Protocol of the Session on May 16, 2002

(Billen, CDU: Sehr gut!)

Ich denke, dass Kombilohnmodelle insgesamt in ihrer Nische bleiben werden. Sie werden immer nur kleine Bereiche abdecken können, es sei denn, man setzt tatsächlich flächendeckend und in großem Ausmaß auf die Forcierung eines Niedriglohnsektors, wie das in

anderen Ländern probiert worden ist. Dafür gibt es Protagonisten. Glücklicherweise sind die nicht in der Mehrheit. Im Moment sehe ich glücklicherweise nirgends politische Mehrheiten in diesem Land, weder in diesem Bundesland noch im Bund insgesamt, das durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, das hätte in der Tat soziale gesellschaftliche Verwerfungen zur Folge, die wir alle nicht wollen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es angenehm, dass im Grunde alle Parteien dem Mainzer Modell auch Positives abgewinnen können. Das verwundert insofern nicht, als die GRÜNEN über Berlin jetzt auch mit dabei sind. SPD und FDP finden sich schon hier in Rheinland-Pfalz, und die CDU hat mit ihrem Saarbrücker Modell eine Variante vorgelegt, die nicht unbedingt erfolgreicher war. Deshalb kam es auch nicht zum Zug und findet sich im Übrigen in dieser Neuversion, seit es bundesweit ausgedehnt wurde, über den Arbeitgeberzuschuss auch wieder beinhaltet. Im Grunde eine Sache, die gar nicht so im Dissens steht, wie dies zum Teil ein wenig anklang.

(Rösch, SPD: In der Presse- konferenz anklang!)

Ich glaube, es ist letztlich die Frage nach der Betrachtungsweise und nach dem Zeitpunkt. Wir sprechen über Chancen, Grenzen, Erwartungen, Erfahrungen und Ergebnisse des Mainzer Modells. Es fehlt noch, dass wir über Schlüsse sprechen. Das wird irgendwann kommen. Ich glaube, für Schlüsse ist es noch zu früh.

(Rösch, SPD: So ist das!)

Es ist niemand da gewesen, der das jetzt so hoch gehängt hätte,

(Rösch, SPD: Niemand!)

dass wir davon den arbeitspolitischen Durchbruch – je nach Betrachtungsweise bei 6 Millionen oder 4 Millionen Arbeitslosen bundesweit – erwartet hätten.

Es geht in der Tat um den Niedriglohnbereich. Es geht in der Tat darum, halb voll oder halb leer zu sehen. Wenn wir es aus dem Blickwinkel des Betroffenen sehen, macht es schon einen Unterschied, ob der Familienvater arbeiten geht oder Stütze bekommt. Wenn wir es aus dem Blickwinkel der großen statistischen Erwartungen sehen, die man vielleicht auch hie und da angestellt hat, dann muss man differenzieren.

Ich darf Ihnen die neuesten Zahlen präsentieren, auf die wir natürlich stolz sind: Die Bundesanstalt für Arbeit gibt bekannt, dass in den Monaten März und April summa sumarum ca. 1.600 Anträge eingegangen sind. 1.600 Anträge in zwei Monaten. Dann stellt sich die Frage: Ist das viel oder ist das wenig? – Das sind 50 pro Monat pro Bundesland. Gut. Aber mit Zahlen kann man trefflich streiten. 300 neue Fälle sind in einem ähnlichen Zeitraum in Rheinland-Pfalz hinzugekommen. Zieht man diese 300 von den 1.600 ab, dann wirkt sich das erst einmal so aus, dass die Zahlen pro Bundesland niedriger werden. Dann tendiert man eher zu halb leer. Sieht man aber dieses rheinland-pfälzische Ergebnis von 300 Neuzugängen in einem Bundesland in drei Monaten, tendiert es wieder eher zu halb voll, zu voll; denn 300 neue Fälle von Februar bis April nur in Rheinland-Pfalz ist eine interessante Zahl. Das muss man anerkennen.

(Beifall des Abg. Hartloff, SPD)

Bitte unterstützen Sie den Herrn Kollegen Hartloff in seinem frenetischen Beifall.

(Beifall des Abg. Kuhn, FDP)

Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass das nicht der große Durchbruch ist. Das ist nicht die Herztransplantation. Aber das ist auch nicht nur der Wadenwickel.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist das Hustenbonbon!)

Das ist ein interessanter Weg, den man beschreiten muss, wenn man nicht in der Lage ist, den großen Wurf zu landen. Dazu sehe ich fairerweise im Moment keine Partei in der Lage.

Meine Damen und Herren, aber eines – damit komme ich zum Schluss – gilt es auch festzuhalten: Es ist sehr interessant, dass das, was die FDP vor zehn Jahren unter der Schelte anderer gesagt hat, dass das Lohnabstandsgebot keine ordnungspolitisch theoretische Größe ist, sondern etwas sozialpolitisch höchst Spannendes, jetzt auch von den anderen Parteien in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung gestellt wird. Dafür sind wir dankbar. Weiter so gemeinsam. Irgendwann kommt dann noch etwas Positiveres heraus.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Ich erteile Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Gestatten Sie mir zunächst wenige Sätze zur Vorgeschichte.

Seit dem Jahr 2000 wurde in ausgewählten Modellregionen in Rheinland-Pfalz das Mainzer Modell erprobt.

Vorausgegangen ist eine mindestens 15-jährige bundesweite Diskussion und Debatte über die verschiedensten Kombilohnmodelle im Niedriglohnbereich. Diese Diskussionen wurden oft heftig und auch mit sehr viel Aufwand betrieben, aber eigentlich ohne konkrete Erfolg versprechende Umsetzungen.

Die Landesregierung hat mit dem Mainzer Modell den ersten Schritt getan. Inzwischen hat der Bund das Mainzer Modell als einziges der erprobten Kombilohnmodelle tatsächlich übernommen, und das ist für sich allein schon ein Erfolg.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Mainzer Modell für Beschäftigung und Familienförderung ist zum Einsatz gekommen, weil es sich von den anderen Modellen in ganz wichtigen Punkten unterscheidet. Es war das erste finanzierbare Modell. Alle bis zu diesem Zeitpunkt diskutierten Modelle konnten zwar in einigen Punkten theoretisch überzeugen, waren aber, und dies ist ein K.o.-Kriterium, aus den verschiedensten Gründen nicht finanzierbar.

Das Mainzer Modell wurde deshalb so konzipiert, dass es auf eine bestimmte Einkommenshöhe und auf neue Beschäftigungsverhältnisse begrenzt wurde. Damit wurde es letztendlich auch finanzierbar.

Die Mitnahmeeffekte des Mainzer Modells sind gegenüber den vorher diskutierten Modellen, die einen sehr breiten Ansatz hatten und eine Förderung für alle oder bestimmte Einkommensgruppen ohne Ausnahme vorgesehen haben, ausgesprochen gering. Voraussetzung für Leistungen des Mainzer Modells ist die tarifliche oder ortsübliche Entlohnung. Damit hat das Mainzer Modell auch die Akzeptanz der Gewerkschaften erhalten, die großen Wert darauf legen, dass durch ein solches Modell kein Lohndumping in Kraft gesetzt wird.

Herr Marz, es geht mir nicht darum, den Niedriglohnbereich zu forcieren, um das noch einmal klarzustellen.

Grundsätzlich eröffnet das Modell unteren Einkommensgruppen die Möglichkeit auf ein erhöhtes Nettoeinkommen. Natürlich erhoffen wir uns durch dieses befristete Modell auch so etwas wie einen Klebeeffekt – in Anführungszeichen –, nämlich dann, wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einem Betrieb drei Jahre gearbeitet haben, dass möglicherweise der Betrieb zu der Erkenntnis gelangt, ein bisschen mehr zu bezahlen, um die Kraft zu behalten.

Zusätzlich werden positive Effekte bei der Teilzeitbeschäftigung erzeugt, die gewünscht waren. Die Evaluation zeigt uns jetzt, dass in diesem Bereich sogar ein Schwerpunkt entstanden ist, der in diesem Ausmaß gar nicht von uns erwartet wurde. Rund zwei Drittel aller Teilnehmer waren in Teilzeit arbeitende Frauen. Das ist ein Ergebnis, das mit keinem anderen Instrument so erzielt worden ist.

Die Anspruchsberechtigung ist einfach zu klären, da sie einzig am Einkommen und am Beschäftigungsverhältnis ansetzt. Es ist unabhängig von bestimmten Qualifikationsniveaus und eröffnet auch dadurch ein Beschäfti

gungspotenzial für gut ausgebildete Personen, die in Teilzeit arbeiten wollen. Das löst natürlich nicht die Problematik der Kinderbetreuung, die immer im Rahmen der Beschäftigung von Frauen ein Thema ist. Aber auch in diesem Bereich ist die Landesregierung mit dem Ministerium von Frau Ahnen sehr engagiert bei der Sache, um dieses Thema positiv zu befördern.

Ein weiterer Pluspunkt des Modells ist der integrierte Kindergeldzuschlag für Familien und Alleinerziehende. Dadurch wird das Modell ein Stück weit zu einem Fam ilienmodell.

Vor dem Hintergrund dieser Pluspunkte ist die von Anfang an geäußerte Kritik nur schwer verständlich. Ich bin mir zwar darüber im Klaren, dass aufgrund der langjährigen Diskussionen über die verschiedenen Modelle und die prognostizierten Fallzahlen ein enormer Erwartungsdruck entstanden ist, das kann und darf aber nicht dazu führen, dass die positiven Effekte des Mainzer Modells übersehen werden.

Ich komme noch einmal auf den Verlauf des Projekts zu sprechen. Beim Mainzer Modell handelte es sich bisher um ein Modellprojekt, das bewusst in der Praxis erprobt werden sollte, auch um Erfahrungen hinsichtlich weiterer Verbesserungen zu sammeln. Aus diesem Grund wurden Probleme, die sich in der Modellphase gezeigt haben, bereits durch die Modifizierung der Förderrichtlinien zum 1. März 2002 behoben. Hierzu zählen beispielsweise eine vereinfachte Handhabung des Modells durch Pauschalierung, die Möglichkeit von Zuschüssen für die Arbeitgeber und die Gewährung von Leistungen des Mainzer Modells ohne Abstriche bei der Sozialhilfe. Dazu hat es eine gesetzliche Änderung geben. Letztlich ist noch die Laufzeitverlängerung des Modells bis zum Jahr 2003 zu nennen.

Es gibt also unmittelbare Reaktionen auf die Erfahrungen der Praxis der vergangenen Jahre. Die Landesregierung ist nicht mit dem Anspruch angetreten, das Mainzer Modell löse alle Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Dazu sind die Problemlagen im Übrigen viel zu vielschichtig. Das Mainzer Modell versucht aber, eine Antwort auf zentrale Probleme unseres Beschäftigungssystems zu geben.

Im unteren Einkommensbereich haben wir fast nur 325Euro-Beschäftigungen und Schwarzarbeit. Für Empfänger von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist es oft finanziell uninteressant, eine niedrig bezahlte Tätigkeit aufzunehmen. Vor allem im Dienstleistungssektor entstehen oftmals keine regulären Beschäftigungsverhältnisse, weil der Preis der Arbeit mit allen Lohnnebenkosten zu hoch ist. Das Mainzer Modell bietet hierfür Lösungen.

Das Mainzer Modell verzeichnet weiter deutliche Zuwächse.

(Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)

Für Rheinland-Pfalz kann ich berichten, dass von Februar bis Ende April die Zahl der Förderfälle um fast 300 auf 1.036 angestiegen ist. Damit hat sich der Zuwachs von durchschnittlich ca. 100 Fällen pro Monat fortge

setzt. Das ist ein Beleg dafür, dass das Mainzer Modell ein zartes Pflänzchen ist, das noch wächst.

Noch ein Wort zur Relation zwischen den Ausgaben und den Fällen. Frau Abgeordnete Thelen, ich bin der Meinung, dass Ihnen ein kleiner Denkfehler unterlaufen ist. Selbst als das Mainzer Modell nur Landesprogramm war, hat der Bund 80 % bis 85 % der Mittel übernommen. Die von Ihnen genannte Zahl ist also der reine Landesanteil. Heute liegt die durchschnittliche Förderung zwischen 200 DM und 1.000 DM. Es wird also mindestens mit 100 Euro gefördert.

Gerade vor dem Hintergrund dieser Aussprache ist es mir wichtig, einige Sätze zu den Zielen zu sagen. Das Mainzer Modell hat zwar keine bestimmte Zielgruppe, seine Ausgestaltung bietet aber vor allen Dingen Vorteile für gering verdienende Menschen, die Beschäftigung von Frauen, die Steigerung der Attraktivität von Teilzeitarbeit, Alleinerziehende, denen mehr Einkommen zur Verfügung steht, für diejenigen, die Transferleistungen erhalten und für die sich Arbeit wieder lohnt, und für Arbeitgeber – auch das möchte ich betonen –, die Stellen in unteren Lohngruppen häufig nicht besetzen, sondern das anders durch die Arbeitsorganisation abdecken.

Die Zahlen der Evaluation belegen, dass diese Ziele erreicht werden. Im Januar 2002 entfielen 61,3 % der Förderzugänge auf Frauen. In rund 80 % der Förderfälle wurde der Kindergeldzuschlag gezahlt. Ca. 65 % der Fälle bestanden im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung. Rund 65 % der geförderten Personen waren vormals arbeitslos und knapp 11 % geringfügig beschäftigt. Rund 48 % hatten vorher Sozialhilfe bezogen.

Noch ein Wort zur aktuellen Debatte. Die jetzt wieder aufkommende Diskussion über die Kosten von Kombilohnmodellen, die auf einer Studie des Arbeitsministeriums Nordrhein-Westfalen beruhen, ist aus rheinlandpfälzischer Sicht nicht ganz nachvollziehbar. Ich weiß nicht, ob Sie es der Presse bereits entnommen haben. Nach der Vorabveröffentlichung der Ergebnisse dieser Studie musste jede Stelle pro Jahr mit 73.000 Euro bezuschusst werden. Der Betrag ist so exorbitant hoch, dass man sich schon fragt, welche Kosten im Rahmen dieser Studie eingerechnet worden sind. Da als Begründung unter anderem eine Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen und damit ein Ausfall von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen angeführt wird, kann es sich wiederum nur um die bereits zu Beginn meiner Rede dargestellten ursprünglichen Kombilohnmodelle handeln, die in keiner Weise mit dem Mainzer Modell verglichen werden können.