Ein weiteres Problem ist die Notarztversorgung. Ich erinnere an die große Aktion der Landesärztekammer vor einigen Monaten, bei der sich einige Dutzend Kollegen gemeldet haben. Ich muss mit Freude und Erstaunen feststellen, dass das bei der Landesregierung wohl auch ernst genommen wird.
Frau Ministerin, anders ist es nicht zu verstehen, dass Ihr Staatssekretär im Juli dieses Jahres den Mitgliedern des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit mitgeteilt hat, dass man im Rahmen der am 3. Juli stattgefundenen Arbeitsgruppe „Notarzt“ die Hilfeleistungsfrist für den Rettungsdienst nach wie vor auf 15 Minuten definiert, dies für den Notarzt aber jetzt anders sieht. Ich wundere mich darüber sehr und bin gespannt, wie man das à la longue der Öffentlichkeit klar
machen will; denn das sind Dinge, die ich im Gesetz persönlich völlig anders lese. Man hat es auch 10 Jahre so praktiziert, und plötzlich sollen diese 15 Minuten für den Notarzt nicht mehr gelten. Das kann es eigentlich in diesem Sinn auch nicht sein.
Problematisch ist auch, dass über die Hälfte der Universitätsabsolventen – das wurde eben auch gesagt – dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht. Das hat Ursachen. Dieser drohende Personalnotstand wird gewaltig ansteigen, wenn nichts geschieht. Deswegen müssen wir jetzt gemeinsam handeln. Der Marburger Bund hat in vielen Punkten Recht, nicht in allen. Ihr Parteifreund Montgomery drückt das manchmal sehr drastisch aus. Die Arbeitsbedingungen müssen grundlegend verbessert werden, damit auch Leute bereit sind, länger im Beruf zu arbeiten. Die Dienstpläne müssen flexibel gestaltet werden, und eine leistungsgerechte Bezahlung muss gewährt werden.
Herr Brinkmann, ich stimme Ihnen zu, wenn man weniger arbeitet, verdient man weniger Geld, aber die Zeit, die man arbeitet, muss angemessen vergütet werden.
Meine Damen und Herren, es ist ein Skandal, dass man als Notarzt, der eine qualifizierte mehrjährige Facharztausbildung hinter sich hat, im Norden von RheinlandPfalz elf Euro die Stunde brutto bekommt. In der Pfalz ist es fast das Doppelte. Ich habe das selbst einmal getestet. Das kann doch nicht sein. Da muss man doch regulieren.
Ich möchte abschließend noch auf die Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss im Juni dieses Jahres hinweisen. Diese Anhörung war bedeutend aufschlußreicher als die Beantwortung der großen Anfrage der SPDFraktion, weil dort alle – mit Ausnahme der Kostenträger – die prekäre Situation andiskutiert haben. Bei den Kostenträgern konnte ich einen gewissen Zynismus durchaus feststellen.
Das haben Sie jetzt gesagt. Wir reden hier von Ärzteversorgung und nicht von Parteien. Ich muss leider feststellen, dass sich die Kostenträger auf rein statistische Daten reduziert haben. Ich kann Ihnen das auch nicht verübeln, weil Sie die Problematik nicht in Gänze erfassen.
Das Problem ist einfach folgendes, dass wir in der Tat eine leicht ansteigende Ärztezahl haben – die Zahlen stimmen –, aber das Tätigkeitsfeld eines Krankenhausarztes hat sich in den letzten 10 Jahren grundlegend geändert. Zum einen ist die Verweildauer bedeutend kürzer. Das heißt, der Arzt oder die Ärztin muss bedeutend mehr Patienten in kurzer Zeit durchschleusen, und das Berufsumfeld – das kann auch ein AOK-Präsident oder ein DAK-Präsident nicht erschließen – ist derartig mit Administration belastet worden, dass das Kräfte bindet, die man besser für die Patienten zur Verfügung hätte. Deswegen rufe ich alle dazu auf, dass wir in der
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Ärzteschwemme“ und „Ärztemangel“ sind Schlagzeilen, die nur drei oder vier Jahre auseinander liegen. Wir sehen an diesen unterschiedlichen Einschätzungen, wie sehr auch mit diesen Zahlen im politischen Raum gestritten wird. Die Zahlen sind aber interpretationsbedürftig. Da gebe ich den Vorrednern Recht. Ich möchte das an einem Beispiel klar machen: Alle Parteien unterstützen im Großen und Ganzen die Einführung des Fallpauschalensystems ab dem Jahr 2003. Dieses Fallpauschalensystem wird vermutlich dazu führen, dass die Behandlungsintensität zunimmt. Die Behandlungsintensität wird zunehmen. Das ist unstrittig. Das hieße, wir bräuchten mehr Ärzte. Gleichzeitig wird die Verweildauer abnehmen. Das hieße, wir bräuchten weniger Ärzte. Als Resultat dieser Verweildauerverkürzung werden wir höheren Bedarf in der Nachsorge haben. Wir brauchen dort also mehr niedergelassene Ärzte.
Wir brauchen auch mehr Menschen in der Pflege und in der Reha insgesamt. Vermutlich wird das System auch einen höheren Dokumentationsaufwand bringen. Da gebe ich dem Kollegen Dr. Enders ausdrücklich Recht. Das ist eine Schwierigkeit, dass neben der ärztlichen Leistung die Administration und Bürokratie in den letzten Jahren überhand genommen hat, aber nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern das ist genau wie ihr Hinweis aus dem Deutschen Ärzteblatt ein bundesrepublikanisches Phänomen, Herr Dr. Enders.
In der Einschätzung insbesondere der Anhörung zum Thema „Ärzteversorgung“ wurden die Fakten schon genannt. Es gibt unterschiedliche Interpretationen. Es gibt aber auch noch eine Sache, auf die ich mir hinzuweisen erlaube. Die für die Zukunft prognostizierten leicht sinkenden Ärztezahlen werden auch auf eine leicht sinkende Bevölkerungszahl treffen, sodass der Quotient vermutlich gleich bleiben wird. Auch das ist wichtig. Man kann also nicht in dem einen einfach fortschreiben und die Entwicklung des anderen wichtigen Segments in diesem Bereich der Bevölkerung vernachlässigen.
In den Lösungsansätzen müssen wir sehr stark zwischen der Landesebene und der Bundesebene unterscheiden. Über die Problematik auf Landesebene wurde in diesem hohen Hause wie auch im Ausschuss sehr umfangreich gesprochen. Ich erspare mir die Diskussion in Konsequenz des EUGH-Urteils und beziehe mich im
Wesentlicher ist die Bundesebene. Da wurde für die von Herrn Montgomery aufgeworfenen Personalwünsche eine Tube weiße Salbe verordnet, bisher 100 Millionen Euro. Das hört sich erst einmal sehr viel an, aber im Vergleich zu der Gesamtproblematik ist es nicht viel. Eine grundlegende Änderung wird sehr stark davon abhängen, ob man den Ärzteberuf wieder attraktiv machen kann; denn das Hauptproblem liegt darin, dass anders als zu der Zeit, als die Ärzte studiert haben, die hier im Parlament sitzen, nicht 98 % der Studenten in den Beruf gehen, sondern inzwischen 40 % der Studenten und Ärzte in andere Berufe gehen. Das ist ein zentrales Problem, das wir lösen müssen, das wir nur lösen können, wenn wir den Berufsstand wieder attraktiver machen.
Es stimmt, dass im Abwägen zwischen Ausbildungsdauer, Praxisinvestitionen, Verantwortung und dem, was früher als Attraktivität des Berufsstands beschrieben wurde, heute ein Missverhältnis besteht. Das zeigt sich in diesen Zahlen.
Meine Damen und Herren, wesentlich für die FDP ist, dass wir die Attraktivität dieses Berufsstands im vorhandenen System nicht werden steigern können. Wir werden es nicht schaffen, beispielsweise die von der CDU geforderte bessere Bezahlung bei gleichzeitig erhöhter Ärztezahl und einer Senkung der Lohnzusatzkosten, zu denen die Krankenversicherungen erheblich beitragen, zu erreichen. Wir werden dies nur schaffen, wenn wir einen Systemwechsel vornehmen.
Es ist schon frappierend, dass volkswirtschaftlich in allen Bereichen bejubelt wird, wenn höhere Nachfrage besteht, sogar händeringend versucht wird, höhere Nachfrage anzustoßen, und just in einem Bereich, der ein Wirtschaftsmotor sein könnte, höhere Nachfrage als die Katastrophe schlechthin gesehen wird. Ein Gesundheitssystem, das, wie die FDP es fordert, ein transparentes System im Wettbewerb einer vernünftig organisierten ordnungspolitisch sauberen Marktwirtschaft und der Schutz sozial Schwacher ist, wird diesen Forderungen gerecht. Alle anderen Versuche, diese Ziele durch kleinere Korrekturen zu erreichen, werden scheitern.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir in den vergangenen Jahrzehnten eines in der Diskussion über die Versorgung mit Ärzten und die Gesundheitspolitik gelernt haben sollten, dann ist es die Erkenntnis, dass allein schon das Reden, das Debattie
ren über Ärzteschwemme oder Ärztemangel eine steuernde Wirkung auf die Zukunft haben und es einfach heißen kann, wenn man heute über Ärzteschwemme redet, dass man in fünf Jahren oder zehn Jahren zu wenige hat, weil einfach weniger studieren. Man kann auch den umgekehrten Effekt erzielen. Deshalb muss es auch im politischen Bereich angebracht sein, dass wir versuchen, uns einigermaßen seriös an den Fakten entlangzuhangeln. Diese Fakten sagen – dies sagt auch die Antwort auf die Große Anfrage und die bereits zitierte Anhörung, die wir im Sozialpolitischen Ausschuss hatten –, dass die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren relevant gestiegen ist. Das muss man konstatieren. Wir wissen weiterhin, dass wir zwar in der Gesamtzahl genügend Ärzte haben, aber hinsichtlich der Verteilung, was die einzelnen Fachgebiete angeht, aber auch, was die Problematik Städte und Land angeht, einige Frage offen sind. Die Zentrierung auf die Städte hat sich etwas verstärkt.
Wir wissen aus der Erfahrung der Vergangenheit, und wir können das an den allgemeinen Bevölkerungsentwicklungen ablesen, dass die sich aus der Demographie ergebenden Probleme in Zukunft auf uns zukommen werden, und zwar sowohl was die potenziellen Patientinnen und Patienten angeht als auch, was die Ärzte selbst angeht. Da muss man rechtzeitig gegensteuern.
Wir wissen darüber hinaus, dass der Drang, Hausarzt zu werden, wohl nicht so ausgeprägt ist, wie der, vielleicht Radiologe oder Zahnarzt zu werden.
Da die Hausärzte nach allgemeinem Übereinkommen hier, aber auch bundesweit, in Zukunft eine wesentlich größere Rolle bei der Gesundheitsversorgung spielen sollen, ist das ein Signal, bei dem man sagen muss, da muss man gegensteuern.
Wenn ich sage, wir müssen uns sachlich mit den Fragen, die uns bewegen, auseinander setzen, dann kann ich nicht verhehlen, dass mich mindestens ein Punkt auch in der Beantwortung der Großen Anfrage ziemlich ärgert. Das ist der Punkt, bei dem es um die Versorgung mit Krankenhausärzten geht.
Wir hatten dieses Thema bereits des Öfteren. Viel bewegt hat sich seitens der Landesregierung nicht. Die Große Anfrage – ich weiß, dies ist auch eine Zeit lang her – sagt erneut, es handele sich nur um Einzelfälle. Das steht so wörtlich drin.
Die wesentlich aktuellere Anhörung, die wir hatten, hat andere Ergebnisse erbracht. Man braucht nicht Montgomery, Dr. Altherr oder sonst wie zu heißen, um zu sagen, das wir hier einen erheblichen Bedarf haben.
Selbst von den Kassen – was man gar nicht vermuten könnte – wird eingestanden, dass wir einen gewissen Bedarf haben. Dieser Bedarf liegt in Rheinland-Pfalz bei
ungefähr Tausend. Wenn man sagt, dies kann man nicht finanzieren, wie Herr Dr. Brink das getan hat – – –
Wenn Herr Dr. Brinkmann gesagt hat, man könne dies nicht finanzieren, dann muss ich feststellen, wenn Sie meinen, dass es nicht gelingt, das zu finanzieren, dann müssen Sie fordern, dass das Arbeitszeitrecht in diesem Land geändert wird; denn das wird in vielen Krankenhäusern weiterhin permanent verletzt. Die Bagatellisierung des Ganzen, indem man es Einzelfälle nennt, wird der Sache nicht gerecht, weder den Ärzten noch den Patientinnen und Patienten.
Man darf die Situation insgesamt weder traumatisieren noch hochjubeln, aber man muss steuernd eingreifen.