Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Haushaltslage des Landes Rheinland-Pfalz ist alles andere als beruhigend. Wir haben in Rheinland-Pfalz seit der Amtsübernahme von Ministerpräsident Beck im Jahr 1994 die meisten neuen Schulden pro Einwohner unter allen westlichen Bundesländern.
Ich stelle dies einfach einmal so fest. Die Zahl ist nicht bestreitbar. Dass dies ein trauriger Rekord ist, muss ich nicht sagen, das schreiben heute schon andere.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Leistung – dies in Anführungszeichen – ist es schon, nach sieben Jahren das Land zu sein, das die meisten neuen Schulden pro Einwohner in allen westlichen Flächenländern hat. Mit dem Haushalt, den Sie gestern vorgestellt haben, machen Sie alles, um diesen Tiefststand, den das Land Rheinland-Pfalz je in seiner Geschichte erreicht hat, dauerhaft zu zementieren. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie das Problem in den Jahren 2004, 2005 oder 2006 lösen werden. Sie werden es genauso wenig lösen, wie Sie Ihre Ankündigungen aus der Vergangenheit in dieser Frage wahr gemacht haben.
Es geht auch nicht. Dass alle anderen westlichen Bundesländer ausnahmslos bei der Nettoneuverschuldung zurückhaltender als das Land Rheinland-Pfalz waren, muss einmal gesagt werden, weil ich es schon für bemerkenswert halte. Kein Land ist so in die Neuverschuldung hineingestolpert wie Rheinland-Pfalz. Das Ergebnis haben wir gestern gehört. Nein, gehört haben wir es nicht, aber wir können es nachlesen, wenn wir uns mit den Eckdaten und dem Zahlenwerk dieses Haushalts beschäftigen. Rheinland-Pfalz sitzt im Schuldenkeller. Ich sage noch einmal: Dass wir im Schuldenkeller sitzen, ist kein blindes Schicksal, sondern es ist das Ergebnis über Jahre geübter politischer Fahrlässigkeit in der Fi
nanzpolitik dieses Landes Rheinland-Pfalz. Es ist von dieser Landesregierung geübte politische Fahrlässigkeit. Das ist das Ergebnis, mit dem wir es jetzt zu tun haben.
Die Ausreden sind bekannt und werden im Laufe des Tages vorgetragen. Ich möchte nur vorsorglich schon einmal die drei wichtigsten Ausreden nennen. Eine davon ist die Umstrukturierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rheinland-Pfalz ist nicht NordrheinWestfalen oder das Saarland, wo es eine wirkliche wirtschaftliche Monostruktur umzustrukturieren galt. Diese gibt es und gab es in Rheinland-Pfalz nie.
Sie lachen. Vielleicht haben Sie da andere Einsichten als ich. Ich habe aber nie entdecken können, dass Rheinland-Pfalz ein Land wie das Saarland oder Nordrhein-Westfalen war, das im Wesentlichen von der Montanindustrie gelebt hat. Es gab diese Monostruktur in Rheinland-Pfalz nie.
Konversion war und ist wirklich nicht nur ein Thema des Landes Rheinland-Pfalz, sondern mit der Konversionsproblematik hatten andere westliche Bundesländer – von den östlichen Bundesländern möchte ich gar nicht reden – genauso zu kämpfen wie dieses Land RheinlandPfalz.
Ja, objektiv falsch. Niedersachsen hat mit Konversion überhaupt nichts am Hut und Schleswig-Holstein auch nicht? Alles Länder, die mit Konversion nichts zu tun haben?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht diese Ausreden treffen den Nagel auf den Kopf, sondern die Pflichtvergessenheit dieser Landesregierung in ihrem finanzpolitischen Gebaren ist das, was zu diesem Ergebnis geführt hat.
In dieser Schuldenfalle sitzen wir jetzt fest. Ich erinnere mich an ein Jägermärchen. Wenn der Fuchs in der Falle sitzt, dann beißt er sich ein Bein ab, damit er wieder laufen kann. Analog verhält sich diese Landesregierung. Sie sitzt in der Falle, und damit sie wieder laufen kann, überführt sie wichtige landespolitische Aufgaben in eigene Schattenhaushalte. Es ist wirklich die einzige Chance, im Moment noch finanzpolitisch auf den Beinen zu bleiben, wenn auch auf sehr wackeligen Beinen. Erst war es die LBB, nun die LSV. Meine Damen und Herren, es ist nichts anderes als eine Verlagerung wesentlicher Schuldenbeträge aus dem Kernhaushalt heraus in Schattenhaushalte. Nur, meine sehr verehrten Damen
und Herren, Sie haben sich jetzt schon zwei Beine abgebissen. Ein Fuchs, der nur noch auf zwei Beinen läuft, läuft nicht mehr. Das ist die Lage dieser Landesregierung. Mit zwei Beinen kann ein Fuchs nicht mehr laufen.
Herr Finanzminister, wenn Sie dann gestern sagen, es seien keine Schattenhaushalte – über den Begriff können wir uns streiten –, wenn Sie dann aber selbst Vorlagen fertigen, in denen die Verschuldungslage dieses Landes ausschließlich auf den Kernhaushalt bezogen ist, dann legen Sie doch diese Vermutung selbst nahe, dass es Ihnen am liebsten wäre, wir würden bei Haushaltsberatungen nur noch über den so genannten Kernhaushalt reden, und von all dem, was Sie herausverlagern, soll keine Rede mehr sein. Das werden wir nicht zulassen. Schuld ist Schuld, und Verschuldung ist Verschuldung.
Wir hatten 1991 rund 200 Millionen DM für den Bau von Landesstraßen in Rheinland-Pfalz in unserem Haushalt. Über die Jahre hinweg ist aus diesem Betrag weniger als die Hälfte geworden. Ich glaube, es sind am Ende noch 86 Millionen DM übrig geblieben. Wissen Sie, da ist auch die Mobilitätsmilliarde keine Wiedergutmachung für diese Versäumnisse, die Sie über viele Jahre hinweg haben auflaufen lassen.
Der Investitionsstau ist größer und größer geworden. Das wird jetzt nicht mehr bestritten; denn sonst gäbe es die Wunderwaffe der Mobilitätsmilliarde nicht. 360 Millionen Euro in zwei Jahren Kreditaufnahme der LSV, das sind 720 Millionen DM Schulden. Jetzt bin ich bei dem Punkt, der mir so am Herzen liegt. Sie sagen immer, das sind Einflüsse, die wir nicht verändern oder beeinflussen können, zum Beispiel die Konjunktur, die Konversion, der Fonds der deutschen Einheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt in der Entwicklung der Haushaltsansätze von 1991 bis heute, dass Sie selbst das Loch aufreißen, das Sie anschließend mit kreditfinanzierten Mitteln stopfen wollen. Das ist das Problem dieses Landes RheinlandPfalz seit zehn Jahren. Das ist das Problem.
Das führt dazu, dass die Landesregierung selbst längst auf Pump lebt. Die Nebenhaushalte helfen, diesen Selbstbetrug etwas zu tarnen. Herr Mittler, bei der Gelegenheit will ich ausdrücklich daran erinnern, dass wir nicht gegen den Landesbetrieb sind. Nach dem, was gestern gesagt wurde, muss ich das tun. Es ist eine komische Unterstellung, dass wir gegen den Landesbetrieb seien. Wir waren es übrigens nie, wie alle hier wissen. Sie wollten den Landesbetrieb bei der LBB nicht, weder die Regierung noch die Koalitionsfraktionen. Wir wollten den Landesbetrieb schon damals. Das war unser Vorschlag.
Daran hat sich nichts geändert. Wir sind nicht gegen den Landesbetrieb. Die etwas ungelenke Polemik in diesem Punkt gegen uns fand ich nicht so überzeugend. Lesen Sie einfach nach, wessen Konzept der Landesbetrieb war. Das war jedenfalls nicht das Konzept der Sozialdemokraten in diesem Hause.
Wenn das Geld im Land Rheinland-Pfalz knapp wird, besinnt sich die Landesregierung auf ihre tiefe Liebe zu den Städten und Gemeinden. Es ist nicht das erste Mal, dass das Geld knapp wird. Das ist immer ein Anlass, sich dieser gewachsenen Freundschaft zu erinnern. Dazu gibt es schöne einschlägige Kommentierungen, zum Beispiel vom Bundeskanzler, der sein Grußwort auf dem Deutschen Städtetag beginnt, indem er seine lieben reichen Verwandten grüßt. Der Finanzminister macht es etwas differenzierter, er spricht von den etlichen unverschämten Reichen. Er meint damit die Städte und Gemeinden im Lande.
Entsprechend wird gehandelt. So, wie es die Aussagen zu erkennen geben, wird gehandelt. Seit zehn Jahren sind die kommunalen Finanzen die Kriegskasse dieser Landesregierung. Der kommunale Finanzausgleich ist die einzige wirkliche Rücklage, derer sich diese Landesregierung bedient.
Die Lage ist wirklich ernst. Die Kommunen sind am Ende. Herr Ministerpräsident, viele sind wirklich am Ende.
Die meisten von uns quer durch alle Fraktionen sitzen in kommunalen Räten, die sich derzeit mit Haushaltsberatungen herumschlagen müssen. Viele sind wirklich am Ende.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele sind nicht mehr wie in den Vorjahren bereit, das Spiel so zu spielen, dass der schwarze Peter am Ende bei den Bürgermeistern, den Landräten und den Oberbürgermeistern hängen bleibt. Viele sind dazu nicht mehr bereit.
Ich kann das sehr gut verstehen. Die Zahl der unausgeglichenen Haushalte explodiert. Sie explodiert wirklich. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten in diesem Punkt unser blaues Wunder erleben. Die Zahl der unausgeglichenen Haushalte explodiert. Trotzdem greifen Sie erneut den Kommunen in die Tasche und plündern die kommunalen Kassen. 140 Millionen DM sind es jetzt wieder einmal. Wissen Sie, das ist einfach nicht fair.
Die Kommunen sind diejenigen, die sich am wenigsten wehren können. Diejenigen, die sich am wenigsten wehren können, müssen am Ende den Buckel hinhalten.
Ich weiß, nachher wird die Entwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in den 80er-Jahren beschrieben. Ich weiß auch, dass es nicht auf gleich bleibend hohem Niveau verlaufen ist. Herr Kollege Marz, ich weiß auch, dass er sich nicht von einem niedrigen Ausgangspunkt ohne jede Delle nach oben entwickelt hat. Aber das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, ist ziemlich einmalig. Die Gesundheitsämter werden kommunalisiert. Damals wussten wir schon, dass die Kostenübernahme füllig bemessen war. Dies wird ausdrücklich politisch begründet. Das geschah nach dem Motto, wir wollen den Kommunen einen Anreiz geben, mit dem Geld solide und verantwortlich umzugehen. Sie sollten einen Anreiz erhalten, wenn etwas übrig bleibt, dass sie auch etwas davon haben, wenn sie diese Aufgabe übernehmen. Das wird mit einem Federstreich kassiert, als ob es die Argumentation nie gegeben hätte.
Das trifft übrigens bei vielen anderen Punkten genauso zu. Erst wird mit großem Aplomb irgendetwas verkündet und begründet. Zwei bis drei Jahre später kann sich kein Mensch mehr daran erinnern. Die Kosten für die Schulbauten werden erst aus dem kommunalen Finanzausgleich genommen. Zwei Jahre später werden sie wieder hineingenommen.
Vor ein paar Wochen haben wir Ausführungen zu der Grunderwerbsteuer gemacht. Die Beteiligung der Kommunen an der Grunderwerbsteuer nach der Erhöhung auf 3,5 % zum 1. Januar 1997, wenn ich mich recht erinnere, war doch kein Gnadenakt, wie Sie das hier dargestellt haben. Das geschah nach dem Motto: Es war ein großer Fehler, dass wir so großzügig waren und den Kommunen dieses Geld zugestanden haben.
Meine Damen und Herren, in Rheinland-Pfalz war die anteilmäßige Beteiligung an der Grunderwerbsteuer seit eh und je ein verlässlicher Bestandteil der kommunalen Finanzen. Das war nie anders.
Da kann man doch nicht sagen: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, jetzt passt mir das alles nicht mehr in den Kram, jetzt ändern wir das. – Wenn man das ändert, dann muss man das im Gesamtgefüge des kommunalen Finanzausgleichs so ändern, dass sich die Entwicklung nicht nach unten bewegt, wie wir das seit einer Reihe von Jahren erleben. Das alles nennen Sie dann noch verlässliche Partnerschaft.