Protocol of the Session on February 17, 2006

Was dahintersteht, haben wir heute von Herrn Wiechmann gehört, nämlich klar die Absicht – ich weiß, dass weite Teile der SPD diesen Gedanken hegen –, dass hiermit die Schullandschaft ausgehebelt werden sollte und könnte. Das vorweg.

Deshalb wundert es mich schon, dass Sie es damals mitgetragen und ermöglicht haben. Jetzt, kurz vor der Wahl, entdecken Sie wieder Ihr anderes Herz.

Herr Kuhn, ich kann es verstehen, wenn Sie mit Ihren Kollegen zusammentreffen, dass sie dann mit der alten Haltung – wie wir in der Pfalz sagen – Feuer unter den „Hm“ bekommen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich kenne das Metier und weiß, wovon ich spreche, im Gegensatz zu manch anderem, der heute Morgen zu diesem Thema spricht.

Ich weiß auch um die Besonderheiten bei der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung. Das war ohne Zweifel eine schwierige Sache. Man war als Lehrer gefordert, eine Entscheidung zu treffen. Manchmal hat man ein ungutes Gefühl gehabt, weil man nicht genau analysieren konnte, wie der weitere Schullaufbahnweg eines Kindes sein wird.

Deshalb ist klar, dass es keine 100%ige Richtigkeit gibt. Das ist auch jedem bewusst gewesen. Man muss aber auch darauf hinweisen, dass trotzdem rund 70 % – in manchen Schulen auch rund 90 % – der Empfehlungen richtig waren. Das darf bei aller Kritik nicht vergessen werden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich will auch darauf hinweisen, dass die Lehrer sehr wohl mit großem Engagement eine Entscheidung in der Hoffnung getroffen haben, dass sie richtig ist.

Frau Morsblech, Sie haben einen Punkt angesprochen, bei dem das System fehlerhaft war, nämlich bei der Rückmeldung, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich war. Das hätte manches verbessert und manchem Lehrer seinen Standpunkt klar gemacht und ihm gezeigt, ob seine Beurteilung richtig war. Das ging leider nicht.

Ich komme zur Freigabe des Elternwillens. Herr Wiechmann, Sie haben den eigentlichen Hintergrund Ihrer Empfehlung vorhin deutlich gemacht. Ihre Absicht ist es nämlich, die Schule zu verändern hin zur IGS. Wenn Sie nicht mehr den Elternwillen akzeptiert hätten, hätte ich das respektiert. Das akzeptiere ich auch persönlich. Die Eltern mehr in die Verantwortung zu nehmen, ist sehr wohl richtig.

In der Vergangenheit haben wir sicherlich den Fehler gemacht, Eltern aus ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind zu entlassen. Wir müssen die Elternschaft mehr in ihrer Verantwortung einfordern. Insoweit spricht natürlich einiges für die Freigabe des Elternwillens.

Machen wir uns aber nichts vor; denn auch in diesem Bereich gibt es gewaltige Fehlentscheidungen. Auch von Realschullehrern und Gymnasiallehrern hören wir, dass es Fehlentscheidungen der Eltern gibt. Wir müssen uns vor Augen halten, welche Konsequenz das für die Kinder hat. Sie erleben Schule nämlich dann zwei Jahre lang – meistens sogar drei Jahre lang – als Stresssituation und als Überforderung. Das verbinden sie dann natürlich zwangsweise mit entsprechender Unlust.

Genau an diesem Punkt müssen wir ansetzen. Wenn wir Bildung vom Kind her denken, dann müssen wir Korrekturen vornehmen, um eine solche Situation zu verändern.

Jetzt muss ich einmal schauen, wie viel Redezeit ich noch habe.

Noch eine Minute.

Das ist sogar für einen Menschen von meiner Länge schwer zu erkennen.

Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns die Situation des Kindes vor Augen halten und dafür Sorge tragen, dass Kinder Schule positiv erleben, dass sie motiviert werden, sie gern in die Schule gehen und dass sie gern lernen. Jede Überforderung stellt in dieser Hinsicht natürlich ein großes Hindernis dar.

Wie gesagt: In beiden bisher geübten Praxisarten ist dies der Fall, sowohl bei der Freigabe des Elternwillens als auch bei der früheren Regelung, dass die verbindli

che Schullaufbahnempfehlung ohne Wenn und Aber ausgesprochen wird.

Wir treten dafür ein, dass die Freigabe an entsprechend notwendige Korrekturen gekoppelt wird.

(Glocke der Präsidentin)

Darauf möchte ich nachher eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Gäste begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse des Veldenz-Gymnasiums Lauterecken. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzisch Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir führen heute eine sehr interessante Diskussion. Herr Wiechmann stellt ein Thema in den Mittelpunkt der Aktuellen Stunde, möchte aber über ein anderes reden. Er nennt es Schullaufbahnempfehlung. Er möchte aber gern über die Gesamtstruktur unseres Schulsystems und die Umwandlung aller Schulen in Gesamtschulen sprechen. Noch viel interessanter finde ich Herrn Lelle. Er spricht zu diesem Thema, möchte aber eigentlich klar machen, dass er auch bei diesem Punkt ein wenig der SPD hinterherrennen möchte. Nicht nur bei den Studiengebühren haben Sie das in diesem Wahlkampf geschafft, sondern auch in diesem Fall schaffen Sie es wieder.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Sie haben vorhin gesagt, einiges spreche für die Freigabe des Elternwillens. In den vergangenen zehn Jahren, in denen ich in diesem Landtag Bildungspolitik mit diskutiere, ist die CDU immer auf der Hardlinerlinie gewesen, der Ablehnung jedweder Einbeziehung des Elternwillens. Sie wollten immer die verbindliche Schullaufbahnempfehlung ohne Wenn und Aber.

Insofern halte ich die heutige Diskussion für ausgesprochen interessant. Frau Kollegin Morsblech hat es vorhin bereits angesprochen. Sehen wir es vor dem Hintergrund des Wahlkampfs: Halten wir mal wieder eine Wahlkampfrede. – Ich meine, dieses Parlament sollte mehr sachbezogen arbeiten.

Ein paar Sätze von mir zu diesem Thema: Seit dem Jahr 1991 – ich bin froh, dass die SPD-Fraktion gleich bei Regierungsübernahme in diesem Jahr das so entschieden hat – ist im Schulgesetz der Vorrang für den Elternwillen eingetragen worden. Die Partnerschaft für Erziehung und Bildung zwischen Eltern und Schule war da

mals die Leitlinie. Ich bin froh, dass wir dieses Ziel in den vergangenen Jahren erreicht haben.

Wir haben festgestellt und festgelegt, dass die Entscheidung für eine Bildungslaufbahn von Kindern und Jugendlichen von Anbeginn an und nie ohne die Eltern stattfinden kann. Das ist nichts anderes als die Umsetzung des Verfassungsauftrags von gemeinsamer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Staat und Elternhaus.

Ich denke, wir haben das auch klar und deutlich gesagt, als wir Bildungs- und Erziehungsempfehlungen entwickelt und das Gesetz zur frühen Förderung beschlossen haben. Auch darin wird deutlich, dass die Partnerschaft von Elternhaus und Staat besonders wichtig ist. Als wesentlichen Faktor haben wir hinzugefügt – das ist der Punkt, bei dem wir schauen müssen, ob es nicht noch weiter intensiviert werden muss – das Prinzip der Beratung von Eltern, das Prinzip der Hilfe, die bei der Entscheidung von Elternhäusern zur Verfügung gestellt wird. Hierzu gehört die Beratung der Lehrerinnen und Lehrer, die durch die Schule gemacht werden muss.

Wir haben ein ergänzendes Prinzip in Rheinland-Pfalz eingeführt. Wir halten uns konsequent daran. Wir sind auch willens, uns jetzt konsequent daran zu halten. Das ist das Prinzip von Akzeptanz der bildungspolitischen Entscheidungen und das Prinzip von Freiwilligkeit, das bei den Elternhäusern einen sehr hohen Stellenwert einnimmt.

Die positive Entscheidung an einer Weggabelung bei Eltern und bei Kindern fördert die Qualität der Zusammenarbeit. Das haben wir insbesondere im Bereich der Ganztagsschulen erfahren. Wir wissen aber auch, dass dies ein ganz wichtiger Punkt bei der Frage ist, ob sich Eltern für eine frühere Einschulung entscheiden.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Damit haben wir deutlich steigende Zahlen von Kindern erreicht, die sich auf einem qualifizierten Schulweg befinden. Außerdem haben wir deutlich steigende Zahlen von Abiturientinnen und Abiturienten. Das brauchen wir.

Zur Studie, Herr Kollege Wiechmann. Die Studie zeigt, dass wir etwas erreichen müssen. Wir müssen eine hohe Qualifizierung unserer Lehrkräfte für die Aufgabe erreichen, prognostisch zu beraten.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

In den vergangenen Jahren haben wir unser Prinzip von Lehrerbildung umgewandelt. Einer der wesentlichen Punkte, der neu hinzugekommen ist, ist die Diagnosefähigkeit von Lehrerinnen und Lehrern zu schulen und zu steigern. Diese Prinzipien sind auch in der Aus- und Weiterbildung eingeführt worden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich denke, das ist die wirkliche Botschaft, die uns diese Studie aufzeigt. Unsere Lehrerinnen und Lehrer müssen in ihrer Beratungsaufgabe unsere Unterstützung bekommen.

Wie wichtig diese Aufgabe in den Schulen ist, sehen Sie daran, dass kaum ein Qualitätsprogramm von Grundschulen nicht genau den Fokus auf die Zusammenarbeit mit den Eltern und die Beratung bei diesem entscheidenden Schritt gelegt hat. Ich denke, die Schulen sind sich der Verantwortung bewusst. Wir sind uns auch der Verantwortung bewusst, indem wir die Ausbildung reformiert haben.

Herr Lelle, noch ein paar Sätze zu Ihrer Linie in diesem Punkt.

(Glocke der Präsidentin)

Was haben wir – – –

(Glocke der Präsidentin – Lelle, CDU: Es hat geklingelt!)

Nein, es ist noch nicht zu Ende. Was haben wir in den vergangenen – – –

(Lelle, CDU: Geklingelt ist geklingelt!)