Protocol of the Session on January 24, 2002

Ich erteile Herrn Abgeordneten Marz das Wort. – Ihnen stehen noch sechs Minuten Redezeit zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Eines habe ich nicht verdient, nämlich dass ich in eine Ecke mit Herrn Montgomery, dem Marburger Bund oder Ähnlichen gestellt werde. Da bin ich frei von jedem möglichen Verdacht. Vielmehr nehme ich mit Amüsement zur Kenntnis, dass sich die Doktoren dieses Hauses verschiedener Berufung trefflich miteinander streiten. Das macht immer wieder Spaß.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Es ist das gute Recht des Herrn Montgomery, dass er versucht, die Interessen seiner Organisation wahrzunehmen. Das muss man so bewerten, wie es ist.

Wir hier haben sehr viele Interessen wahrzunehmen. Dazu gehören die Patienteninteressen. Das tun Sie nicht ausreichend.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Herr Minister Gerster, es kann nicht Ihr Ernst sein, dass Sie das mit dem Hinweis abbiegen wollen, es entstünden entsprechende Kosten, wenn man den rechtlich gebotenen Zustand herstellen würde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Sie müssen die Bestimmungen ändern. Durch diese Feuer möchte ich Sie gern durchgehen s ehen.

Bei vergleichbaren Fällen erleben wir das immer wieder. Sie führen an, es ist alles nicht so schlimm, es gibt Krankenhäuser, in denen das nicht schlimm ist. Es ist wunderbar, wenn es die gibt, sage ich. Die kann man sich wirklich zum Vorbild nehmen.

Sie weisen auf Ihre Überprüfungsaktion hin, bei der Sie verschiedene Dinge herausgefunden haben. Ich stelle die Frage, wie diese Überprüfung gelaufen ist. Die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz hat die Krankenhausträger angeschrieben, als die Überprüfung in Gang war. Sie hat sie davor gewarnt, Aufzeichnungen der Mitarbeiter der Krankenhäuser vorzulegen, weil darin die Gefahr liege, dass Ansprüche auf Überstundenvergütungen erhoben werden könnten. Weiter wurde gesagt, vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass es sich um Aufschreibungen der Verwaltung handelt. Das bedeutet, dass man hier den Bock zum Gärtner gemacht hat. Die

Verwaltungen sollen sagen, ob im Krankenhaus alles in Ordnung ist. Von den Ergebnissen leben Sie sozusagen politisch weiter. So kann es nicht gehen. Wenn Sie uns gute Nachrichten überbringen wollen, müssen Sie schon seriös erheben.

Herr Kollege Dr. Schmitz, Sie haben Ihren letzten Mallorcaurlaub genutzt, um uns heute einige Worte Spanisch zum Besten geben zu können. Ich kann Ihnen aushelfen. Das Urteil liegt auch in Deutsch vor. Seien Sie froh, dass ich es nicht in Spanisch vorlese. Ich lese Ihnen den Kernsatz in Deutsch vor, der lautet: „Der Bereitschaftsdienst, den die Ärzte zur medizinischen Grundversorgung in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung leisten, ist insgesamt als Arbeitszeit anzusehen.“ Das ist der wichtige Kernsatz. Über diese Latte werden Sie so leicht nicht hinüber kommen.

Auch der Hinweis auf DRG, auf Wettbewerb usw. sind zu nennen. Mir graust es schon, wenn ich mir vorstelle, Sie wollen die Krankenhäuser und Ärzte im jetzigen Zustand in den Wettbewerb schicken, der möglicherweise diese Situation noch verschärft. Dann weiß ich nicht, ob das der richtige Weg ist. Sie verweisen dann immer auf Markt, selig machende Dinge, die in der Zukunft liegen, um von den aktuellen Problemen abzulenken.

Fest steht für mich, dass das, was das Ministerium tut und in dem Antrag der Koalitionsfraktionen wiederholt wird, zu wenig ist. Das sage ich nicht einfach so. Das ist zu wenig, weil die Realität zeigt, dass das, was Sie tun, eklatant zu wenig ist. Deshalb müssen wir mehr tun.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe bisher nur die Wortmeldung von Herrn Minister Gerster. Herr Gerster, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Rosenbauer, Sie haben gesagt, das Budget ist das Hauptproblem, also mehr Geld ins System, in diesem Fall ins Krankenhaus.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Hören Sie einmal zu!)

Sie haben es nachher abgemildert durch die Unterstützung von Reformüberlegungen, die über das jetzige System hinaus gehen.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Nein, habe ich nicht!)

Aber wenn Sie sagen – stark vereinfacht –, es muss mehr Geld ins Krankenhaus, dann sagen Sie bei dem jetzt schon teuersten Sektor des deutschen Gesundheitswesens exakt das Gegenteil von dem, was Ihr Fraktionsvorsitzender heute Morgen über die Kosten des

Sozialstaats in einer arbeitsmarktpolitischen Rede gesagt hat.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Wenn man die beiden Reden nebeneinander legt, dann ist der Widerspruch mit Händen zu greifen. Dann einigen Sie sich bitte. Brauchen wir mehr Geld für das Gesundheitswesen, oder sagen wir, 14 % Beiträge sind bereits zu hoch – das sage ich –, und über 50 Milliarden, die wir bundesweit für die Krankenhäuser zahlen, sind bereits sehr viel Geld, das lässt sich nicht mehr ohne Weiteres steigern?

Herr Abgeordneter Marz, Ihre grobe Verzerrung meiner Argumentation, die im Grund genommen einer üblen Unterstellung nahe kommt, die ein gewolltes Missverständnis ist – Sie argumentieren im geschlossenen Raum im Ausschuss, wie es Ihnen auch möglich ist, in einer sehr differenzierten Weise, nachdenklich, offen für alle Argumente Pro und Kontra, und stellen sich dann hier vor dem Publikum hin und machen sozusagen den Holzschneider –, ist ein bisschen zu einfach. Heute Morgen haben Sie gesagt: In Koblenz sind Sie gefragt worden und konnten nicht antworten. – Sie waren nie in Koblenz bei dieser Tagung. Also bitte nicht so trickreich.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mein Gott! Man kann doch jemand hinschicken und sich berichten lassen! Sie lassen sich auch vertreten! – Dr. Altherr, CDU: Kommen Sie zum Thema!)

Ich sage noch einmal zum Mitschreiben: Das Kostenproblem ist ein Kostenproblem, aber selbstverständlich ist das Krankenhaus kein rechtsfreier Raum. Die öffentliche Hand hat verdammt noch einmal die Pflicht, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen, das heißt, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zum Beispiel und im Übrigen auch die Mitarbeiterrechte. Da wird immer gesagt, die Ärzte wagen nicht, sich zu beschweren, weil sie sofort ihren Job verlieren. Gibt es keine starken Gewerkschaften in den Krankenhäusern, die auch Macht haben? Der Marburger Bund macht solche Muskeln. Kann der nicht durch Rechtsschutz seine Mitglieder so vertreten, dass sie, wenn sie klar aussagen, wie sie im Einzelfall ausgebeutet werden, dann auch davor geschützt werden, ihre Existenz zu verlieren? Sind wir im Jahr 1900 oder im Jahr 2002?

(Beifall bei SPD und FDP)

Dasselbe gilt für ver.di. Also bitte, überzeichnen wir nicht. Es ist genug Geld im System. Es muss an der richtigen Stelle ausgegeben werden. Wo wir zu viel ausgeben, müssen wir es wegnehmen, damit an der einen oder anderen Stelle auch im Einzelfall mehr Personal beschäftigt werden kann, im Einzelfall, aber nicht sozusagen als große Linie mit den geschätzten und genannten Milliardenbeträgen. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Rechtssicherheit für alle Beteiligten im Krankenhaus durchgesetzt wird und Zivilcourage nicht nur eingefordert, sondern auch möglich wird, weil niemand

um seine Existenz bangen muss, wenn er sagt „bis hierhin und nicht weiter“.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt noch zwei Kurzinterventionen, zuerst Herr Dr. Rosenbauer und dann Herr Marz.

(Dr. Altherr, CDU: Redezeit brauchen wir noch!)

Das kommt danach.

Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer, ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Gerster, das, was Sie dem Kollegen vorwerfen, ist permanent Ihre Masche hier. Sie verdrehen ständig Sachverhalte und Dinge, die man hier vorn vorgetragen hat. Ich habe ganz klar und deutlich gesagt, es geht um die Budgets der Krankenhäuser. Wenn Sie einmal ein bisschen mit Krankenhausdirektoren reden, unter welchem Druck sie in den letzten Jahren gestanden haben, dann würden Sie ein Stück davon verstehen. Ich habe nie vom Gesamtbudget gesprochen. Ich habe vom Budget der Häuser gesprochen. Sie haben natürlich in Ihrer Art und Weise wie immer die Dinge verdreht.

Ich komme zum zweiten Punkt. Meine Rede und mein Beitrag stehen in keinem Widerspruch zu dem von heute Morgen. Ich habe extra zum Schluss geendet: Wir brauchen eine große Gesundheitsreform. – Mein Fraktionsvorsitzender Böhr hat heute Morgen von Reformen und von Strukturwandel gesprochen. Diese Dinge passen sehr gut nebeneinander. Wo wir auseinander liegen, ist einfach in der Bewertung. Ich sage auch nicht immer einfach nur: Mehr Geld ins System. – Natürlich gibt es immer Einsparmöglichkeiten.

(Pörksen, SPD: Sagen Sie die einmal!)

Selbstverständlich gibt es neue Strukturen. Trotzdem werden wir die Frage beantworten müssen, wie viel uns die Gesundheit in Zukunft wirklich wert ist. Zu glauben, dass diese Entwicklung, die wir zurzeit haben, nicht weiter geht, ist ein völliger Trugschluss. Wir werden allein in Rheinland-Pfalz in den nächsten acht Jahren 100.000 Menschen zusätzlich haben, die über 68 Jahre alt sind. Das ist gut so, dass das so ist. Wir freuen uns darüber. Das ist auch gewollt. Aber dass das natürlich auch Auswirkungen auf Gesundheitssysteme haben wird, müssen wir einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich komme zum nächsten Punkt, der medizinischen Entwicklung. Wir werden in den nächsten Jahren einen solch rasanten Fortschritt bekommen, dass Kosten entstehen werden, bei denen wir uns hier noch einmal

wieder sprechen werden. Da liegen wir auseinander. Wir werden die Frage klären müssen, wo wir die Mittel hernehmen, um diesen Fortschritt zu finanzieren.

(Pörksen, SPD: Sagen Sie das doch einmal!)

Das hat aber nichts mit dem zu tun, was ich eben mit dem Arbeitszeitgesetz versucht habe. Das hat auch gar nichts mit dem zu tun, was der Fraktionsvorsitzende heute Morgen gesagt hat. Sie vermischen die Themen immer wieder miteinander wider besseres Wissen. Sie haben übrigens selbst einmal eine Veranstaltung beim ZDF gemacht, wo Sie Herrn Professor Lauterbach eingeladen hatten. Herr Lauterbach hat Ihnen dann in der Veranstaltung auf einmal mitgeteilt, wenn alle Patienten heute schon auf dem Niveau behandelt würden, was Stand der Dinge ist, dann würde das Gesundheitswesen schon das Vierfache bis Fünffache kosten. Das hat er Ihnen in Mainz schon einmal mitgeteilt.

(Staatsminister Gerster: Ich kenne ihn besser als Sie!)

Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir arbeiten müssen und Einsparpotenziale realisieren müssen, um die Mittel effizienter einzusetzen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Marz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss das machen. Ich habe heute Morgen schon darauf verzichtet. Aber bevor Herr Minister Gerster mich nun bis an das Ende meiner Tage mit dieser KoblenzVeranstaltung verfolgt, muss ich das einmal klarstellen.

(Schweitzer, SPD: Wären Sie doch nur dort gewesen! – Hartloff, SPD: Das muss nicht alles noch einmal erklärt werden!)