Protocol of the Session on January 20, 2006

Meine Damen und Herren, gemeinsame Empfehlungen waren aufgrund der zwischen den Regierungsfraktionen und der CDU sehr unterschiedlichen Bewertung der Situation des Landes Rheinland-Pfalz und der sich hieraus ergebenden Handlungsnotwendigkeit wirklich nicht zu erwarten.

Wo liegen nun die wesentlichen Unterschiede? – Dabei kann ich – ich sage leider – nahtlos an die gestrige Aktuelle Stunde zum Ausbildungsmarkt anknüpfen.

Liebe Frau Grosse, ich weiß nicht, ob Sie gestern nicht hier waren. Ich denke, wir haben aber eindeutig mit Fakten belegt, dass Rheinland-Pfalz nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit kein Ruhmesblatt spielt,

(Zurufe von der SPD)

sondern im Durchschnitt aller 16 Bundesländer liegt.

(Hartloff, SPD: Darüber haben wir gestern schon gestritten!)

Das ist kein Aufsteigerland.

(Beifall der CDU)

Der wesentliche Unterschied – Sie erleben es jetzt wieder hier wie gestern auch in der Regierungserklärung – zwischen dieser Landesregierung, den sie tragenden Fraktionen und uns, der CDU-Opposition, liegt im Blick auf die Realität.

Frau Grosse hat es vorhin wieder einmal wunderbar vorexerziert: Die Landesregierung zieht seit Jahren die dicke rosarote Brille auf, und wir versuchen trotzdem, ihr die Realität zu vermitteln.

In diesem Zusammenhang möchte ich heute noch einmal kurz an die Situation der Erwerbstätigen in Rheinland-Pfalz erinnern. Gestern lobte sich der Herr Ministerpräsident wegen der tollen Steigerungsraten in Rheinland-Pfalz. Leider reichen diese Steigerungsraten nicht aus, um Rheinland-Pfalz vom letzten Platz der alten Bundesländer wegzubekommen. Wer es also nötig hat, sich für solch dürftige Ergebnisse zu loben, ist kein Aufsteiger, sondern bestenfalls ein Aufschneider.

Auch bei der in der Enquete wiederholt festgestellten Beschäftigungslücke erzählen Sie sich und unserer Bevölkerung zur Selbstberuhigung wiederholt Märchen. Fakt ist, dass in Rheinland-Pfalz eine erhebliche Beschäftigungslücke im Vergleich der alten Bundesländer festzustellen ist. Die Fakten können Sie gern unserem Abschlussbericht ab Seite 144 entnehmen.

Mit 289,7 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen pro 1.000 Einwohner nahm Rheinland-Pfalz im Jahr 2003 im Vergleich aller 16 Bundesländer den drittletzten Platz ein. Sie erklären diese schlechte Relation mit dem attraktiven Zuzugsland Rheinland-Pfalz, wo die gut verdienenden Menschen aus Mannheim, Frankfurt und Karlsruhe gern hinziehen würden. Diese Rechnung geht vielleicht im Vergleich mit den neuen Bundesländern auf, die durch Wegzüge seit der Wiedervereinigung tatsächlich erheblich an Bevölkerung verloren haben, wodurch sich die Relation von Arbeitsplätzen zur Bevölkerung natürlich verbessern kann. Sie alle wissen aber genauso gut wie ich, dass mit der Bevölkerung auch erhebliche Arbeitsplätze dort drüben verloren gegangen sind. Deshalb stehen selbst die neuen Bundesländer bis auf Brandenburg besser da als Rheinland-Pfalz.

Im Vergleich mit den westdeutschen Bundesländern zieht die Erklärung nicht, wir seien ein Zuzugsland und hätten deshalb die schlechtere Relation; denn auch die westdeutschen Bundesländer haben selbstverständlich Zuzüge zu verzeichnen. Ich kann Ihnen das anhand von Zahlen belegen. Das erspare ich mir aber an dieser Stelle. Diese Länder haben es besser geschafft, für die Zuzüge die entsprechenden Arbeitsplätze vorzuhalten. Das ist in Rheinland-Pfalz nicht gelungen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte ein weiteres Beispiel anführen, nämlich das Bruttoinlandsprodukt. Im Rahmen der Imagekampagne des Landes hat man sich kräftig für die Steigerungsraten des Bruttoinlandsprodukts auf die Schulter geschlagen. Vielleicht ist dem einen oder anderen noch die wunderschöne Anzeige in Erinnerung, die mit teuren Steuergeldern finanziert wurde und in vielen Zeitungen erschienen

ist. Damit wurde für Steigerungsraten des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2002 um 2,5 %, im Jahr 2003 um 1,2 % und im Jahr 2004 um 2,4 % geworben.

Wo stehen wir aber beim Bruttoinlandsprodukt? Deshalb empfehle ich dringend den Blick in unseren Bericht. Die Fakten können Sie auf den Seiten 142 und 143 nachlesen. Zwar lagen – was richtig ist – die Wachstumsraten des Realeinkommens pro Kopf von 2002 bis 2004 über dem westdeutschen Durchschnitt, die mittelfristige Entwicklung jedoch seit dem Jahr 1991 ist deutlich ungünstiger verlaufen als im westdeutschen Durchschnitt. Die Folge ist, dass sich die Realeinkommenslücke, die als Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ausgewiesen wird, in Rheinland-Pfalz gegenüber dem westdeutschen Durchschnitt von ca. 3.050 Euro im Jahr 1991 auf ca. 4.320 Euro pro Kopf im Jahr 2004 vergrößert hat. Das entspricht der Tabelle im Bericht, die Ihnen die stetig steigende größere Lücke im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer deutlich macht.

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, wer sich diese dramatischen Zahlen schönrechnet, weil er den Blick durch diese rosarote Brille nur auf die Steigerungsrate lenkt und diese noch mit Steuergeldern teuer den Rheinland-Pfälzern als Standortstärke verkauft, ist kein Aufsteiger, der ist ein Aufschneider.

(Beifall bei der CDU)

Ich bringe diese Beispiele, weil ich der festen Überzeugung bin, dass eine Landesregierung, die sich selbst den Blick auf die Realitäten im Land derart verstellt, nicht in der Lage ist, die Probleme anzugehen und zu lösen.

Was ist also zu tun? Bei unseren Empfehlungen, die Sie ab Seite 166 des Berichts finden, haben wir uns auf zwei Schwerpunkte konzentriert, nämlich auf das Thema „Bildung als Voraussetzung für Beschäftigung“ und auf den Schwerpunkt „Zukunft der Arbeit durch Wiederaufbau von Beschäftigung in Rheinland-Pfalz zu sichern“. Auf diese Themen haben wir uns konzentriert. Ich denke, das haben wir zu Recht getan, ohne uns über einen Bauchladen weiterer schöner und durchaus wichtiger und richtiger Dinge auszulassen.

Sehr geehrte Frau Grosse, ich finde es wunderbar, wenn Sie ausführen, wie wichtig es Ihnen ist, dass die Arbeitslosen in Rheinland-Pfalz wieder einen Arbeitsplatz finden. Es ist aber natürlich auch der CDU sehr wichtig, dass die Arbeitslosen in Rheinland-Pfalz wieder einen Arbeitsplatz finden.

(Beifall bei der CDU)

Uns ist es darüber hinaus wichtig, dass die Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz weiterhin ihren Arbeitsplatz in Rheinland-Pfalz behalten. Uns ist darüber hinaus wichtig, dass wir für die vielen Pendler, die auspendeln müssen, auch in Zukunft wieder mehr Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man wie Rheinland-Pfalz an der leichten, etwas günstigeren Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt – – – Wir haben nach der Vorlage der Dezember-Statistik lesen können, dass die bundesweite Steigerungsrate im Dezember bei weitem nicht so hoch war, wie es sonst in den Jahren zuvor der Fall war. Das war der erste Silberstreif am Horizont. Der Zug Deutschland hat zumindest einmal die Dampfmaschine angeworfen und beginnt loszufahren. In Rheinland-Pfalz nehmen wir an dieser Entwicklung nicht teil. Im Gegenteil, wir haben eine dramatisch höhere Arbeitslosenzahl zum Ende des vergangenen Jahres akzeptieren und registrieren müssen, als es in den Vorjahren der Fall war. Meine Damen und Herren, der Zug fährt in Deutschland ab, und Rheinland-Pfalz ist bis jetzt abgehängt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Herr Kuhn, Sie wissen, dass ich das nicht aus dem Bauch heraus sage. Mir liegen die Statistiken vor. Ich lege sie Ihnen gern noch einmal zum Nachlesen vor.

Das Thema der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie stellt sich für mich erst in zweiter Linie. Natürlich ist das ein wichtiges Thema. Wichtiger ist es aber, dass es überhaupt Arbeitsplätze gibt, die man Frauen und Männern anbieten kann. Dann sind wir gern bereit, auch die Vereinbarkeit zu regeln. Das ist überhaupt nicht das Thema. Es müssen aber erst einmal Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz her.

(Beifall bei der CDU)

Sie sehen an dieser Auseinandersetzung, wie weit die Dinge auseinander liegen. Unsere Empfehlungen konzentrieren sich auf Bereiche, in denen wesentliche Zuständigkeiten der Landespolitik liegen und damit natürlich auch eigene Handlungsoptionen. Diese sind in Anbetracht der im Bildungsbereich festgestellten Defizite in Rheinland-Pfalz dringend erforderlich. Einige Fakten finden Sie ab Seite 146. Leider lag zum damaligen Zeitpunkt der zweite PISA-Vergleichstest 2005 noch nicht vor, der belegt hat, dass wir bei Gott kein Aufsteigerland sind. Rheinland-Pfalz fällt beispielsweise bei den wichtigen Lernergebnissen zurück, beim Lesen von Platz 4 auf Platz 6, bei den Naturwissenschaften von Platz 5 auf Platz 8, bei Mathematik von Platz 6 auf Platz 10 im bundesweiten Ländervergleich.

Der Bildungsmonitor 2005 der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ führt Rheinland-Pfalz im Gesamtranking, mit dem die gesamte Leistungsfähigkeit des Bildungssystems der Bundesländer dargestellt wird, auf Platz 13 aller 16 Bundesländer auf. Hierzu passt die Feststellung des Instituts der Deutschen Wirtschaft über die Ausgaben je Schüler an allgemein bildenden Schulen. Auch in diesem Fall nimmt Rheinland-Pfalz Position 13 ein, gefolgt von Brandenburg, MecklenburgVorpommern und dem Saarland.

Wenig erfolgreich ist Platz 5 bei den Klassengrößen an allgemein bildenden Schulen. Bei den Schülern je Lehrer tragen wir die rote Laterne im Vergleich aller Bundesländer. Bei dem Ranking des Bildungsmonitors nach der

Ausbildungsqualität erreicht Rheinland-Pfalz gerade einmal Platz 15, gefolgt von Nordrhein-Westfalen.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, Sie erkennen hieran, dass die Situation in Rheinland-Pfalz bei Gott kein Anlass ist, zufrieden zu sein. Ich fordere deshalb die Landesregierung dringend auf, sich diese Empfehlungen anzusehen, aber auch die Feststellungen und Fakten, die wir in zahlreichen Stunden mit Experten und Anzuhörenden erarbeitet haben. Nehmen Sie bitte die rosarote Brille ab. Nehmen Sie die Realitäten in Rheinland-Pfalz wahr. Die Menschen in Rheinland-Pfalz haben es verdient, dass der Zug nicht ohne die Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz losfährt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Gäste begrüße ich Mitglieder der CDU Ehrang/Quint. Herzlich willkommen im Landtag.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Thelen, ein bisschen Wahlkampf muss sein. Ich werde im Lauf meiner Rede auch darauf eingehen. Ich möchte aber, so wie sich das nach einer langen Zeit der Zusammenarbeit gehört, mit einem Dank an Herrn Kollegen Schwarz, an Sie, an die übrigen Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch an Herrn Staatssekretär Auernheimer, die Mitglieder der Verwaltung und unsere geladenen Fachleute beginnen.

Meine Damen und Herren, ich habe zum ersten Mal eine Enquete-Kommission erlebt. Ich habe erleben dürfen und müssen, dass es sich um ein zähes Verfahren handelt. Da die Vorgehensweise aber für mich ohne Alternativen bleibt, schlägt die Kritik, wenn man sie überhaupt als Kritik auffasst, auch auf mich selbst zurück. Daher sollte man das damit sein Bewenden haben lassen.

Im Lauf dieser zweieinhalb Jahre wurde umfangreich diskutiert. Fast alle haben zu fast allem fast alles gesagt. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich, wie meine Vorredner, auf unsere liberalen Schwerpunkte konzentriere.

Ich möchte auf vier Teile besonders eingehen. Das sind zum einen die EU- und bundesrechtlichen Rahmenbedingungen, das sind dann die Entwicklung und der Status quo von Wirtschaft und Beschäftigung in RheinlandPfalz, schließlich die Aussichten und Aufgaben für unser Land. Mit politischen Bewertungen möchte ich dann schließen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum ersten Punkt, der Steuerreform. Das ist ein großes Thema zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Ich freue mich, dass von allen Vorrednern betont wurde, dass das Hauptproblem nicht das Verteilen von Arbeit ist, sondern das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen und das Sichern von alten Arbeitsplätzen und die Tatsache, dass Arbeitsplätze vor allem durch die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz, vor allem durch die mittelständisch strukturierte Wirtschaft, geschaffen werden.

Ich komme also zu den Steuerforderungen. Die FDP findet Unterstützung im Rahmen der EnqueteKommission vor allem aus den wissenschaftlichen Beiträgen für eine Ertragssteuerreform, die sowohl für den Staat als auch für die Unternehmen verlässliche, solide und transparente Bedingungen bietet. Wir sind als FDP für eine Reform des Finanzausgleichssystems. Wir haben dazu auch einen konkreten Vorschlag unterbreitet, nämlich den Wegfall der Gewerbesteuer. Das würde zu einer Vereinfachung, zu einer internationalen Angleichung und letztlich auch zu einer Akzeptanzverbesserung bei den betroffenen Firmen führen.

Wir sind für eine Reform des geltenden Erbschaftssteuerrechts mit dem Ziel, Unternehmensweiterführungen zu erleichtern. Im vergangenen Jahr haben sich auch die beiden Volksparteien zu diesen Positionen durchgerungen. Leider ist bisher da noch nichts passiert. Vielleicht kommt das aber noch.

Wir sind darüber hinaus vor allem für eine Vereinfachung des Steuerrechts. Die Steuerpraxis ist durch ihre Gesamtkomplikation nicht mehr gerecht, sondern ungerecht. Die Schwierigkeiten dieses komplexen Systems sind sowohl für denjenigen, der Steuern zahlt, als auch für die Beamten, die über die korrekte Steuerabwicklung wachen, nicht mehr nachvollziehbar. Das ist ein großer Standortnachteil, der von allen erkannt wird, aber Reformen ziehen sich.

Meine Damen und Herren, ich komme als zweitem wichtigen Punkt zum Bereich Planungsrecht und allgemeiner Verwaltungsvollzug. Da ist ganz interessant, dass sich die geäußerte Kritik vor allem auf das konkrete Verwaltungshandeln bezogen hat. Die Vorschriften und Richtlinien wurden nicht so sehr als drängend und bedrückend wahrgenommen, sondern das gilt vor allem für vielfach mangelndes Verständnis für wirtschaftliche Entscheidungsnotwendigkeiten vor Ort. Das gilt auch für die Geschwindigkeit wirtschaftlicher Entscheidungsnotwendigkeiten.