Ich komme nun zu den inhaltlichen Punkten. Einige Kritikpunkte muss ich anbringen. Im einleitenden Teil fehlt meiner Meinung nach schlicht und einfach der Euro. Man kann ihn in einem Nebensatz erahnen. Aber der Euro ist bislang meiner Meinung nach und auch nach der Meinung der Bürgerinnen und Bürger der wichtigste und erlebbarste Baustein eines gemeinsamen Europas der Bürger.
Insofern geht es deutlich – das haben Sie in Ihrer Rede angedeutet – und endlich über dieses bisher empfundene Europa der Bürokratien hinaus.
Viele weitere Aspekte der Debatte zur Zukunft der EU werden im Antrag erwähnt. Ich nenne dabei die Schlagworte einer verstärkten Bürgernähe, aber auch maßgebliche Komponenten wie Handlungsfähigkeit, Transparenz und demokratische Legitimation. Auch die Unumkehrbarkeit des Erweiterungsprozesses empfinde ich als ein sehr wichtiges Signal.
Europa muss den Bürgerinnen und Bürgern näher kommen und für sie erfahrbar werden. Transparente und demokratische Entscheidungsstrukturen müssen geschaffen werden, die sich öffentlicher und sichtbarer vollziehen.
Eine europäische Grundrechtscharta muss durch eine möglichst breite Debatte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und ein umfassender Grundrechtskatalog muss integraler Bestandteil der europäischen Verträge und der zu schaffenden europäischen Verfassung sein.
Die Neuordnung und die Vereinfachung der europäischen Verträge sowie die Rolle der nationalen Parlamente sind weitere wichtige zentrale Themen der PostNizza-Debatte. So ist es natürlich gerade auch für uns Landespolitiker wichtig und richtig, die Rechte der Länder und Regionen stärken zu wollen. Erforderliche Schritte hierfür sind u. a. das Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof und eine intensivere Kooperation zwischen den Regionen, den Ländern und der EU.
Im Zusammenhang mit dem Post-Nizza-Prozess müssen die Zuständigkeitsbereiche gemäß dem Subsidiaritätsprinzip präziser formuliert werden. Die Frage, welche Aufgaben in der erweiterten Europäischen Union zwingend auf europäischer Ebene erledigt werden müssen
und welche Aufgaben bei den Mitgliedstaaten bzw. bei den Ländern und Regionen verbleiben, können wir nicht generalklauselartig beantworten. Auch darin gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Auf allen Ebenen müssen sowohl Notwendigkeiten politischer Handlungfähigkeit als auch die Möglichkeiten demokratischer Partizipation gleichermaßen berücksichtigt werden.
Ich komme nun zu einem Punkt, den Sie in Ihrem Antrag – wohlwollend ausgedrückt – missverständlich und unkonkret formuliert haben. Wenn Sie davon sprechen, dass Kompetenzen insbesondere in den Bereichen Agrar- und Strukturpolitik und der Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge renationalisiert werden sollen, so frage ich Sie, weshalb. Ich frage Sie: Welches Konzept steckt dahinter? Würde eine Rückverlagerung auf die nationale bzw. auf die regionale Ebene nicht dem Konzept einer Beseitigung der Disparitäten entgegenstehen?
Die Benennung dieses Punktes in einem Nebensatz, wie dies in Ihrem Antrag formuliert ist, ist der Bedeutung dieser Frage gerade auch für die Regionalentwicklung in Rheinland-Pfalz nicht angemessen.
Wir streiten leidenschaftlich über Kompetenzkataloge, über Subsidiarität und über Kammermodelle. Aber welche Kompetenzen wo angesiedelt werden sollen, diesen Grad an Konkretheit sucht man vergeblich in der hies igen Debatte. Sie sagen, Landwirtschafts- und Strukturpolitik könnten wieder renationalisiert werden. Ob dies nur sinnvoller, weil billiger ist, diese Frage bleibt leider offen.
Das Stichwort des von Ihnen geforderten Konvents zur Vorbereitung der Regierungskonferenz 2004 heißt für uns Parlamentarisierung des Integrationsprozesses. Wir GRÜNEN plädieren – das entnehme ich auch Ihrem Antrag - für einen mehrheitlich aus Parlamentariern bestehenden Konvent,
und zwar nicht deshalb, weil wir glauben, dass Parlamentarier grundsätzlich bessere Arbeit leisten als Regierung oder Regierungsbeamte, aber weil dadurch aus unserer Sicht zu einer Entnationalisierung der Reformdebatte beigetragen werden kann. Dafür müssen in diesem Konvent auch die Beitrittsländer gleichberechtigt vertreten sein.
Die Debatte im Rahmen des Post-Nizza-Prozesses darüber, wie das Europa der Zukunft aussehen soll, war in den letzten Wochen und Monaten sehr von institutionellen Fragen geprägt. Gerade wir in Rheinland-Pfalz müssen diese Debatte ausweiten und Europa als Gesellschaftsprojekt in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stellen und über politische Visionen nicht nur im Hinblick auf institutionelle Gestaltung des Integrationsprozesses streiten. Wir sollten deutlich kontrovers und öffentlich darüber diskutieren, wie wir uns die zukünftige Gesellschaft in Europa vorstellen und welche Rolle die Europäische Union in diesem Prozess der
Gestaltung spielen soll. Insofern sollten wir diese Zukunftsdebatte tatsächlich auch als Chance nutzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal unterstreichen, dass ich die Intention des vorliegenden Antrags seitens der Landesregierung in vollem Umfang teile und wir bereit sind, uns im Sinne dieses Antrages in der weiteren Debatte um die Zukunft Europas zu bemühen und einzusetzen.
Um nicht jetzt der Versuchung zu erliegen, eine sehr breit angelegte Rede über die Ziele der Landesregierung zur Europapolitik zu halten, sei es mir ausnahmsweise erlaubt, auf eine Rede, die ich letzten Freitag im Deutschen Bundesrat zur Ratifizierung des Nizza-Vertrags gehalten habe, zu verweisen.
Gestatten Sie mir aber, eines noch einmal deutlich zu machen, auch auf der Grundlage dessen, was Herr Abgeordneter Schreiner gesagt hat:
Wir dürfen die Dimensionen nicht durcheinander bringen. Es geht um die entscheidende Frage, wie wir mit dem Prozess, der mit der Nizza-Konferenz unumkehrbar gemacht worden ist und den alle vernünftigen politischen Kräfte in Deutschland gemeinsam wollten, nämlich dass die mittel- und osteuropäischen Staaten in diese Gemeinschaft hineinkommen können, umgehen. Darauf muss jetzt das folgen, was wünschenswerterweise zumindest teilweise schon in Nizza hätte vereinbart werden sollen, was aber nicht gelungen ist.
Das ist wenigstens dankenswerterweise auf Einsatz der deutschen Bundesregierung als Auftrag aufgenommen worden.
Herr Abgeordneter Schreiner, wir sollten uns darauf verständigen, dass auf einer solchen Ebene nicht der Parteivorsitzende einer Partei verhandelt. Das war früher weder der Parteivorsitzende der CDU, noch ist es heute der Parteivorsitzende der SPD. Wir haben für solche Fragen den deutschen Bundeskanzler, der unsere In
Sie müssen sich wirklich entscheiden, ob Sie eine solche Diskussion führen wollen, weil es die entscheidende Zukunftsfrage ist, oder ob man nur Polemik machen möchte. An diese Stelle gehört es aber wirklich nicht hin.
Ich habe es als Chance und als Auszeichnung begriffen, einmal mit dem Kollegen Stoiber, einmal mit dem Kollegen Teufel zwei frühere Konferenzen für die deutschen Länder, die unter der maßgeblichen Mitwirkung und Einflussnahme von Bundeskanzler Dr. Kohl geführt worden sind, mitzubegleiten.
Das ist schon eine Frage von elementarer Bedeutung, die natürlich am Ende Auswirkungen auf jeden Einzelnen in unserem Land hat, nicht nur auf die Handlungsfähigkeit der Länder und Kommunen. Darüber sollten wir uns verständigen, und wir sollten versuchen, in diesen Fragen die politischen Plänkeleien wegzulassen, weil es noch eine große Herausforderung werden wird, die wir zu bestehen haben.
Wenn wir die Frage stellen, ob dieses Europa mit 27 Mitgliedstaaten handlungs- und funktionsfähig bleiben kann, ob es die Konkurrenzherausforderung mit dem amerikanischen Kontinent, mit Asien und anderen wichtigen Bereichen annehmen und bestehen kann, dann dürfen wir nicht eine Diskussion darüber führen, warum der Landkreis X Y aus der Förderkulisse gefallen sei.
Wenn wir damit anfangen, dann zerstören wir die Akzeptanz für diese europäische Entwicklung in unserem Land, und unsere Verantwortung ist zu groß, als dass wir das zulassen dürfen.
Sie wissen ganz genau oder sollten es auf jeden Fall wissen, dass es für diese Förderkulisse Kriterien gibt, und ich denke, wir können doch froh darüber sein, dass wir in einer Reihe von Landkreisen in unserem Land Rheinland-Pfalz in puncto Wirtschaftskraft, in puncto Arbeitslosigkeit über der Schwelle sind, sodass wir nicht mehr gefördert werden.
Wenn man sagt, wir wollen alle weiter gefördert werden, frage ich Sie: wie soll dann Mittel- und Osteuropa in eine solche Förderkulisse hineinkommen können?
Wir müssen uns klar darüber sein, wer diesen Weg geht - ich glaube, wir waren uns alle darüber im Klaren, zumindest habe ich das bisher gedacht –, der wird auf eine Reihe von Ansprüchen verzichten müssen, wenn er nicht in gigantische Umverteilungsgrößenordnungen hinsichtlich der Finanzen hineinwachsen will.