Protocol of the Session on March 13, 2002

Also gibt es doch gewisse Einsparpotenziale beim Personal des Landes. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Steigerung von 266 Stellen, die Sie seit dem Jahr 1991 zusätzlich eingerichtet haben, in der Staatskanzlei und in den Ministerien zurückzuführen. Herr Ministerpräsident, fangen Sie damit an; denn Sie lassen sich mit diesem Doppelhaushalt zusätzlich 18 Stellen für die Staatskanzlei genehmigen. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!

(Beifall der CDU)

Ich wäre auch froh, wenn ich als Oppositionsführer ein Callcenter für die Bürgerbetreuung und für die Bearbeitung von Petitionen hätte. Ich weiß, dass das im Zeitalter der Kundenorientierung der Politik eine schicke Sache ist, aber wir können uns das auch nicht leisten. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und sagen: Die Einsparung dieser 18 Stellen ist der erste Beitrag, den ich leiste bzw. den wir leisten zur Zurückführung der Nettoneuverschuldung und zu einer Verschlankung der Personalwirtschaft in Rheinland-Pfalz.

Ich bin sicher, wenn Sie mit diesem Beispiel vorangehen, werden Ihnen Ihre Ministerkolleginnen und Ministerkollegen folgen und die weiteren 50 Stellen in den Ministerien ebenfalls unbesetzt lassen. Das wäre schon einmal ein Signal, meine Damen und Herren.

Ich weiß auch, dass das zum großen Teil Beamte sind, die nicht von heute auf morgen entlassen werden kön

nen, aber es ist nicht die Welt, die zustande kommt, wenn wir uns darauf verständigen, Schritt für Schritt diese 266 Stellen zurückzuführen. Mit welchem Einsparbetrag kommt schon die Welt zustande. Sparen ist immer das Einsammeln von Groschenbeträgen in der Sammelbüchse. Die Sammelbüchse wäre schon zu einem Drittel gefüllt, wenn Sie die Kraft hätten, das zu tun.

Ich nenne ein zweites Beispiel, die Subventionen an die Wirtschaft. Ich erwarte täglich die Haushaltsbriefe der SPD-Fraktion. Vielleicht sind sie schon verschickt.

(Mertes, SPD: So ist es! Per E-Mail!)

Das ist sehr gut. Dafür benötigen Sie auch kein Callcenter. Das haben Sie auch mit Ihrem Personalbestand geschafft.

Die böse Opposition, die angeblich immer die Interessen der Wirtschaft im Blick hat, habe vorgeschlagen, die Subventionen für die Wirtschaft zu kürzen. Meine Damen und Herren, wir haben das vorgeschlagen. Wir haben das aber nicht vorgeschlagen, weil wir von allen guten Geistern verlassen wären – jedenfalls bei dem Punkt sind wir das nicht –, sondern weil wir in der Sache davon überzeugt sind, dass es richtig und an der Zeit ist, das zu tun.

Dabei denken wir an die direkten Unternehmenssubventionen. Wenn man sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, stellt man fest, dass in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren einiges in den Haushalt eingestellt worden ist. Die Mitnahmeeffekte werden immer größer. Das sagen Ihnen übrigens auch die Vertreter der Wirtschaft. Ferner wird die Förderkulisse immer unübersichtlicher. Fragen Sie einmal den Handwerksmeister um die Ecke, ob es ein Programm in Rheinland-Pfalz für ein Problem gibt, das er zurzeit in seinem Betrieb hat. Die Vermutung, dass es ein Programm gibt, ist übrigens sehr groß, weil es für das allermeiste inzwischen ein Programm gibt.

Die Erfolgskontrolle ist inzwischen unmöglich geworden. Ich habe schon verschiedentlich einen Beitrag aus der im Vorfeld des Landtagswahlkampfs von der Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern des Landes herausgegebenen Broschüre „Markenartikel Rheinland-Pfalz“ zitiert, da er für mich wirklich bemerkenswert und erhellend war.

Lesen Sie einmal auf der Seite 7 nach, was die Wirtschaft selbst unter dem Stichwort „Wirtschaftsförderung wettbewerbsneutral gestalten“ sagt. Dort steht: „Es ist allerdings an der Zeit, auch in Rheinland-Pfalz die Förderlandschaft wieder stärker wettbewerbsneutral zu gestalten und damit klare ordnungspolitische Ziele zu realisieren. Die einzelbetriebliche Projektförderung sollte durchforstet und auf wenige Schwerpunkte konzentriert werden. Die Administration zu vieler Förderprogramme wird durch immer mehr Berater immer teurer.“

Meine Damen und Herren, das ist so! Deshalb wäre es an der Zeit, die Förderkulisse zu durchleuchten, sie zu vereinheitlichen und sich auf Schwerpunkte zu konzentrieren und das, was möglicherweise an Wildwuchs bei

den direkten Unternehmenssubventionen entstanden ist, auf ein paar wenige Akzente zurückzuführen.

Ich möchte zu einem dritten Punkt kommen, wenn von Einsparpotenzialen in unserem Haushalt die Rede ist. Das sind Einsparpotenziale, über die wir in unserer Verantwortung verfügen können. Ich nenne die Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt.

Als wir das vor zwei Monaten in der Fraktion beschlossen haben, war ich fest davon überzeugt, dass die Sozialdemokraten einen Sturm der Entrüstung in RheinlandPfalz entfachen werden. Ich ging fest davon aus und hätte meinen Kopf dafür verwettet.

Das Beispiel zeigt, wie gut man beraten ist, seinen Kopf nicht zu verwetten; denn die Welt hat sich natürlich in diesem Punkt – wie soll man sagen? – in den vergangenen sechs Wochen dramatisch verändert.

Wir haben im Land Rheinland-Pfalz jährlich 410 Millionen Euro, die über die Arbeitsämter für den zweiten Arbeitsmarkt verfügbar sind. Das ist ein stolzer Betrag. Damit kann man einiges tun. Diesen 410 Millionen Euro jährlich führt die Landesregierung aus eigenen Mitteln und aus Fremdmitteln weitere 50 Millionen Euro zu.

Wir haben vorgeschlagen – das übrigens auch, weil wir eine sachliche Überprüfung in diesem Punkt für dringend notwendig halten, so wie die Direktsubventionen an rheinland-pfälzische Unternehmen einer sachlichen Überprüfung bedürfen –, aus den Mitteln, die das Land zusätzlich zu den 410 Millionen Euro, die über die Arbeitsverwaltung für Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt werden, zuführt, einen unserer Meinung nach bescheidenen Betrag von rund 3,0 % bzw. 3,3 % einer Einsparung zuzuführen; dies übrigens auch deshalb, weil sich die Frage der Treffsicherheit und der Erfolgskontrolle immer mehr stellt. Das war unser Kenntnisstand vor zwei Monaten. Wie gesagt, das ist in der sicheren Erwartung geschehen, dass die Sozialdemokraten ein Kriegsgeheul im Land Rheinland-Pfalz beginnen würden.

Das ist nicht geschehen, weil wir neuerdings einen neuen und wohl starken Verbündeten in dieser Diskussion haben. (Beifall der CDU – Unruhe bei der SPD)

Herr Minister, ich weiß, dass in der Politik Lob von der falschen Seite nicht förderlich ist. Deshalb gehe ich mit diesem Lob sehr spärlich um. Ich will aber sagen, dass es Grund für ein solches Lob gibt.

Wenn Herr Minister Gerster in seiner neuen Funktion den Kurs beibehält, den er jetzt angedeutet hat, wird er am Ende erfolgreich sein und eine Reihe von Missständen, die wir seit Jahr und Tag beklagen, in Deutschland abstellen können. Damit will ich es auch bewenden lassen, weil alles andere ihm seine Aufgabe nicht leichter macht. Wenn ich ihn hier lobe, weiß ich genau, was anschließend passiert. Obwohl, so wichtig bin ich auch wieder nicht, als dass das dann große Kreise ziehen würde. (Unruhe bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mich hat ein Satz im „Spiegel“-Interview in der Ausgabe 10/2002 besonders angesprochen, weil das eine Erfahrung ist, die übrigens viele von uns in diesem Landtag seit Jahren machen, und weil das ein Satz ist, der zudem an einem Tabu rührt. Herr Minister Gerster ist der Erste, der dieses Tabu nicht weiter so einfach leben lässt. Das ist der folgende Satz, den ich wörtlich zitiere: „Es kann nicht Aufgabe der Arbeitsämter sein, Unternehmen der Weiterbildungsbranche die Existenz zu garantieren.“ Das ist ein wirkliches Problem.

(Dr. Weiland, CDU: Sehr richtig!)

Deshalb ist unser Vorschlag, 3 % der 50 Millionen Euro Landesmittel für den zweiten Arbeitsmarkt einer Einsparung zuzuführen, alles andere als ein verantwortungsloser Vorschlag.

Ich gehe nicht so weit wie Herr Gerster in dem Interview des „Handelsblatts“, in dem er gesagt hat: „Ganz klar, in Westdeutschland machen ABM keinen Sinn mehr.“ Unter den gegebenen Umständen machen sie tatsächlich keinen Sinn mehr; denn die Übernahmequote ist so, wie wir sie alle als Kommunalpolitiker kennen. Das ist eine Brücke, die zwei, drei Jahre trägt. Dann ist in der Regel das Ende der Veranstaltung erreicht. Wir sind alle sehr kreativ im Finden von Argumenten, weshalb das Ende erreicht ist und bestenfalls eine neue Maßnahme begonnen werden muss.

Herr Minister Gerster, ich will Ihnen Glück wünschen für den Weg, den Sie gehen, und für die Aufgabe, die Sie auf sich genommen haben.

Ich komme zurück zu unserem Landeshaushalt: Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Vorschlag der Unionsfraktion im rheinland-pfälzischen Landtag lautet: Wir wollen die von der Landesregierung und den Koalitionsfraktionen vorgesehene Neuverschuldung jedes Jahr um 10 % senken. Diese 10 % sind kein gewaltiger Kraftakt. Ich sage offen, ich weiß auch nicht, ob wir dazu in der Lage gewesen wären. Diese 10 % sind relativ leicht zu erreichen, wenn man so ehrlich ist, sich selbst zu sagen, dass es Einsparpotenziale in diesem Doppelhaushalt gibt.

(Beifall der CDU)

Das ist allerdings die Einsicht, die am Anfang stehen muss.

Wenn wir uns bei dieser Marge von 10 % im Schnitt der beiden Haushaltsjahre einpendeln würden, lägen wir bei rund 112 Millionen Euro jährlich, um die wir die Nettokreditaufnahme zurückführen könnten.

Die Vorschläge, die wir gemacht haben – sie sind einschlägig in der Öffentlichkeit kommentiert worden –, zeigen, dass es geht, wenn man will.

Deshalb ist die entscheidende Frage dieser drei Tage, ob die Landesregierung es will, nämlich eine Trendumkehr einzuleiten und einen Kurs einzuschlagen, der dazu

führt, dass der ungebremste Marsch in die Neuverschuldung endlich einmal abgebremst wird.

(Beifall der CDU)

Das ist die zentrale Aufgabe der Finanzpolitik, die sich in dieser Situation stellt.

Sparen ist kein Selbstzweck. Sparen ist nicht etwas, was man deshalb macht, weil es einem viel Freude bringt, sondern Sparen hat ein Ziel. Das Ziel kann nur sein, dass wir uns Handlungsspielräume freikämpfen, damit wir überhaupt in die Lage versetzt werden, neue Probleme, die auf uns zukommen und die wir zu einem großen Teil schon kennen, angehen und lösen zu können.

Sparen ist kein Selbstzweck, sondern Sparen ist das unverzichtbare Mittel, Freiräume zuerst einmal wieder zu eröffnen, die wir finanzpolitisch benötigen, um nicht alle Probleme, die jetzt neu auf uns zukommen, sozusagen ungelöst zur Seite schieben zu müssen.

Ich sage, wenn Politik nicht jetzt damit beginnt, sich diese Freiräume freizukämpfen, gibt sie sich selbst auf; denn dann werden die Haushalte des Landes Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren nichts anderes sein als die Folgeverwaltung der Kreditmisswirtschaft der 90er- und beginnenden 2000er-Jahre.

Deshalb lautet unsere Bitte, in diesen Tagen vielleicht doch noch zu der Einsicht zu finden. Wenn Politik sich selbst nicht aufgeben will, wenn Politik Handlungsfähigkeit zurückgewinnen will, muss die Reißleine jetzt gezogen werden. Man kann das auch zugespitzt in einem Satz zusammenfassen: Wenn Politik handlungsfähig bleiben will, kommt sie am Sparen nicht vorbei. Das ist der Sinn des Sparens und das Ziel von Sparen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen sparen, um zum einen mehr für Familien und Kinder tun zu können. Ich bin der Meinung, dass es da auch Nachholbedarf in unserem Land gibt. Ich nenne als Beispiel nur den Ausbau der Tagespflege als einen der Schwerpunkte, den wir – nicht kreditfinanziert – in unseren Anträgen vorgeschlagen haben.

Es muss mehr getan werden, um das Ganztagsangebot der Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz zu verbessern. Das gilt übrigens auch für den ländlichen Raum.

Es müssen auch erste Schlussfolgerungen mit Blick auf die erschreckenden Erkenntnisse der PISA-Studie gezogen werden. Wir müssen irgendwie darauf reagieren; denn das Thema wird uns in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen.

Wenn wir reagieren und nicht wieder etwas kreditfinanziert tun wollen – das geht nicht mehr lange, wie die Zahlen beweisen –, müssen wir uns erst die Freiräume erkämpfen, die wir brauchen, um zu einer solchen Reaktion fähig zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen sparen, um zweitens etwas mehr für die Bildung und die Ausbildung tun zu können. Ich lese, dass sich Rhein

land-Pfalz, was die Ausgaben für die Bildung und die Ausbildung anbelangt, immer an der Spitze der Meisterschaft befindet.

Mir ist ein Artikel aus einer Neuveröffentlichung, und zwar einem Nationalatlas Bildung und Kultur in Deutschland, herausgegeben vom Leipziger Institut für Länderkunde, in die Hände gefallen. Das ist ein bisschen schwer zu erkennen. Deutschland teilt sich sozusagen in drei Teile auf, was die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft, Kultur, Schule und Hochschule anbelangt. Der am kritischsten zu bewertende Teil ist ein Graben, der sich in Deutschland von Norden nach Süden durchzieht. Die Überschrift in diesem Bildungsatlas heißt „Das tiefe Tal der Bildungslosen“.

Ich weiß nicht, wer sich von uns noch an das Tal der Ahnungslosen erinnert. Das hatten wir bis 1989 in einem entlegeneren Teil Deutschlands. Gemeint sind hier die Bundesländer, in denen für die Förderung von Bildung, Ausbildung, Schule, Hochschule, Wissenschaft und Kultur unterdurchschnittlich ausgegeben wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Nationalatlas Bildung und Kultur ist eine Bemerkung enthalten, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Hierin wird beschrieben, dass es innerhalb dieses tiefen Tals der Bildungslosen eine Talsohle gibt. Was glauben Sie, wo diese Talsohle liegt?

(Zuruf von der SPD: In Trier!)