Protocol of the Session on October 12, 2005

Der demografische und soziale Wandel wird die Nachfrage nach professionellen Hilfs- und Pflegeangeboten sowie nach geronto-medizinischen Leistungen weiter steigern. Pflegekräfte werden verstärkt Beratungsaufgaben übernehmen. Dazu zähle ich auch die Prävention, ein Gebiet, das zurzeit noch wenig Beachtung findet.

Lassen Sie mich also festhalten: Die Pflege ist ein Arbeitsmarkt der Zukunft.

Die Landesregierung hat frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und Ende 2002 in enger Zusammenarbeit mit der Landespflegekonferenz eine Bildungs- und Fachkräfteinitiative gestartet. Dabei haben wir uns an den Leitsätzen des Landespflegeausschusses „Wir setzen uns für eine Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung ein“ und „Wir schaffen gute Arbeitsbedingungen für die berufstätig Pflegenden“ orientiert.

Die Ausbildung in den Pflegeberufen haben wir in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit dem Bildungsministerium von Grund auf reformiert und auf den

aktuellen Stand der berufspädagogischen Erkenntnisse gebracht. Die nach neuem Recht und nach den neuen Rahmenlehrplänen ausgebildeten Schüler und Schülerinnen in den Pflegeberufen werden nun gut vorbereitet sein, um den Herausforderungen einer schwieriger gewordenen beruflichen Praxis gerecht werden zu können.

Im Rahmen unserer Initiative erproben die Pflegerischen Schulen des Diakonissenkrankenhauses in Speyer seit dem Schuljahr 2004/05 die gemeinsame Weiterentwicklung der Altenpflegeausbildung, der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegeausbildung. Damit gehört das Diakonissenkrankenhaus zu den bundesweit acht Projektteilnehmern des Modellvorhabens „Pflegeausbildung in Bewegung“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Ziele des Modellvorhabens sind:

Ein Kompetenzgewinn der Auszubildenden durch Erweiterung der Ausbildungsinhalte,

die Anpassung der bundesdeutschen Pflegeausbildung an internationale Standards,

eine curriculare und pädagogisch-didaktische Neugestaltung der Ausbildung und eine Anpassung der Ausbildungsgänge an die Handlungsfelder der beruflichen Zukunft sowie

eine höhere Flexibilität bei der Arbeitsplatzwahl nach der Ausbildung.

Zusätzlich wird eine Weiterbildung zur „Praxisanleitung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege“ in der Kreuznacher Diakonie durchgeführt.

Seit September 2005 fördert die Landesregierung über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren das Modellprojekt „Ausbildungsvorbereitung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf eine qualifizierte Berufsausbildung in der Pflege“ am Klinikum der Stadt Ludwigshafen. Es setzt an der Schnittstelle Schule und berufliche Bildung an. Zielgruppen sind schulpflichtige Jugendliche mit Migrationshintergrund, die ein Abschlusszeugnis der Hauptschule haben.

Damit uns auch in der Zukunft eine ausreichende Anzahl von Pflegefachkräften zur Verfügung steht, müssen wir heute für eine qualifizierte Ausbildung der nachkommenden Generationen sorgen. Die Finanzierung der Ausbildungsvergütung in der Altenpflege haben wir deshalb gemeinsam mit dem Parlament neu geregelt. Durch eine Umlage beteiligen sich nunmehr auch diejenigen an der Ausbildung des Nachwuchses, die selbst nicht ausbilden.

Um die Arbeitsbedingungen der in der Pflege beschäftigten Menschen zu verbessern, haben wir uns von Oktober 2002 bis Sommer 2005 am Praxisprojekt „Gesunde Beschäftigte und gute Servicequalität in der ambulanten Pflege“ beteiligt, einem Modellvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Das Projekt untersuchte die Arbeitssituation in der ambulanten Pflege und forschte nach Wegen zur Gesundheitsförderung und zur besseren Arbeitsgestaltung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Zu den Ergebnissen des Projekts gehört die Forderung nach einer systematischen Verbesserung der Schnittstellen zu anderen Einrichtungen und Institutionen, die am Pflegeprozess beteiligt sind, nach einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen und nach einer Optimierung der internen Arbeitsabläufe. Die Studie ist von besonderer Bedeutung, weil die Verweildauer der Pflegefachkräfte in der Pflege relativ kurz ist.

Meine sehr verehrten Herren und Damen, die Bilanz unserer Bildungs- und Fachkräfteoffensive zeigt, dass wir es gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern geschafft haben

die Fachkräftesituation in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachhaltig zu sichern und zu verbessern und

die Pflegekräfte auf künftige Anforderungen vorzubereiten, die insbesondere aus der veränderten Alters- und Bedürfnisstruktur sowie aus der stärkeren Konzentration auf Präventiv- und Beratungsaufgaben resultieren.

Wir werden auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass es in Rheinland-Pfalz eine ausreichende Zahl qualifizierter Fachkräfte gibt.

Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete, um die Chancen, die uns der Pflegemarkt RheinlandPfalz eröffnet, zu nutzen, haben wir vor, auch in Zukunft wichtige Impulse für mehr Beschäftigung, für bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Pflege zu geben.

Um den Pflegearbeitsmarkt fördern und gestalten zu können, muss er zunächst transparent sein. Deshalb entwickeln wir zurzeit das Branchenmonitoring Pflege Rheinland-Pfalz, das erste inhaltliche Ergebnisse bis Ende des Jahres zur Verfügung stellen wird. Informationen zum Pflegearbeitsmarkt auf regionaler Basis sollen zeitnah zugänglich gemacht werden. So kann sehr schnell bewertet werden, ob, in welchen Regionen, in welchen Berufen und in welchen Sektoren ein Pflegekräftebedarf oder -überhang zu verzeichnen ist und welche Maßnahmen zur Steuerung notwendig sind.

Das Sozialministerium wird zusammen mit dem Bildungsministerium die Umsetzung der umfassend novellierten Ausbildung begleiten und evaluieren, damit bei Bedarf zeitnah notwendige Änderungen vorgenommen werden können.

Mittelfristig wird es darum gehen, ob die Ausbildungen in der Altenpflege und in der Gesundheits- und Krankenpflege beziehungsweise der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer gemeinsamen Ausbildung zusammengefasst werden. Ich halte dies für einen überlegenswerten Weg. Wichtige Erkenntnisse, die uns die Entscheidung für oder gegen eine gemeinsame Ausbildung erleichtern, werden wir durch die bereits erwähnten Modellversuche erhalten.

Wir müssen den bereits eingeschlagenen Weg zur teilweisen Akademisierung der Pflegeausbildung weiter gehen. Es geht dabei nicht darum, generell die Ausbildung von der Ebene des Berufsbildungssystems auf das der Hochschule zu heben, sondern für Führungs- und Leitungsaufgaben in der Pflege eine akademische Qualifikation zu ermöglichen.

Wegen des oft hohen Betreuungsbedarfs, insbesondere bei demenzkranken Menschen, fehlt es allein stehenden Pflegebedürftigen oder Familien in Rheinland-Pfalz trotz unseres vorbildlich ausgebauten Netzes an ambulanten Diensten nicht selten an einer preisgünstigen Hilfe, die sie auch längerfristig, wenn nötig auch über Nacht, entlasten könnte. Viele Familien wählen daher den Weg, eine ausländische Arbeitskraft illegal zu beschäftigen.

Um dieses Versorgungsproblem in der Pflege zu lösen, starten wir in Kürze, genau im November, in enger Kooperation mit den Kostenträgern, den Leistungserbringern, der Arbeitsverwaltung und den Berufsverbänden das Angebot einer finanzierbaren Assistenzkraft für allein stehende Pflegebedürftige und für Familien mit Pflegebedürftigen, die vor allem einfache Betreuungsleistungen und ergänzende Dienste übernehmen wird.

(Beifall bei SPD und FDP)

Um die Verknüpfung mit den professionellen Hilfen der Fachkräfte und damit die Sicherstellung der Versorgungsqualität zu gewährleisten, wird die Vermittlung dieser Hilfe über die ambulanten Dienste erfolgen. Die Betreuungskräfte können von den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen auch stundenweise angefordert werden. Das Land fördert das Projekt im Rahmen seiner Arbeitsmarktinitiative „Neue Chancen – 6.000 plus für Jung und Alt“ mit 1 Million Euro.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Herren und Damen, ich weiß, dass sich die illegale Pflege zu einem großen Problem entwickelt hat und gehe deshalb konsequent gegen sie vor. Erstens ist es notwendig, bezahlbare Alternativen anzubieten. Das werden wir tun. Ich habe sie eben genannt.

Darüber hinaus haben wir die Zollbehörden gebeten, in Rheinland-Pfalz Schwerpunktaktionen gegen die Vermittlung illegaler Pflegekräfte durchzuführen. Dies wird in naher Zukunft auch geschehen.

Schließlich werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher gemeinsam mit den Leistungsanbietern verstärkt informieren und aufklären: Über alle legalen Pflegehilfen und auch darüber, dass illegale Pflege zu einer gefährdenden Pflege werden kann, dass damit nicht nur Sozialversicherungs- und Steuerbeiträge hinterzogen, sondern auch mafiöse Strukturen unterstützt und reguläre Arbeitsplätze gefährdet werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege weiter zu verbessern, müssen wir da, wo dies möglich und not

wendig ist, die Pflege von einer Überbürokratisierung entrümpeln.

Nachdem wir gemeinsam mit unseren Partnern und Partnerinnen im Juli des letzten Jahres eine bundesweit beachtete Musterdokumentation für den stationären Pflegebereich vorgelegt haben, werden wir voraussichtlich noch in diesem Winter eine Musterdokumentation für den ambulanten Bereich erarbeitet haben.

Wir erwarten, dass sich auch dort – gemessen am bisherigen Zeitaufwand – bis zu 25 % Dokumentationszeit einsparen lassen, ohne den Bedeutungsgehalt der Dokumentation zu schmälern und eine sinnhafte Planung und Gestaltung des Pflegeprozesses zu gefährden.

Wie bereits dargestellt, gehört zu einer Entbürokratisierung auch eine Reform des Heimrechts und der Heimmindestbauverordnung. Wir werden an entsprechenden Initiativen auf Bundesebene mitwirken und sie befördern.

Die Arbeit in der Pflege wird sich in Zukunft weiter verändern. Auch die von uns unterstützten Pflegebudgets gehören in diesen Zusammenhang. Als eine von sieben bundesweiten Modellregionen nimmt das Land Rheinland-Pfalz mit dem Landkreis Neuwied an der Erprobung des Persönlichen Pflegebudgets teil.

Außerdem erproben wir neuerdings – das ist einmalig in der Bundesrepublik Deutschland – in den Modellregionen Landkreis Neuwied und Stadt Mainz ein „Integriertes“ Budget.

Wir erwarten, dass sich die neue Nachfrage auch auf den Angebotssektor der Pflege auswirken wird. Personengebundene Pflegebudgets können für ambulante und auch stationäre Pflegedienstleister Impulse geben, ihre Angebote weiter zu flexibilisieren, um zu einer bedarfs- und bedürfnisgerechteren Versorgung beizutragen.

Schließlich kann die Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets auch das ehrenamtliche Engagement von Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn deutlich stärken und damit professionelle und ehrenamtliche Hilfen zu einem effizienten Pflegenetzwerk verbinden helfen.

Die Pflege ist in der Tat also ein Arbeitsmarkt der Zukunft. Mit der Assistenzkraft für den Pflegehaushalt, dem Persönlichen Pflegebudget, dem Integrierten Budget und dem Case Manager geben wir innovative Impulse für neue Beschäftigungsfelder und leisten somit auch einen arbeitsmarktpolitischen Beitrag. Durch die Entbürokratisierung verbessern wir die Arbeitsbedingungen, und mit unseren Ausbildungsmaßnahmen sorgen wir dafür, dass es auch künftig eine ausreichende Anzahl qualifizierter Fachkräfte geben wird.

Meine sehr geehrten Herren, meine sehr verehrten Damen, die Pflege ist, wie ich finde, eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft. Wie eine Gesellschaft die Pflege organisiert, sagt viel über ihre Einstellung zum Alter, über ihre Fähigkeit zur Solidarität und auch über das Verhältnis der Generationen zueinander aus. Der Staat kann die Achtung vor dem Alter, Generationenso

lidarität oder Mitmenschlichkeit natürlich nicht verordnen, aber er kann Rahmenbedingungen schaffen, die sie ermöglichen.

Mit unserem Bündnis "Menschen pflegen" schaffen wir solche Rahmenbedingungen, indem wir die Strukturen der Pflege auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen. Zum Wohl der Pflegebedürftigen und der Pflegenden ist es uns dabei gelungen, eine Vielzahl innovativer Modelle zu entwickeln, die die häusliche Pflege stützen, neue Beschäftigungsfelder schaffen sowie Arbeitsbedingungen und Ausbildung in der Pflege verbessern helfen.

Die Beteiligten können stolz darauf sein, dass viele nach Rheinland-Pfalz schauen, und dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten an dieser Stelle sehr, sehr herzlich bedanken. Ich bin der Meinung, Sie haben die Frage, was uns die Pflege hier in Rheinland-Pfalz wert ist, damit sehr eindrucksvoll beantwortet.

Ich bin sehr dankbar für das große Bündnis, den Konsens, den wir erreichen konnten, und vor allem für die Vielzahl der praktischen Erfolge.

Ich freue mich, dass unsere Konzepte und Projekte dazu beitragen, das Niveau der Pflege zu sichern, Teilhabe und Selbstbestimmung für die älteren Menschen zu ermöglichen, und sie uns allen eine Chance geben, Generationensolidarität auch in Zukunft zu leben.

In diesem Sinn bedanke ich mich auch sehr, sehr herzlich beim Parlament für seine Unterstützung.