Protocol of the Session on December 14, 2000

Rainer Brüderle, der Landesvorsitzende der F.D.P. hier in Rheinland-Pfalz und stellvertretende F.D.P.-Bundesvorsitzende, sieht die Sache ganz ander!!:. l

(Dr. Schiffmann, SPD: Was der große Europapolitiker Rainer Brüderle alles gesagt hat!)

Er sagt weiter:.. Die deutsche Position ist künftig geschwächt, und das hat der Bundeskanzler zu verantworten." -So Rainer Brüderle, der Parteivorsitzende Ihres Koalitionspartners.

(Beifall bei der CDU- Lewentz, SPD: Lesen Sie einmal den.. Bayernkurier" !)

Das ist eine kleine Zwickmühle, aber die Koalition kommt da sehr elegant heraus. Ich muss Sie gleich wieder loben. Mit Ihrem gemeinsamen Antrag von SPD und F.D.-P. kommen Sie mit einem blauen Auge davon- Respekt. Ich darf auch aus Ihrem Antrag zitieren:.. Der Landtag bewertet unter übergeordneten Erwägungen die vereinbarten Reformen der euro

päischen Institutionen im Hinblick auf seine Beschlüsse aller

dings als begrenzten Erfo~, da die Beschlüsse des Gipfels hinter wichtigen Zielvo-rstellungen des Landes zurückgeblieben sind."

(Schwarz, SPP: Das ist eine neutrale Bewertung!)

Das ist salomonisch gesprochen. Das ist gut gesagt. Dem kann m·an eigentlich nur zustimmen. Wir werden nachher Ihrem Antrag deshalb-auch zustimmen, weil man kaum gegen _solche Sachen sein kann;

(Kuhn, F.D.P.: Wow!)

denn der Antrag macht eines deutlich: Es gibt:einen Unterschied zwischen der Pressearbeit des M-inisterpräsidenten, der davon spricht, die Interessen des Landes sind gewahrt, sprich, die Bundesregierung hat etwas dafür getan, dass die Interessen des Landes Rheirlland-Pfalz umgesetzt werden, und dem, wie der Antrag von Ihnen überschrieben ist "Die Chancen der Länder sind gewahrt".- Das heißt nämlich ni(ht, dass_ die Bundesregierung etwas getan hat, sondern das heißt, die-Bundesregierung hat nichts getan, sie hat nichts kaputtgemacht, und wir können in Zukunft noch gut darüber reden, dass die Interessen von Rheinland-Pfalzgewahrt werden.

(Beifall bei der CDU- Lewentz, SPD: Gewagte Interpretation!)

Das heißt, es war ein Gipfel ohne Leidenschaften, der hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber m_itgantschön viel Demonstrationen!} Traditionell gab es _eine gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich. Ich hätte mir gewünscht, wenn das Gespann Sehröder/Fiseher im Vereinmit Kurt Beck auf die französische Ratspräsidentschaft zugegangen wäre; denn auch Frankreich als Ratspräsident inif den schwierigen innen- politischen Rahmenbedingungen-imVorfeld seiner Präsident- schaftswahl hätte· es brauchen können, wenn man auf die Ratspräsidentschaft zugegangen wäre. Es hätten die Interes- sen unserer Bundesländer und die Interessen der Bundesre- publik Deutschland sowie die Vorschläge, die die Bundesre- publik Deutschland einbringt, abgestimmt werden sollen. Was ist -aber passiert?- Das Gespann Schröder/Fisc~er hatte kein ellropapolitisches Konzept, wenn Sie mich fragen. (Lewentz, SPD: Ich glaube nicht, dasssie jemand fragt!)

Stattdessen sind sie mit uriabgestimmten Vorschlägen vorge-prescht. Ich darf das kurz beweisen. Da gab es den Vorschlag der Einführung des Rotationsprinzips bei der Kommission. Da gab es den Vorschlag eines teilweisen Verzichts auf einen

Kommissar. Da gab es den Vorschlag der Direktwahl des Ko_mmissionspräsidenten. Da gab es den Vorschlag auf Einführung einer zusätzlichen Kammer mit nationalen Abgeordneten. Das hätte alles abgestimmt werden sollen. Stattdessen _haben Sie mit den unabgestimmten Vorschlägen fornväh

rend nur den anderen Mitgliedstaaten vor den Kopf geschlagen.

Wie gesagt, es war ein Gipfel ohne Leidenschaft, der hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Bundesregierung muss jetzt in Zukunft ihre Hausaufgaben machen. Die europäische Politik und die Vorstellungen der Bundesregierung dürfen dort keine Geheimdiplomatie sein. Deutschland und Frankreich müssen wieder Motor der europäischen Entwicklung werden. Zitate wie von Herrn Vedrine, dem französischen Außenminister, aer im November 2000 über Fischer und seine Ideen gesagt hat ;,Die Völker in dem vergangenen Jahrhundert haben zu sehr unter Flötenspielern gelitten, die sie zu oft zu grausamen Enttäuschungen geführt haben", wünsche icn- mir nicht mehr. Der Motor Deutschland/Frankreich stottert erheblich. Die _Bundesregierung kann viel tun, dass dieser Motor wieder rund läuft,

Es gibt natürlich auch Positives zu berichten. Ich nenne nur die von Roman· Herzog ausgearbeitete Grundred1tscharta, die jetzt auch noch rechtsverbindlich werden muss. Was jetzt auch noch geschehen muss, ist,_in der Regierungskonferenz 2004, wo es darum gehen wird, die Zuständigkeitsverteilung in der EU und die Rolle der nationalen Parlamente zu regeln, müssen unsere- Forderungen als Land nach Subsidiarität und nach klarer Aufgabenverantwortung n-ach der nötigen Bedeutung des Föderalismus in Deutschland umgesetzt werden.

Ich darf ein letztes Mal den gemeinsamen Antrag zitieren, um zu beweisen, dass wir ihm zustimmen, weil er beste Unionspolitik beinhaltet.

_Herr Präsident, damit komme ich dann auch zum Ende: "Die

se Zielvorstellu-ngen", nämlich unserer aller Zielvorstellungen, "orientieren sich am Leitbild einer auch nach ihrer Erweiterung handlungsfähigen urid demokratisch legitimierten Europäischen Union. Dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend sollen die Aufgaben jeweils von der politisc~en Ebene wahr-_ genommen werden, die hierfür am besten geeignet ist. Die Kompetenzen zwischen diesen Ebenen sollen klar abgegrenzt sein, die gewachsenen Strukturen auf der regionalen und kommunalen Ebene bewahrt werden und eine Chance zur Weiterentwicklung behalten."

(Lewentz, SPD: Geben Si_e es doch zu Protokoll!)

Das istsehrgut ges~gt. Das ist Unionspolitik.

(Schwarz, SPD: Das ist K~nsens in dieser Republik, wissen Sie das?- Glocke des Präsidenten)

Es gibt noch viel zu tun für die Bundesregierung und die Landesregierung, um das dann auch in Europa umzusetzen.

Vielen Dank:

(Beifall der CDU)

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich der Kollegin Frau Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!'Es ist schon erstaunlich und sehr schade, dass wir so wenig Zeit haben, weil der Bericht des Ausschusses der Regionen dabei leider etvvas zu kurz kommt, weil wir auch aus aktuellem Anlass diskutieren.

(Schreiner, CDU: Ich musste auch erheblich kürzen!)

Aber ich finde das schon erstaunlich; denn im Vorfeld des Gipfels von Nizza urid auch mehrmals _im gesamten Diskussionsprozess haben wir hier im Landtag gemeinsam unsere Zielvorstellungen formuliert, was die institutionelle Reform und die Vorbereitung der Erweiterung der Union anbetrifft. Wir waren uns da auch einig. Jetzt -nehmen wir unsere Zielvorstellungen und gleichen diese mit dem Ergebnis des Gipfels ab und haben dabei natürlich einen differenzierten Antrag erarbeitet; denn nicht alles ist unseren Zielvorstellungen dieses Landtags gemäß; wie wir sie beschlossen haben, auch in Nizza herausgekommen. Das liegt in der Natur der Sache, wenn Nationalstaaten über solch schwierige Fragen verhandeln. Dabei geht es nicht um eine Bewertung der Arbeit der Bundesregierung, sondern schlicht11Veg um unsere rheinlandpfälzischen Interessen, die wir vorher und nachher mit dem Ergebnis des Gipfels vergleic__hen. Ich denke, da ist es sehr lobenswert, dass Sie das offensichtlich in der CDU auch so differenziert tun, sonst würden Sie unserem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall des Abg. Dr. Schiffmann, SPD)

_ Meine Damen und Herren~ der Europäische Gipfel von Nizza sollte zum einen die.,left overs" von Amsterdam abhandeln, die EU- wie Kollege Schiffmann dies schon sagte_- handlungsfähiger, flexibler und demokratischer machen und vor allem auf die Erweiterung der Europäischen Union vorbereiten. Wie gesagt, dies ist in Teilen gelungen. Es gibt noch Defizite.

Es ist für Rheinland-Pfalz und für die anderen deutschen Bundesländer als besonders positiv hervorzuheben, dass für die Regierungskonferenz im Jahr 2004 konkretfestgelegt wurde,

sich über die Kompetenzabgrenzung zu unterhalten, dieses Thema zu behandeln und zu beschließen.

Ich hoffe, dass dies in eine Verfassungsdebatte münden wird. Das kann unser aller Wunsch sein; denn die Berichterstattung über diesen Gipfel war nun auch nicht so Erfreulich, dass es unbedingt dazu geführt hat, dass die Bürgerinnen und Bür

ger eher der europäischen Idee zugetan sirid und sich mit dem Herzen Europa zuwenden.

Das Gipfeltreffen in Nizza war das längste und konfliktreich

ste. Ich denke, vor diesem Hintergrund sollte man auch die Ergebnisse bewerten.

Aus unserer Sicht müsste es bedauerlich sein, dass es nicht geschafft wurde, zu mehr Mehrheitsentscheidungen zu kom

men. Ich nenne die Bereiche Handel, Steuern, vor allem aber auch die Strukturfonds, wo man sich Mehrheitsentscheidungen hätte wünschen müssen und nicht bei dem Einstiminigkeitsprinzip bleiben sollte. Man konnte sich auch jetzt nicht zu einer Verkleinerung der Kommission durchringen, was für die Handlungsfähigkelt der EU aber zunächst keine größeren Auswirkungen haben wird.

Es istsicherlich ein deutscher Erfolg und ein Erfolg der Demokratie in Europa, dass künftig -die Bevölkerungszahl bef den Ratsentscheidungen stärker berücksichtigt wird, man deri An

trag stellen kann zu prüfen, ob bei qualifizierten Mehrheits

entscheidungen auch 62 o/:: der Bevölkerung repräsentiert si_nd. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Demokratie, ebenso auch die Stimmengewichtung im Europäischen Parlament, die beschlossen wurde. Diese Schritte kann man als positiv hervorheben._

Es wurde auch im Zusammenhang mit dem Gipfel die Charta der Grundrechte vorgestellt. Die möchte ich hier noch einmal besonders hervorheben. Sie soll sicherstellen, dass die Bürger aller EU-Mitgliedstaaten auch ihre bürgerlichen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte wahrnehmen können. Sie ist auch das Element, das wir im Moment haben, um das Zugehörig

keitsgefühl zur Europäischen Union zu stärken und eine bessere Identifikation des Einzelnen mit der europäischen Idee zu ermöglichen.

Der Ausschuss der Regionen hat in der Charta noch einige Mängel festgestellt. ln dem Entwurf ist zum Beispiel nicht vorgesehen, allen dauerhaft in der EU ansässigen -Ausländern das Wahlrecht für die Kommunalwahlen und für die Wahlen zum Europäischen Parlament einzuräumen; Obwohl die Rechte der Minderheiten nicht Gegenstand der Charta sind bzw. nicht in -einem eigenen Artikel auftauchen und auf das Subsidiaritätsprinzip vor allem nicht Bezug genommen wird, so ist doch die politische Dimension der Charta ein entscheidender Grundpfeifer für die Unionsbürgerschaft und sollte auch in die Verträge aufgenommen werden und gemeinsam mit der Debatte um die Kom)Jetenzabgrenzung in eine Ver

fassungsdebatte münden.

Was auch schon gesagt wurde, ist, dass es für den Ausschuss_ der Regionen nicht so positiv ist, dass immer noch nicht die Frage des Klagerechts vor dem Europäischen Gerichtshof in

die Verhandlungen aufgenommen wurde. Hierfür müssen wir weiterhin kämpfen. Ich würde gern noch einiges mehr zur Arbeit des Ausschusses der Regionen sagen. Meine Redezeit läuft jetzt ab.