Protocol of the Session on January 17, 2001

Wir sind also alle miteinander in dieser_ Situation in einer sch\•Jierigen Entscheidungslage. Man kann fast sagen, dass es das ist, was in einer griechischen Tragödie geschrieben ist: Egal wie Sie sich entscheiden, die Entscheidung wird immer schlecht sein. Sie wird immer mit einer großen Belastung ver

bunden sein. - Das ist der Stoff, aus dem griechische Tragö·

dien geschnitten sir.d.

Vielleicht liegt die Chaneein dieser schwierigen und dramatischen Situatjon aber auch darin, dass sie uns innehalten lasst,

Oberdenken lässt, was wir tun und wie wir unsere Nahrung, unsere Lebensmittel, das sind die Mittel, die wir zum Leben benötigen- dieses Wort ist verloren gegangen-, bewerten.

Wir geben für alles und jedes viel Geld aus. Es ist egal, ob man sich schnell eine neue Alufelge für das Auto kauft, wenn man sich das oder sonst irgendeinen Schnickschnack leisten kann. Aber unsere Lebensmittel - das, was wir zum Leben brauchen-sind uns immerwenigerwert geworden.

Wenn man die Wertmaßstäbe in einer Gesellschaft genauer betrachtet und wenn sich die Wertmaßstäbe einer Gesell

schaft so verändern, dass das, was uns wirklich etwas wert sein sollte, nämlich unsere Lebensmittel, imm-er weniger wert geworden si_nd, erkennen wir, wie wir uns von der Natürlich

keit des Lebens wegentwickelt haben. Eine Gesellschaft, die eine solche Ausprägung angenommen hat, wird auf Dauer nicht mehr lebenswertsein können.

Meine Damen und Herren, deshalb und genau aus diesem Grund sehe ich in alldem Schlimmen eine Chance zur-Umkehr und eine Chance zur Neuerung, die aus Deutschland, aus Europa heraus erwachsen kann. Wenn das dazu führt, dass wir uns in Europa über unsere Agrarpolitik, über den Umgang mit Leben - Tiere bedeuten Leben - und über den Umgang mit unseren Flächen neue und andere Gedanken machen und sukzessive vor diesem schwierigen Hintergrund - ich weiß sehr wohl, wie schwierig das ist- Zeichen setzen und.mit ei

ner Umsteuerung beginnen, wird aus dem Schlimmen am Schluss noch etwas Gutes.

Das bedeutet nicht, dass es gute und schlechte Landwirte gibt. Ich bin weit davon entfernt, einen Ökobauern gegen einen konventionell arbeitenden Landwirt auszuspielen. Davon bin ich sehr weit entfernt. Es gibt nur einen richtigen Weg: Im Einklang mit der Kreatur und der Natur zum Wohl der Verbraucherinnen und Verbr~ucher, also der Menschen,Nahrung zu erzeugen und auf europäischer und natürlich auch auf internationaler Ebene Instrumentarien· zu erarbeiten, die dies ermöglichen.

Ich bin der Auffassung, dass das allen nutzt. Das nutzt den Menschen, den Tieren, den Erzeugern und der Umwelt. -Wir

alle wären Nutznießer einer solchen Politik.

(An hältend Beifall der SPD und der F.D.P.)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Licht das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Martini, neben d_en allgemeinen Dingen erfordert die Krise aber auch Antworten. Auch darauf müssen wir uns einstellen: Wir müssen jetzt und nicht irgendwann darüber debattieren, was mit diesen rund 400 000 Tieren werden soll oder nicht werden soll.

Dabei kann durchaus darüber diskutiert werden, dass wir wis

sen; dass in den Schlachthäusern ungeprüftes Fleisch liegt und wie wir diese rund 400 000 Tiere nach der Prüfung zur Marktentlastung in den Schiachthäusern lagern können. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, die dem Bauern ur.d dem Verbraucher helfen würde. Lassen Sie uns gemeinsam über diesen Vorschlag nachdenken: Das ist sicher ein der Kri

se entsprechender Vorschlag und eine Lösung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich mache drei Feststellungen, qie von namhaften Professoren gemacht worden sind und heute in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" standen:

1. Die Ursachen der BSE-Krise liegen- nicht in der konventionellen Landwirtschaft, sondern in den Versäumnissen des Staates.

- 2. Die Frage nach einem verantwortungsvollen Handeln in der Vergangenheit hat mit dem 25. November vergang"enen Jahres eine Bruchstelle in der Bewertung. Deshalb will ich nicht über das diskutieren, was vorher war.

3: Spätestens seit diesem Zeitpunkt musste sich auch die rheinland-pfälzische Landesregierung auf einen möglichen Fall vorbereiten bzw. mit allen Fragen vertraut machen.

Das ist noch kein Vorwurf, sondern das sind drei Feststellun

gen, die ich deutlich mache. Zu den Vorbereitungen und zu der EntwiCklung seit EndeNovember wurde in der Anhörung in der vergangenen Woche einiges gesagt.

Frau Martini, wenn Sie in einem kurz andauernden Feuerwerk die Opposition beschimpfen, erweist sich das als Strohfeuer; (Mertes, SPD: Wo waren

denn Sie müssten wissen, dass es keinen Krisenstab gibt. Das ist deutlich in der Anhörung diskutiert worden.

(Zuruf des Abg.. Mertes, SPD)

Sie müssten wissen, dass der so genannte Lenkungsausschuss - wir haben darüber debattiert, Herr Kollege Nagel - nur nachrangig besetzt ist.

_ (Mertes, SPD: Was gibt es da?)

Sie müssten wissen, dass in der Anhörung zahlreiche Frageo gestellt worden sind, die nach wie vor ungeklärt sind. Sie müssten wissen;dass die Veterinäre Briefe mit vielen Fragen geschrieben haben, die ·nach wie vor unbeantwortet im

Ministerium für- Umvvelt und Forsten liegen. Sie müssten wis

sen, dass die gleichen _Fragen von der Landwirtschaft und von der Fleisch verarbeitenden Industrie gestellt und alle_ noch

nicht beantv'Jortet worden sind.

Frau Martini, Sie müssten auch wissen, dass es durch diesen Kompetenzwirrvvarr, den es offensichtlich in den Ministerien gibt, beispielsweise keine klaren Regel~:~ngen der laufenden

-Futtermittelkontrolle g;b-:o. Es gibt keine klar':_n Regelungen.

(Staatsministerin Frau Martini: Stimmt doch-gar nicht!)

- So weit weg vom Land sind Sie do"ch gar nicht. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe Sie bisher immer für viel klüger

gehalten. Ich habe immer gedacht, dass Sie sich erzählen lassen, was im Land geschieht.

(Zuruf des Ministerr:>räsidenten Beck)

-Herr Ministerpräsident, dann hören Sie doch einmal zu.

(Zuruf des Ministerpräsidenten B-eck)

- Dann ziehen Sie do~h wenigstens die Lehren daraus.

(Beifall derCDU- Mertes, SPD: Falsche Behauptung!)

Die Rinder haltenden Betriebe werden durch die Veterinäre der Kreisverwalt~ngen-geprüft. Neuerdings prüft auch noch die AufSichts- und Di~nstleistungsdirektiön. Ferner prüfen dieStellen der Landwir:tschaft, und die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt ist mit Prüfern unterwegs. Es gibt keine Kcordi

llierung zwischen diesen drei Stellen. Es passiert, dass der Bauer draußen sagt: Heute Morgen war ein Prüfer_ der ADD bei mir. - Mittags erzählt er das dann dem Veterinär. Meine

Damen und Herren, das ist Fakt. Reden Sie doch einmal mit den Menschen draußen.

(Beifall der CDU)