Protocol of the Session on January 23, 2002

Herr Pörksen, deswegen wird es spannend, wie sich die SPD in diesem Landtag heute zu dieser Problematik einlässt. Frau Grützmacher, Sie haben bei der ersten Beratung unseres Antrags auf eine Bundesratsinitiative schon sehr viel Verständnis für die Problematik erkennen lassen. Bei der FDP war nicht ganz klar, in welche Richtung sie geht. Dass die Fraktionen in den verschiedenen Bundesländern, vor allem die FDP-Fraktion in Baden-Württemberg und in Hessen, genau den gleichen Weg beschreiten oder bereits beschritten haben, den wir als CDU-Landtagsfraktion schon vorgegeben haben, ist inzwischen öffentlich bekannt geworden.

Meine Damen und Herren, ich möchte kurz auf unseren Antrag bzw. unseren Gesetzentwurf sowie den Antrag der Regierungsfraktionen eingehen. Die Hintergründe, was die tatsächliche und wissenschaftliche Aufarbeitung der Problematik von Straftätern anbelangt, die sich aufgrund eines Urteils in Freiheitsentzug befinden und aus verschiedenen Gründen nicht therapierbar oder therapiewillig sind und somit nicht therapiert sind, wenn sie wieder in die Freiheit entlassen werden müssen, sind allen bekannt. In unserem Rechtsstaat ist es nun einmal so vorgesehen, dass ein Straftäter, der zu einer endlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, anschließend, unabhängig davon, wie er sich in der Resozialisierung verhalten hat, entlassen werden muss. Diese Problematik ist bekannt und wird im Übrigen auch von den Fachleuten nicht mehr bestritten.

Wer in der letzten Woche die Gelegenheit wahrgenommen hat, am Symposium des rheinland-pfälzischen Justizministers zum Thema „25 Jahre Strafvollzugsgesetz“ teilzunehmen, wird gehört haben, dass auch die Sachverständigen bestätigt haben, dass es diese Menschen gibt, wenn es sich auch um keine große Zahl von Straftätern handelt, die davon betroffen ist. Dass in diesem Bereich eine Gesetzeslücke klafft, ist inzwischen allgemein bekannt.

Mit dem Antrag auf eine entsprechende Bundesrats initiative haben wir einen ersten Weg eröffnet. Sie haben uns das damals nicht zugestanden; Sie haben es abgelehnt. Wir haben daraufhin einen Gesetzentwurf vorbereitet, der heute in zweiter und dritter Lesung behandelt wird.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist sauber erarbeitet. Er hat alle verfassungsrechtlichen Bedenken aufgearbeitet, die es in der Tat zu dieser

schwierigen Problematik gibt. Es geht darum, dass Menschen ihrer Freiheit entzogen werden und sie, nachdem sie von einem Strafgericht verurteilt worden sind und ihre Freiheitsstrafe abgesessen haben, dennoch nicht in die Freiheit entlassen werden, sondern auch weiterhin in Sicherungsverwahrung bleiben sollen. Dass dies besonders geprüft werden muss, ist klar.

Wir haben die Bedenken, die es in der Wissenschaft und in der Rechtspolitik dazu gibt, aufgearbeitet. Dies wurde insbesondere auch, was Artikel 2 des Grundgesetzes, also den Entzug bzw. die Gewährung des Freiheitsrechts, betrifft, in der Begründung zum Gesetzentwurf deutlich dargelegt.

Wir haben hohe rechtspolitische Hürden eingebaut, was die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme anbelangt. So muss beispielsweise genau geprüft werden, ob der Straftäter für den Einzelnen oder die Allgemeinheit eine so große Gefahr darstellt, dass nur die Maßnahme, ihn auch weiterhin in Gewahrsam zu halten, als geeignet erscheint, um diese Gefahr abzuwenden. Wir haben ein Kollegialgericht als Instanz eingesetzt, das diese Entscheidung trifft.

Wir haben in das Gesetz hineingeschrieben, dass eine rechtsanwaltschaftliche Beratung selbstverständlich erforderlich ist, dass die Öffentlichkeit an diesem Verfahren teilhaben kann, es also nicht um ein Geheimverfahren geht, und antragsberechtigt für das Verfahren nur der entsprechende Anstaltsleiter der Strafvollzugsanstalt sein kann, der den Gefangenen über Jahre hinweg begleitet hat und sein Verhalten in der Strafvollzugsanstalt beurteilen kann.

In dem Gesetzentwurf wurden zwei unabhängige Gutachter festgeschrieben. Nur einer davon kann aus der Strafvollzugsanstalt kommen, ein anderer muss ein völlig fremder sein, der mit dem Vollzug bisher nichts zu tun hatte.

Wir haben festgeschrieben, dass dieses Verfahren in einer Art und Weise durchgeführt werden muss, dass die Gründe für die Anordnung des letztendlichen weiteren Freiheitsentzugs ernsthaft und professionell dargelegt werden müssen. Ich denke, damit sind wir dem verfassungsrechtlichen Gebot nachgekommen.

Sicherlich haben auch Sie bereits verfolgt, dass man in Baden-Württemberg, wo ein Gesetz dieser Art bereits existiert, so sorgfältig mit dieser Problematik umgeht, wie wir uns das vorstellen. Die ersten Entscheidungen, die dem baden-württembergischen Justizminister vorgelegt worden sind, wurden in einer Art und Weise von ihm behandelt, dass es keinen Zweifel daran geben kann, dass es sich immer nur um Einzelfälle handeln kann, die entsprechend seriös und ernsthaft bearbeitet werden.

Ich gehe davon aus, dass Sie sich alles noch einmal gut überlegt haben und uns auf unserem Weg, diese Gesetzeslücke zu schließen, heute begleiten können. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass in anderen Ländern FDP-Justizminister diese Regelung vorgelegt haben und die Bundesregierung, zumindest was die Fraktionen

anbelangt, offensichtlich auf diesem Weg einen Schritt weitergekommen ist.

Man will dort eine bundesrechtliche Regelung schaffen, wie Sie sie sanft in Ihrem Antrag angedeutet haben, meine Damen und Herren von SPD und FDP. Allerdings gehen Sie davon aus, dass sich die Justizministerkonferenz mit dieser Thematik befassen wird. Aber Frau Deubler-Gmelin, die Bundesjustizministerin, hat vor geraumer Zeit bereits angedeutet, dass sie die Regelung in einem Polizeigesetz für denkbar hält, da sie es kurzfristig nicht als machbar angesehen hat, auf Bundesebene eine entsprechende Regelung zu finden.

Dass dies nun möglich sein soll, ist erfreulich. Das würde bedeuten, dass Sie unserem Antrag auf eine entsprechende Bundesratsinitiative zustimmen könnten. Dennoch brauchen wir aber auch ein Gesetz auf Landesebene. Wenn der Bund eine entsprechende Regelung im Strafgesetzbuch ändert, würde dies bedeuten, dass wir nicht alle Fälle, die als so genannte Altfälle entstehen, mit der bundesrechtlichen Regelung abdekken könnten. Wir bräuchten dazu eine landesrechtliche Regelung. Ich lade Sie ein, heute unseren Anträgen zuzustimmen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Redmer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was die CDU seit dem Sommer 2001 unter dem Stichwort „Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter“ diskutiert, trägt alle Züge einer Placebo-Lösung. Placebos kennen wir in erster Linie außerhalb der Arznei in der Wirtschaftspolitik, wo vieles Psychologie ist. In den letzten Jahren, insbesondere seit dem 11. September 2001, findet auch zunehmend Eingang in der Sicherheitspolitik, dass nach Placebo-Lösungen gesucht wird, um die Bevölkerung zu beruhigen. Es mag durchaus in verschiedenen Situationen seinen Sinn machen, dass man zu solchen Placebos greift; denn mitunter muss in der Tat beruhigend auf die Bevölkerung eingewirkt werden, wenn bei bestimmten Ausnahmesituationen eine gewisse Hysterie entsteht. Aber Placebos sind immer nur auf Kurzzeitwirkung und nicht auf Langzeitwirkung angelegt.

Das, was wir hier regeln müssen, bedarf einer Langzeitregelung. Deswegen müssen wir sehr vorsichtig vorgehen, Frau Kollegin. Wir werden uns nach wie vor vor irgendwelchen Schnellschüssen hüten. Wir werden das Thema weiter ganz sachlich, nüchtern und intensiv behandeln.

Übrigens kann ich Ihre Vorarbeit, die Sie immer versucht haben in den Mittelpunkt zu stellen, so nicht erkennen.

Das, was Sie im Sommer 2001 gemacht haben, war das schlichte Abschreiben des Textes aus BadenWürttemberg, Punkt für Punkt, Komma für Komma. Das war Ihre eigene Leistung.

(Beifall bei der SPD)

Damit hier Klarheit besteht: Sexuell motivierte Gewalt gegen Kinder ist für uns ein ganz abscheuliches Verbrechen. Da gibt es überhaupt nichts schön- oder kleinzureden. Das muss klar sein. Wir müssen natürlich aber auch die Entwicklung sehen. Die Entwicklung kann man aus dem ersten periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung ablesen. Dieser belegt, dass Sexualstraftaten seit Jahren stabil und deutlich abnehmen. Ich möchte dies an Zahlen aufzeigen. Von Mitte der 70erJahre bis Ende der 90er-Jahre hat sich ein Rückgang auf 25 % ergeben. Das ist gerade noch ein Viertel von damals. Wenn man den Bereich der Jugendlichen nimmt, so ist es sogar ein Rückgang auf 17 %. Das ist gerade noch einmal ein Sechstel. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Wir müssen froh sein, dass wir das mit unserer Politik im Straf- und Sicherheitsbereich erreicht haben. Es kann natürlich nicht sein, dass wir uns selbs tzufrieden zurücklehnen. Es muss aber zur Kenntnis genommen werden.

Die öffentliche Wahrnehmung ist genau das Gegenteil. Medienexperten haben festgestellt, bis 1989 war das ein Thema, das in der öffentlichen Berichterstattung keine große Rolle gespielt hat. Es blieb gleich bleibend auf geringem Niveau. Von 1989 bis 1998 dagegen gab es eine regelrechte Explosion in der Berichterstattung. Im Jahr 1998, dem letzten Jahr, das mir als Unters uchungsjahr vorliegt, stieg das Ganze auf 350 Berichte im Jahr an, dies zu einem Thema, das nur noch ein Viertel oder in Teilbereichen ein Sechstel dessen war, was wir früher feststellen mussten. Es ist also eindeutig erkennbar, die Realitätskurve geht nach unten, die Medienkurve steil nach oben. Das muss man schon zur Kenntnis nehmen, wenn man versucht, über dieses Thema sachgerecht zu diskutieren. Man muss wissen, dass da leicht Hysterie bedient und auch gezielt geschürt wird.

Vor diesem Hintergrund sind wir der gleichen Auffassung wie die Justizministerkonferenz vom vergangenen Sommer in Trier, die mit 16 zu 0 Stimmen der Meinung war – ich sage bewusst noch einmal das Ergebnis, damit klar ist, dass alle mitgestimmt haben –, man sollte das ganze Thema auf seine rechtlichen Risiken und Möglichkeiten hin bis zum Frühjahr 2002 genau untersuchen und auf der Basis der Untersuchung dann zu einem Ergebnis kommen. Dem können wir uns voll und ganz anschließen.

Wenn wir jetzt nach weiteren Lösungen suchen, darf nicht vergessen werden, dass der Strafrahmen seit 1998 schon erheblich angehoben wurde. Bei der Strafrechtsreform im Januar 1998 ist beispielsweise lebenslänglich für Sexualdelikte mit Todesfolge eingeführt worden. Es gibt also schon die lebenslange Strafe. 15 Jahre Freiheitsstrafe gibt es bei sexueller Nötigung. Es gibt die lebenslange Sicherungsverwahrung. Es gibt strengere Therapieauflagen. Das ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das deutlich macht, dass in diesem Bereich sehr wohl gehandelt wird.

Die Richter urteilen eindeutig härter, als das früher der Fall war. Gerade die Strafvollzugskommission, aber auch der Rechtsausschuss wissen, was dies für Folgen hat. Wir haben immer mehr Langzeitstraftäter in unseren Gefängnissen.

Die Gutachter haben längst ihre Position von früher aufgegeben. Wenn ihnen früher Wolkenschieberei oder Sonstiges polemisch unterstellt wurde, kann mittlerweile festgestellt werden, dass sie das Ganze auch sehr restriktiv angehen. Frau Kohnle-Gros, Herr Leygraf, den Sie in Ihren vergangenen Redebeiträgen immer wieder zitiert haben, sagt als Psychiater ganz deutlich, es habe bei den Gutachtern in den letzten Jahren einen grundlegenden Wandel gegeben. Das ist so. Darauf beruhen dann auch die entsprechenden Entscheidungen der Gerichte.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, wie das bei den Tätern aussieht, die Sie im Auge haben. Von 100 Ersttätern im Sexualbereich werden 10 im Lauf ihres Lebens, also nicht zwei oder drei Jahre nach der Entlassung, rückfällig. Das ist der Täterrahmen, mit dem wir es zu tun haben. Vor diesem Hintergrund müssen wir natürlich sehr genau die verfassungsrechtlichen Schranken beachten; denn das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung, die ich zitieren möchte, damit Sie sie auch nachlesen können – Band 45, Seite 187 ff. –, festgestellt, jeder Täter, egal, welches Delikt er begangen habe, müsse grundsätzlich eine Chance haben, jemals im Lauf seines Lebens wieder in Freiheit zu kommen. Jeder Täter, also auch der, der zu lebenslanger Haft verurteilt ist, muss grundsätzlich die Chance haben, wieder in Freiheit zu kommen.

Vor diesem Hintergrund wissen wir, wie die Schranken sind und was uns blüht, wenn wir einen Schnellschuss machen und einfach ein Gesetz in der Annahme abschreiben, dass es schon gut gehen wird. Man muss dies wirklich juristisch ganz sauber prüfen und beachten, wie es mit den Freiheitsrechten aussieht. Man muss beachten, wie es mit den Therapienotwendigkeiten aussieht, denen sich bestimmte Länder einfach entziehen, um es einmal vorsichtig zu formulieren.

Wenn Sie immer wieder Bayern und Baden-Württemberg anführen, so muss man sagen, gerade die Bayern machen keinen Hehl daraus, dass bei ihnen Kostengründe eine Rolle spielen. Sie sagen, sie haben so viele Leute im Maßregelvollzug, die überhaupt nicht therapierbar sind und es nur unnötig Geld kostet, wenn man an ihnen herumtherapiert. Das bringe doch nichts, und man wolle eine andere Lösung suchen, damit es billiger ist. Das kann doch keine Position sein, die erstens human ist und zweitens noch den Anspruch erhebt, dass sie verfassungsgerecht ist. Das kann ich mir nicht vorstellen. Da muss es schon andere Gründe als rein fiskalische geben.

Im Übrigen muss man dann auch einmal die Praxis in Baden-Württemberg anschauen. Sie haben den Justizminister in Baden-Württemberg gelobt. Es ist übrigens ein Kollege der FDP und nicht der CDU.

(Bischel, CDU: Auch den kann man einmal loben!)

Er sieht das alles liberaler, als es CDU-Justizminister machen. Soviel ich weiß, hat er bisher noch keinen Fall mit dem Ergebnis beurteilen müssen, dass jetzt eine Sicherungsverwahrung gemacht wird. Er hat bisher alle abgelehnt. Mit anderen Worten, in der Praxis des Landes Baden-Württemberg spielt diese Regelung bislang noch keine Rolle. Das muss man auch bedenken, wenn man hier vorgaukelt, das sei ein wichtiger Weg, um zusätzliche Sicherung und Sicherheit zu schaffen. Wenn das nach einem Dreivierteljahr in der Praxis noch keine Rolle spielt, dann muss es nicht heißen, dass man den Weg nicht gehen kann, aber es ist ein weiteres Mosaiksteinchen, um einem zu zeigen: Vorsichtig, kein Übermaß an den Tag legen und Verhältnismäßigkeit der Mittel berücksichtigen.

Im Übrigen muss auch noch ein weiterer Gesichtspunkt beachtet werden. Wer den Eindruck erweckt, als gebe es in diesem Bereich die Möglichkeit, mit entsprechenden engen Gesetzen einhundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten, erreicht natürlich bei potenziellen Opfern ganz schlimme Folgen; denn er lullt sie ein. Er lullt mögliche Opfer ein und sorgt dafür, dass sie nicht so wachsam sind, wie sie sinnvollerweise sein müssten, um es ihren Tätern nicht unnötig leicht zu machen. Auch dies muss berücksichtigt werden. Wenn ich all dies zusammenfasse, komme ich zu dem Ergebnis, dass wir gut beraten waren, hier im Plenum und im Rechtsausschuss zu sagen, wir beobachten die weitere Entwicklung und die rechtlichen Argumente, die auf den Tisch gelegt werden. Im Licht dieser Argumente entscheiden wir uns dann entsprechend. Das beinhaltet auch unser Antrag.

Frau Kollegin, im Rechtsausschuss waren Sie übrigens nicht bereit, auch nur zwei Monate zu warten, bis die Ergebnisse aus Berlin auf dem Tisch liegen. Das war unser Angebot gewesen, damit wir Ihren Antrag nicht niederstimmen müssen.

Sie haben gesagt, nein, Sie wollen es an Ort und Stelle Anfang Dezember 2001 entschieden haben. Das zeigt, dass es in erster Linie nicht um die Sache geht, sondern darum, einen Ersatzkrieg zu führen. Dafür ist das Thema wahrlich zu ernst. Aus diesem Grund werden wir für den Antrag von SPD und FDP und nicht für Ihren votieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren! Frau Kohnle-Gros, es ist richtig, auf Bundesebene in Berlin wird von der rotgrünen Koalition darüber nachgedacht, die Bestimmungen zu erweitern, ob gefährliche Sexualstraftäter nach dem Verbüßen ihrer Strafe in Haft bleiben können. In Berlin stellt man sich so etwas Ähnliches vor.

Ich habe das bisher nur aus dpa-Meldungen. Das ist ganz frisch. Gerichte sollen Urteile mit dem Vorbehalt einer Sicherheitsverwahrung bei gefährlichen Straftätern verhängen können. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das auch die Vorstellung von Justizminister Mertin, die er in einer Pressemitteilung heute vorgeschlagen hat.

Meine Damen und Herren, diese Koinzidenz der verschiedenen Initiativen von allen Parteien mehr oder weniger zeigt, dass das Problem inzwischen so prom inent in der Wahrnehmung geworden ist, dass man meint, man muss tätig werden. In den vorigen Debatten, in denen wir über das Thema gesprochen haben, ist deutlich geworden, dass wir das Problem sehen. Es besteht die Frage, ob es günstig ist, dass die Bundesländer einzeln versuchen, es zu verändern, beispielsweise über das Polizeigesetz, über das Strafgesetz oder durch andere Maßnahmen. Nach meiner Meinung wäre es in diesem Punkt unabdingbar abzuwarten, bis eine Bundesregelung geschaffen wird.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sagen, Sie würden eine bundesweite Regelung einer nachträglich angeordneten Sicherheitsverwahrung vorziehen. Das ist ganz klar. Gerade jetzt, wo wir Signale von der Bundesebene bekommen, dass so etwas in Bewegung geraten ist, sollten wir sehr vorsichtig sein und in Rheinland-Pfalz nicht vorpreschen.

Frau Kohnle-Gros und meine Damen und Herren von der CDU, bei mir bestehen natürlich auch verfassungsrechtliche Bedenken, Abwägung verschiedener Verfassungsgüter. Es gibt weitere Dinge, die mich skeptisch machen. Ich glaube, wir sollten die Ergebnisse der im Bundesrat eingesetzten Gruppe mit der Justizministerkonferenz abwarten.

Frau Kohnle-Gros, Sie haben die Veranstaltung „25 Jahre Strafvollzugsgesetz“ angesprochen. Da haben wir gehört, wie schwierig die Frage der Diagnostik ist. Wir haben im Augenblick das Schlagwort „nicht therapierbare Straftäter“. Was ist das? Professor Dr. Schmitt, seines Zeichens Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Landesbeirats für Diagnostik und Kriminologie hat deutlich darauf hingewiesen, dass große Mängel im Bereich der Diagnostik von Straftätern, insbesondere bei Sexualstraftätern, bestehen. Er sagte, es gibt über 1.000 Fragebögen in der psychotherapeutischen Diagnostik, die in Deutschland entwickelt wurden. Es gibt aber keinen einzigen Fragebogen, der sich expressis verbis mit Straftätern, vor allem mit Sexualstraftätern, beschäftigt. Das ist ein ganz entscheidendes Argument.

In der Veranstaltung wurde auch gesagt, was sehr häufig unter dem Etikett „nicht therapierbar“ zusammenläuft. Das sind vor allem solche Menschen, die sich nicht verständigen können. Das sind meistens Ausländer, die eine Sprachtherapie nicht machen können. Das ist das Einzige, was es da gibt. Dazu gehören auch solche deutschen Personen, die einen sehr begrenzten und eingeschränkten Wortschatz haben. Ich habe noch einmal ausführlich mit Herrn Professor Dr. Schmitt gesprochen. Er sieht das auch als ein großes Problem an. In diesem Bereich muss noch mehr geforscht werden, damit wir in dieser Diagnostik der Straftäter weiterkom

men, die in anderen Ländern, zum Beispiel in amerikanischen und angloamerikanischen Ländern, weiter ist. So etwas muss man bedenken, wenn man eine solche Initiative startet.

Ich komme zu einem weiteren Einwand. Professor Dr. Dr. Bock hat bei der Veranstaltung sehr deutlich gesagt, übereilte und maßlose Reaktionen der Kriminalpolitik auf teils durch Medienhysterie erst erzeugte, jedenfalls weit übertriebene Sicherheitsbedürfnisse in der Bevölkerung, drohen den Strafvollzug zu paralysieren. Das war ein Zitat. Er warnt ausdrücklich davor, mit immer neuen politischen Initiativen und Vorgaben die schon jetzt sehr schwierige Aufgabe des Strafvollzugs noch mehr zu belasten.