Protocol of the Session on August 30, 2002

Viel mehr muss gerade das Ansporn sein, mit Ausdauer und vor allem mit politischem Nachdruck dieses Ziel zu verfolgen.

Das gilt für die internationale Ebene, das gilt für die nationale Ebene, und das gilt natürlich auch für unser Land, dass wir in Johannesburg, in Berlin, aber auch in Mainz, in Rheinland-Pfalz für den Erhalt natürlicher Ressourcen kämpfen, dass wir international die Bem ühungen um Zugang und sichere Versorgung zu Trinkwasser oder Strategien zur Armutsminderung verfolgen, um nur drei zentrale Themen von Johannesburg zu nennen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür müssen wir weltweite Strukturen schaffen. Wir brauchen – ich sage einmal, auch als Gegengewicht zur WTO – Organisationen zur WTO, Organisationen auf internationaler Ebene, eine schlagkräftige Weltumweltorganisation. Wir müssen aber auch die Hausaufgaben in diesem Land machen.

Im Gegensatz zur rotgrünen Bundesregierung, die im April ein Nachhaltigkeitskonzept vorgelegt hat, eine Nachhaltigkeitsstrategie für das 21. Jahrhundert fehlt eine solche durchdachte und vor allen Dingen nachvollziehbare und überprüfbare Strategie in diesem Land noch völlig.

Wir müssen diese Lücke schließen, weil es nicht ausreicht, sich im Agenda-21-Prozess vonseiten der Landesregierung auf der einen Seite auf das Engagement vieler engagierter Bürger und Bürgerinnen in den Kommunen zu berufen und sich auf der anderen Seite auf die Zuständigkeit der internationalen Vereinbarungen oder auf die Bemühungen auf Bundesebene zurückzuziehen, sondern wir brauchen ein solches Konzept in Rheinland-Pfalz.

Es fehlt ein Leitbild, und es fehlt eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung in Rheinland-Pfalz auf Landesebene.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist wohl wahr!)

Meine Damen und Herren, es ist auch nicht von ungefähr, dass das, was vor einem Jahr von den Regierungsfraktionen so laut verkündet wurde, dass es nämlich einen Agenda-21-Bericht der Landesregierung gibt, von keinem Menschen mehr angesprochen wurde, als dieser Bericht vorlag.

Weder die Landesregierung noch die regierungstragenden Fraktionen haben darüber gesprochen; denn sie haben zu Recht verschämt diesen Bericht in die Schublade gelegt und es nicht mehr zum Thema gemacht. Sie mussten nämlich feststellen, dass es ihnen nicht nur nicht gelungen ist, eine Bestandsaufnahme über die verschiedenen Bemühungen in der Landespolitik in Richtung nachhaltige Entwicklung zu Ende zu führen,

(Glocke des Präsidenten)

sondern sie haben es vor allen Dingen nicht geschafft, Ziele und Instrumente zu benennen, eine solche Richtung für die Landesregierung, für die Kooperationspart

ner und für diejenigen, die in den Kommunen vehement für diese Ziele streiten würden, vorzugeben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Stretz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung heißt diese bisher größte Konferenz der Vereinten Nationen, die derzeit in Johannesburg stattfindet.

Vor zehn Jahren gelang in Rio de Janeiro so etwas wie der erste Brückenschlag zwischen Nord und Süd, und der Begriff der Nachhaltigkeit war in aller Munde.

Die hoch gestellten Erwartungen von Rio de Janeiro sind heute nüchterner Aufbauarbeit gewichen, wie ich meine. Nachhaltigkeit ist aber nun einmal kein Zustand, Nachhaltigkeit ist ein Prozess, den wir alle am Laufen halten müssen.

Worum geht es in Johannesburg? Frau Kollegin Thomas, wir gehen oft davon aus, wir reden über ein Fachthema, bei dem wir alle gut drauf sind, was dann in Ordnung ist.

Wenn man mit den Menschen redet, wird man jedoch gefragt: Um was geht es dort eigentlich, und warum treffen die sich dort? – Deshalb erlaube ich mir einmal, den einen oder anderen Punkt konkret anzusprechen.

Es geht um wirtschaftliche, umweltpolitische und um soziale Leitlinien für die Zukunft. Lassen Sie mich eine Hand voll Themen erwähnen.

Ich will zum einen die Armut ansprechen. 1,2 Milliarden Menschen müssen mit weniger oder knapp einem Euro am Tag leben. Für uns in der zivilisierten Gesellschaft ist das unvorstellbar. Die Hälfte der Weltbevölkerung kommt gerade einmal auf 2 Euro pro Tag.

Knapp ein Fünftel der Einwohner der Entwicklungsländer bekommt nicht genügend Essen. Ein Fünftel von ihnen sind Analphabeten. Über 300 Millionen Kinder in diesen Ländern werden nicht beschult.

Die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Industrieund Entwicklungsländern wird größer, trotz der Bemühungen der letzten zehn Jahre.

Man kann keinen globalen Frieden erwarten, wenn sich die Schere zwischen armen und reichen Ländern weiter öffnet; so kann man Klaus Töpfer zitieren.

Diese Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen soll, wenn die Erklärungen abgeschlossen sind, bis zum

Jahr 2015 etwa halbiert werden. Das sind immer noch viel zu viele. Ich glaube, wenn man sich diese Zahl vor Augen führt, dann merkt man die Dramatik, die darin liegt.

Ich will einen weiteren Bereich ansprechen, das Wasser. 18 % der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem, ordentlichen Wasser. Der Zugang zu sanitären Einrichtungen fehlt bei fast 40 %.

Über 2 Millionen Menschen in Entwicklungsländern – überwiegend sind es Kinder – sterben jährlich durch Krankheiten, die durch eben diesen Mangel verursacht werden. Auch das wissen wir mittlerweile: Die Gefahr, dass in Zukunft Kriege um dieses Gut „Wasser“ geführt werden, wird immer größer.

Ein weiterer Bereich ist die Energie. Rund 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einer modernen Energieversorgung. Der Energieverbrauch steigt aber weiter und würde sich – wenn man die Zahlen der letzten Jahre betrachtet – bis 2055 etwa verdreifachen gegenüber heute.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Energieverbrauch wird steigen müssen. Das ist überhaupt keine Frage; denn wir wollen den Menschen in der dritten Welt, in den Entwicklungsländern Chancen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zugestehen. Da kann man nicht sagen, ihr könnt euch zwar entwickeln, aber ohne Energie.

(Beifall der SPD)

Um aber nun eine exorbitante Steigerung von Treibhausgasemissionen zu verhindern, brauchen wir – gestern hatten wir auch über dieses Thema geredet – einen wesentlich höheren Anteil erneuerbarer Energien. Dort denkt man für die nächsten acht bis zehn Jahre an etwa 15 % Gesamtanteil.

Lassen Sie mich noch etwas zur Umwelt und Artenvielfalt sagen. Über 11.000 Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben aktuell bedroht, und über 800 Arten sind bereits unwiederbringlich ausgestorben.

In den Entwicklungsländern werden mehr als 90 % des Abwassers und 70 % der Industrieabfälle ungeklärt in die Meere geleitet. Der Meeresspiegel ist in den letzten 100 Jahren um zehn bis zwanzig Zentimeter gestiegen und jährlich – so sagen Experten – sind etwa 46 Millionen Menschen weltweit von Überflutungen aufgrund der Zunahme von Stürmen betroffen. Hierzu hatten wir gestern ebenfalls eine ausführliche Debatte.

Über das, worüber wir gestern geredet haben, das aktuelle Hochwasser und über die Jahrhundertflut in Deutschland – man muss natürlich auch die verheerenden Überschwemmungen in Asien nennen –, besteht einfach die Chance, dass diese aktuelle Debatte so etwas wie ein politischer Katalysator auch für Johannesburg werden kann und werden muss.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für Rheinland-Pfalz!)

Agenda 21 war nach Rio de Janeiro ein Startsignal. Anfänglich sehr zaghaft, heute fast schon selbstverständlich.

Deshalb ist es vielleicht gar nicht mehr so spektakulär. Deshalb muss man immer wieder in den Bereichen, in denen wir Möglichkeiten haben, darauf hinweisen, meine ich.

Ich werde nachher noch etwas zu den kommunalen Aktivitäten sagen.

Danke schön.

(Beifall der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Licht das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Stärkung des Umweltbewusstseins bleibt eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, der sich die CDU auch in Rheinland-Pfalz stellt. Dabei sehen wir im echten Sinn einer nachhaltigen Entwicklung Umweltschutz nicht isoliert, sondern in einer Einheit mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Frau Thomas, ich kann das nur unterstreichen, was Sie und auch Ihr Kollege, Herr Dr. Braun, in der Debatte, die wir über die Wirtschaftspolitik vorhin geführt hatten, am Schluss gesagt haben; denn diese Verknüpfung brauchen wir. Herr Stretz, Sie haben gesagt, dass Sie in der zweiten Runde noch einmal darauf eingehen werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dabei auch den rheinland-pfälzischen Bezug herstellen würden.

Einer der Organisatoren des Gipfels in Johannesburg sagte in diesen Tagen: „Rio lieferte den Schaltplan zu einer nachhaltigen Entwicklung. Was wir noch brauchen, ist ein Wegeplan.“ Bei dem gesamten Strauß von Themen, der dort behandelt wird, sind Stichworte wie beispielsweise „Lokale Agenda“, die gebraucht worden sind, eine gute Plattform.

(Unruhe im Hause)

Wir sehen aber im Land Rheinland-Pfalz, dass wir häufig mit zu wenig Bürgerbeteiligung und zu oft mit zu wenig Bürgerinteresse diese Debatten führen.

Die Opposition in diesem Landtag mahnt seit einiger Zeit ein Zukunftsprogramm „Energie Rheinland-Pfalz“ an. Frau Ministerin, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dies in den letzten Tagen selbst aufgegriffen haben und fordern, dass wir uns einem Energiekonzept Rheinland-Pfalz widmen sollen. Es macht Sinn, wenn wir die Diskussion heruntergebrochen auf unser Land führen.

Das Ziel, das in der EU festgelegt wurde, ist es, die erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 von 6 % auf