Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich hier stehe, sollte eigentlich Frau Anne Spurzem hier stehen. Sie hat an dem gefährlichsten Arbeitsplatz der Welt, dem Haushalt, gearbeitet und ist von einer Leiter gefallen. Von dieser Stelle aus möchte ich ihr gute Besserung wünschen.
Es geht ihr eigentlich richtig schlecht. Sie hat sich grün und blau geschlagen. Deswegen möchte ich auch sagen, dass die Rede, die ich Ihnen jetzt hier vortrage, weitestgehend die meiner Kollegin ist.
Ich fand es auch nur fair, das, was sie mir gegeben hat, Ihnen heute vorzutragen. Ich fange mit einem Zitat des Kollegen Christoph Böhr an, das am 23. November dieses Jahres in der „Allgemeinen Zeitung“ stand. Herr Böhr hat dort gesagt: Die „Frühförderung der Kinder mit einem überzeugenden Gesamtkonzept muss das bildungspolitische Thema der zukünftigen Landespolitik sein.“ – Recht hat er, der Herr Böhr, und es steht am Anfang dieser Rede, um klarzumachen, dass es erfreulich ist, dass die gesellschaftlichen Notwendigkeiten bei uns allen einen hohen Stellenwert haben und wir uns im Besonderen freuen, dass dies auch die Opposition erkannt hat.
Zum Glück hat die Landesregierung bereits seit vielen Jahren erkannt, wie wichtig die übergreifenden und schlüssigen Konzepte sind. Deshalb wird auch die künftige Landespolitik vom Ausbau des Kindertagesstättenbereichs, von der Vollen Halbtagsschule, von Ganztagsschulen, von Bildungs- und Erziehungsempfehlungen, von der stärkeren Förderung von Krippen und Ganztagskindertagesstätten, von der Reform der Erzieherinnenausbildung, vom Qualitätsmanagement und von der Reform der Lehrerinnenausbildung bestimmt sein.
Aber das Wichtigste zuerst: Wenn wir heute in zweiter Lesung den Gesetzentwurf zur frühen Förderung verabschieden, dann setzen wir hier einen – ich betone das – weiteren Meilenstein in der erfolgreichen rheinlandpfälzischen Bildungspolitik. Mehr noch, wir verhelfen Kindern zu besseren Startchancen ins Leben. Die vom Bildungsausschuss durchgeführte Anhörung belegte dies eindrucksvoll. Es gab durchweg positive Äußerungen, wie zum Beispiel „Wir stehen dem Vorhaben positiv gegenüber“, „Notwendige, richtige Maßnahmen“, „Wichtige fachliche Entwicklung für Kinder und Familien unterstützen“, „Wir begrüßen“, „Wir unterstützen“, „Ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung“ und Ähnliches.
Insgesamt wird das einvernehmliche und offene Verfahren durch die Landesregierung, die eine schriftliche und zwei mündliche Anhörungen durchgeführt hat, ebenso wie die Inhalte des Gesetzes gelobt und auch auf die gute Finanzvereinbarung hingewiesen. Festgestellt wird,
dass die Würdigung der Kindertagesstätte als erster Stufe des Bildungssystems, die durch Fördermaßnahmen, Entwicklungsdokumentationen sowie die Zusammenarbeit von Grundschulen und Kindertagesstätten erweitert wird, notwendig war. So werde man der besonderen Bedeutung der frühen Lebensjahre für die weitere Bildungs- und Lerngeschichte der Kinder gerecht.
Aber dass all diese Experten sich irren müssen, will uns die CDU immer wieder erzählen. Aber das ist ein untauglicher Versuch. Zuerst kam natürlich „schneller, mehr, aber überhaupt auch ganz anders“. Dann kam – da soll man genau hinhören – die Zwangseinschulung mit fünf Jahren. (Lelle, CDU: Ach!)
Aber der neue Versuch jetzt letzte Woche ist auch nicht besser. Sie hängen jetzt um Ihre Zwangseinschulung ein neues Mäntelchen herum. Sie nennen das Ganze jetzt Fördernde Grundschule. Sie wollen zwei bis drei Jahre altersgemischt unterrichten. Das übrigens machen unsere Kindertagesstätten schon seit Jahren.
Sie haben ein stetes Hin und Her gehabt zwischen neuer Grundschule, Zwangseinschulung, jetzt der Fördernden Grundschule, und demnächst heißt es sicher wieder anders. Kein Mensch kennt sich da mehr aus. Ich glaube, Sie selbst kennen sich eigentlich auch nicht mehr aus. Sie wissen vor allen Dingen gar nicht, wo Sie hin wollen. Das geht bei uns Gott sei Dank anders. Konsequent und schlüssig haben wir das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ entwickelt. Zwar sind – lassen Sie mich das sagen – einige Ihrer Analysen in Ihrem Entschließungsantrag sachlich ganz richtig – eigentlich bestätigen Sie damit ganz genau das jetzt hier im Regierungsprogramm vorgelegte Konzept –, aber Sie ziehen einfach die falschen Schlüsse daraus. So stellt zum Beispiel die CDU in ihrem Antrag die Schule ins Zentrum aller Bildungsbemühungen. Wir aber – das betone ich – stellen die Kinder in den Mittelpunkt, weil sie für uns das Kostbarste sind.
Da werden dann bei uns auch keine Experimente gemacht, Herr Kollege. Wir probieren es auch nicht mit unterschiedlichen Titeln, sondern der Erziehungsauftrag der Familien und das Ziel der individuellen pädagogischen Arbeit in der Kindertagesstätte und in der Grundschule wird bei uns durch individuelle pädagogische Förderung fortgesetzt. Das muss ich Ihnen schon sagen, dass es mich da sehr erschreckt, dass Sie die Kompetenz unserer Kindertagesstätten so etwas von bezweifeln, dass Sie glauben, Sie müssen sie durch Schule ersetzen. (Lelle, CDU: Das ist gar nicht wahr!)
Bei mir hat das den Anschein, als schreiben Sie die Kindertagestätten und die Erzieherinnen im Prozess der Bildung als erste Bildungsstufe komplett ab. Da helfen Ihre Lippenbekenntnisse und das, was Sie eben gesagt haben, auch nicht. Am Erschreckendsten ist dann das, was die CDU-Mitglieder in der Enquete-Kommission „Kommunen“ dazu geschrieben haben. Ich darf zitieren. Sie schreiben nämlich dort, „dass entgegen der Äußerungen der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen in der Enquete-Kommission die wenigen völlig unzureichenden Maßnahmen zum Standardabbau in keinster Weise dazu beitragen, Städte, Gemeinden und Landkreise in Rheinland-Pfalz von überflüssiger Bürokratie zu befreien. Weder die Änderungen von Bauvorschriften noch“ – und man höre jetzt hin – „beispielsweise die Abweichung von Gruppengrößen oder vom Personalschlüssel in Kindertagesstätten und Kindergärten werden erlaubt.“
„Empörung bei der CDU.“ – Gleichzeitig haben Sie uns eben erzählt, die Klassen sind zu groß, und – ich habe es kaum glauben wollen – Sie wollen die Ausbildung unserer Erzieherinnen jetzt an die Fachhochschule verlagern. Dann werden die Personalschlüssel bei Ihnen wahrscheinlich noch stärker verkleinert. Sie schreiben weiter: „Alle Maßnahmen, die zu wirklichen finanziellen Entlastungen führen würden, werden nicht angetastet.“
Ist das eigentlich bei Ihnen Doppelzüngigkeit, oder ist es vielleicht einfach so, dass Sie gar nicht erfahren haben, dass die Kollegen in der Enquete-Kommission „Kommunen“ so etwas formuliert haben?
Oder ist es das Umgesetzte von Herrn Bracht, nämlich die halbe Wahrheit? Wahrscheinlich ist es alles drei. Ich vermute, es ist so schrecklich, es ist alles drei. Die einen sind doppelzüngig, die anderen erzählen uns nur die halbe Wahrheit, und die Dritten in dieser Fraktion wissen nicht, was die beiden anderen gesagt haben.
Wir – das möchte ich betonen – trauen unseren Kindertagesstätten und den in ihnen arbeitenden Erzieherinnen und Erziehern Bildungsarbeit zu. Wir trauen ihnen vor allen Dingen eine produktive Zusammenarbeit mit den Grundschulen zu. Wir wollen und wir werden deswegen die begonnenen Wege der frühen Förderung konsequent weiterverfolgen. Wir wollen, dass unsere gut ausgebildeten Frauen im Erwerbsleben sein können. Wir wollen die Vereinbarkeit von Eltern und Beruf, und wir wollen die Chancengleichheit in der Bildung der Kinder.
Genau dazu setzt der Gesetzentwurf zur frühen Förderung die richtigen Schwerpunkte, die Schwerpunkte des bedarfsgerechten Ausbaus der Betreuung unter Dreijähriger mit dem Rechtsanspruch ab 2010, das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr, die Weiterentwicklung der Kindertagesstätte als Bildungseinrichtung, Sprachförderung in den Kindertagesstätten und eine verbindliche Zusammenarbeit mit den Grundschulen, zum Beispiel auch über die Lernstandsdokumentationen und damit für die
Verbesserung des Übergangs von Kindertagesstätte zu Grundschule werden die Rahmenbedingungen gesetzt.
Sie wissen außerdem, das Ganze ist finanziell unterfüttert. Die Beschlüsse der Finanzausgleichskommission sind eindeutig. Das Programm ist pädagogisch und sozial ausgewogen.
Dafür nehmen wir richtig Landesmittel in die Hand, um die Chancengleichheit der Kinder zu gewährleisten. Millionenschwere Programme sind das, und sie unterstützen die Familien und die Träger bei der Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr, bei der Sprachförderung, bei der Fortbildung, beim Ausbau der Kindergartengruppen auch für unter Zweijährige und beim Rechtsanspruch für Zweijährige ab 2010.
Das ist unsere Bildungsarbeit, und sie ist aus einem Guss. Das sage ich vor allen Dingen dem Herrn Kollegen Wiechmann.
So werden Eltern und Kinder und ihre Bildungschancen richtig unterstützt, übrigens sinnvoll ergänzt durch den Antrag der FDP zur Stärkung und Erweiterung der Betriebskindertagesstätten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ich freue mich über das, was wir heute beschließen können. Ich freue mich für die Kinder, die Eltern, die Kindertagesstätten, die Grundschulen und die Chancengleichheit im Bildungssystem.
Es geht darum, dass wir ihnen heute sagen, wie es ab nächstem Jahr in unserem Bildungssystem weitergeht.
Es geht darum, dass wir heute einen guten Tag für die Kinder schaffen, damit sie in den nächsten Jahren gute Tage haben werden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schlusssatz von Frau Kollegin BredeHoffmann, in Rheinland-Pfalz machen wir es einfach: nur erheblich zu spät.
Im Dezember jährt sich die PISA-I-Veröffentlichung zum vierten Mal. Jetzt nach vier Jahren versuchen Sie, eine Antwort auf die zentralen PISA-Befunde zu bringen, nämlich die Frühförderung zu verstärken. Das hätten Sie schon früher gekonnt.
Die CDU-Fraktion hat bereits im April 2002 einen Antrag gestellt. Da steht ein Großteil von dem drin, was jetzt auch bei Ihnen drin steht. Wir haben Sprachstandtests gefordert. Wir haben für Kinder mit Sprachdefiziten verpflichtenden Sprachunterricht gefordert. Da waren FDP und SPD dagegen. Wir haben eine bessere Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen gefordert. Das haben Sie alles abgelehnt.
Jetzt haben Sie drei Jahre gebraucht, um dieses Gesetz vorzulegen. Jetzt meinen Sie, Sie werden hier großartig gefeiert. Sie waren die lahmen Enten. Wir waren damals wirklich die schnellen Brüter.