationaler Sicht bei dem vorhandenen Paket und noch weiter zu entwickelnden Paket zu erreichen. Bei unseren eigenen nationalen Klimaschutzverpflichtungen hätte keine Notwendigkeit bestanden, dieses Instrumentarium auf Unternehmensebene einzuführen.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Wenn wir trotzdem mitmachen oder mitmachen müssen – natürlich sind wir nicht blauäugig, natürlich sind wir eingebunden in dieses europäische Konzert –, dann war es richtig gewesen, über den Bundesrat – hier haben wir als rheinland-pfälzische Landesregierung sehr intensiv gearbeitet – zu erreichen, dass wir zunächst einmal festgeklopft haben, dass dieser Richtlinienentwurf grundlegend zu überarbeiten ist.

Ich will noch einmal auf einzelne Punkte eingehen. Es ist offensichtlich ökologisch überhaupt noch nicht richtig beleuchtet worden, was wir jetzt machen. Wir haben ein Bündel von Instrumenten und wollen dies – das bedeutet es, wenn ich keine Doppelbelastung will – durch ein

einziges Instrument bezogen auf wesentliche industrielle Branchen ablösen.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Sind Sie, sind wir wirklich sicher, dass das den gewünschten ökologischen Effekt bringt?

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Ich sage das gerade als Umweltministerin, weil ich natürlich befürchte und befürchten muss – wenn ich einzelne Branchen betrachte –, dass es ökologisch eher schädlich ist. Ich kann Ihnen das schon sagen.

Nehmen wir zum Beispiel die Kalk- oder die Zementindustrie.

(Itzek, SPD: Ja!)

Sie haben die Wettbewerbsunternehmen oder Branchen zum Beispiel in Asien oder in nicht europäischen Ländern. Sie sind weit weg von uns, aber es sind nicht europäische Länder, die alle am Kyoto-Protokoll nicht teilnehmen und keine CO2 Minderungsverpflichtungen eingegangen sind.

Dabei handelt es sich um im Wettbewerb stehende Unternehmen. Was macht es ökologisch für einen Sinn, wenn sie noch zusätzlich Kosten haben, weil sie ihre Emissionsrechte am Markt erwerben müssen, ohne in der Tat kalkulieren zu können; angesichts der Börsendiskussion, glaube ich nicht, dass man wettbewerbsfähig kalkulieren kann.

Was macht es ökologisch für einen Sinn, wenn diese Branchen unter Umständen – ich will es nicht beschreien – in solche Länder abwandern würden? Es wäre weltweit nichts gewonnen für den Umweltschutz.

(Beifall der SPD und der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir uns einen Wettbewerb an Instrumenten und eine Flexibilität von Instrumenten erhalten.

Das Zweite ist, dass wir eine Abstimmung mit den anderen Instrumenten in Deutschland brauchen, um Doppelbelastungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Ich habe dies gesagt. Wir brauchen im Übrigen eine Anerkennung von Vorleistungen; das haben andere gesagt.

Ich bin dankbar, dass aufgrund einer konzertierten Aktion von vielen, sowohl von der Kommissarin, die uns das in einem Schreiben noch einmal zugesichert hat – ich bin dankbar ob der klaren Äußerungen des Bundeskanzlers gegenüber Brüssel –, als auch durch die ersten Beratungen im Umweltausschuss, eine Rückmeldung kam, dass Vorleistungen anerkannt werden. Das ist ein erster wichtiger Erfolg.

Eine zweite Forderung, die wir über den Bundesrat ganz explizit in den Vordergrund gestellt haben, ist nach heutigem Kenntnisstand erfüllbar und wird erfüllt: Dass es keine Ausstiegs- oder Verlagerungsboni in dem Maße

gibt, dass man durch Rückgabe von Zertifikaten Vorteile erreichen kann. Das stand in dem Richtlinienentwurf noch nicht drin. (Dr. Schiffmann, SPD: Sehr gut; das wäre widersinnig!)

Natürlich gibt es nach wie vor Diskussionsbedarf. Ich kann nicht einsehen, wieso wir – wenn wir wirklich einen Paradigmenwechsel in der Klimaschutzpolitik für Unternehmen machen – es uns nicht leisten sollten, eine Pilotphase voranzustellen, um zu schauen, wie scharf, wie ökologisch und ökonomisch solche Instrumente sind, um eine Risikobewertung machen zu können.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Das hat es noch nie gegeben, dass man einen solchen Instrumentarienwechsel vorgenommen hat, ohne eine Art Folgenabschätzung leisten zu können. Das wäre das Mindeste. Diese Forderung bleibt bestehen.

(Beifall der SPD und der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Insofern haben wir kein Verständnis dafür, dass wir jetzt, gerade weil diese Möglichkeit der Nachjustierung wahrscheinlich nicht gegeben wird, noch weitere Branchen unmittelbar in die erste Phase mit einbeziehen wollen, wie zum Beispiel die Chemiebranche oder die Aluminiumbranche.

Das halte ich für nicht gerechtfertigt, wiewohl die Großen – das muss man auch sagen – über ihren Energiebedarf und ihre Kraftwerksleistung, die sie haben oder brauchen, im Wesentlichen mit erfasst sind.

Ich sage Ihnen zum Schluss, wir haben nach erstem Überschlag in Rheinland-Pfalz mindestens 100 Unternehmen, die von dem Emissionshandel nach dem heutigen Richtlinienentwurf im weitesten Sinn betroffen sein werden. Sie haben unmittelbar schätzungsweise 150.000 Arbeitsplätze.

Ich werde natürlich nicht sagen, die sind dadurch automatisch gefährdet. Aber sie sind betroffen. Deshalb macht eine sorgfältige Diskussion, eine intensive Betrachtung im Interesse dieser Arbeitsplätze weiterhin Sinn; denn an diesen hängen wieder viele Zuliefererund Dienstleistungsarbeitsplätze.

Genau deshalb wird sich die Landesregierung in weitere Beratungen einmischen, auch über die Bundesregierung, auch unmittelbar über die Gremien in Brüssel, um auf eine weitere Verbesserung im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit, aber auch im Interesse der Ökologie für unsere Positionen zu werben. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch einiges erreichen können.

Vielen Dank. (Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Es spricht Herr Kollege Creutzmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn meiner Rede für die FDP-Fraktion und – wie ich glaube – auch für die Koalitionsfraktionen ausdrücklich bei Ihnen sehr herzlich bedanken, Frau Staatsministerin Conrad.

(Beifall der FDP und der SPD)

Herr Dr. Braun, das waren für Sie mindestens zehn Ohrfeigen durch die Argumente, die Frau Staatsministerin Conrad vorgetragen hat. Ich sage Ihnen Folgendes: Alle Arbeitsplätze, die durch „emission trading“ auf Unternehmensebene abgebaut werden, werden wir dokumentieren.

Wenn ich durch den Bienwald fahre, sehe ich Schilder mit der Aufschrift: So und so viele Tote seit... Dies prophezeie ich Ihnen, wir werden auch solche Schilder aufstellen. Meine Damen und Herren, wer kann so leichtfertig mit Arbeitsplätzen umgehen?

Herr Kollege Dr. Braun, es geht nicht darum, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat Frau Staatsministerin Conrad in vielfältigen Argumenten vorgetragen. Wenn Ihre Umweltpolitik eigentlich Sinn machen soll, müssten Sie an der Seite von SPD, CDU und FDP in Brüssel stehen.

(Itzek, SPD: Und als Ludwigs- hafener besonders!)

Davon rede ich gar nicht.

Ich weiß natürlich, dass Herr Trittin das mittlerweile in Brüssel hintertreibt; das muss man auch wissen.

Herr Dr. Braun, der Konstruktionsfehler der ganzen Richtlinie besteht darin, dass sie auf ein geschlossenes System innerhalb Europas setzt, in dem der Unternehmer Zertifikate zukaufen muss, damit er weiter produzieren und investieren kann. Das ist jedoch ein Denkfehler. Niemand muss zukaufen.

Die Alternative ist viel einfacher. Das Unternehmen legt still und erhält ein verwertbares Zertifikat. Mit dem entsprechenden Erlös geht das Unternehmen zum Beispiel nach Nordafrika und baut dort zertifikatsfrei eine neue Anlage. Von dort exportiert es nach Europa.