Protocol of the Session on October 19, 2000

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen, Sie seien für Ausländer, aber das gilt nur, wenn sie richtig wählen. Wenn sie falsch wählen, sind Sie nicht auf ihrer Seite. Dies hat der Besuch von Frau Merkel bei Berlusconi von Forsa ltalia gezeigt. Das· sind Ihre Bündnispartner, und mit ihnen wollen Sie Ausländerpolitik in Deutschland machen. Das sind Ihre EU-Verbündeten in Deutschland: ·

(Zurufe von der CDU: Ha, ha, ha!- Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

- Das muss man einmal offen ansprechen. Ich bin diese Heucheleien in Sonntagsreden wirklich leid. Über bestimmte Dinge muss man einmaLKiartext reden.

Integrationsforderungen sind wohlfeil zu erheben. Damit bekommen Sie von jedem Publikum, wenn anständige Menschen darin sitzen, Zustimmung, bei Rechtsextremisten sicherlich nicht.

Aber was ist unter.. Integration" zu verstehen? Mitunter hat man den Eindruc~. alle reden von Integration, aber keiner weiß, was damit gemeint ist.

Herr Merz sagt, Integration sei die Anpassung an die Leitkultur. Er möchte assimilieren statt integrieren. Das hat mit Integration überhaupt nichts zu tun. Frau Bergmann hat bei dem von Herrn Kollegen Weiner bereits zitierten Familienbericht

gestern gesagt, für sie sei Integration das Zurechtfinden in -unserer Kultur. Dieser Definition kann ich schon ungleich mehr abgewinnen.

Für mich verlangt Integration die Bereitschaft sowie die Leis

tung von beiden Seiten, sowohl von den Menschen, die zu

un~ kommen, als auch von unserer Bevölkerung, die diese Menschen zur Integration aufnimmt. Einseitige Vorleistungen führen am Ende nicht zur Integration. Es mögen gut ge

meinte Aktionen sein, aber Integration ist das nicht, wenn es nur von einer Seite kommt.

Bei der Integration ist es dringend nötig, dass man sich mit der Sprache des Landes auseinander setzt, in dem man intewiert werden will oder das integriErEn soll. Voraussetzung ist auch eine Au:;einandersetzung mit den westlichen Werten, die unsere Ge~ellschaft prägen. Dazu gehört auch die Achtung vor der politischen Ordnung und vor umeren Gesetzen. Dies heißt nicht, dass ein ausländischer Mitbürger seinen islamischen Glauben oder andere Werte beiseite legen muss.Aber er mus!; unsere Glaubensformen und unsere Religion:;gemeinschaften achten und respektieren.

Bei Integration ist über das Respektieren der Leitkultur hinaus auch erforderlich- wohlgemerkt, respel~tieren, nicht anpassen-, dass man akzeptiert, das~ bei uns trotz w::~chsender

Vielfalt, die einhergehend mit einer weiteren Zuwanderung noch zunehmen wird, immer ein bestimmter Kanon von Vver

ten bewahrt wird, der nicht zur Disposition gestellt werden

kiiinn, und wir bei dieser Integrationsarbeit immer auch einen langen Atem bewahren. Wir dürfen nicht glaubEn, mit einzelnen GesetzE:n oder Maßnahmen sei Integration schon verwirklich bar.

Wer über die angebliche Belastung redet, die uns von Ausländern drohe, der verschweigt, dass Ausländer immer noch in

unsere Sozial~ysteme mehr einzahlen, als sie herausnehmen.

Wer von der Bela~tung ~pricht, die ;;ie angeblich für unsere

Gesellschaft darstellen, der verschweigt, dass viele-Ausländer bei uns heute schon ~elbmtändig sind und Arbeitsplätze

schaffen. Diese Tendenz ist Gott sei Dank steigend, übrigens

auch unterstützt von einem durch die Landesregierung 1998 initiierten Projekt, das älter als Ihr Antrag ist. Von daher erklärt sich, weshalb wir ihm nicht zustimmen müssen. Das ist schon erledigt.

Wer mit der Parole kommt, das Boot ist voll, der geht in die Ir-,

re. D::~s Boot ist in der Ausländerpolitik nicht voll, aber e; ist ungleichmäßig besetzt. Ausländer finden wir, gemess~ön an ihrer durchschnittlichen Bevölkerungsbeteiligung, in übergroßer Zahl dort, wo soziale Brennpunkte sind, wo schlechte Wohnungen sind, wo Arbeitsplatzknappheit besteht. Dass sich dort Gruppen besonders be~rängt fühlen und eine Konkurrenz zu Ausländern empfinden, ist nachvollziehbar. Dort

müs~en wirtsch::~ftliche und soziale Maßnahmen einsetzen.

Wer die Probleme im Bereich der Auslanderpolitik leugnet und von Multikulti schwärmtr gefährdet für meine Begriffe

Integration; denn lntegriiition setzt ::~uch vcir::~us, dass wir Probleme klar benennen, klar aussprechen und uns amchließend

_ gemeins::~m mit unseren ausländischen Mitbürgerinnen und

r11iitbürgern um eine Lösung bemühen. Werdas nichttut,;;onderl'l nur von Multikulti schwärmt, gef3hrdet am Ende die Integration.

Wer Menschen integrieren will, muss sich darüber im Klaren sein, dass er dann auch andere Menschen ::~usschließen muss.

Zu sagen, wir sind eine grenzenlose Gesellschaft, jed-er kann hierher kommen, jeder kann bei uns sein, verkennt die Pro

blem::~tik. Das wird niemals kl::~ppen: die lntegratiombereit

sch::~ft und-fähigkeitder Memchen bei uns überfordern ~nd

_ am Ende genau das Gegenteil dessen bewirken, wa5 erreicht werden soll.

Unsere Gesellschaft braucht weiterhin Zuw::~nderung, und deshalb ist eine geordnete Integrationspolitik für uns sehr wichtig.

Herr Weiner, Sie haben uns vorgehalten, wir stimmten Ihrem Antrag nicht zu. Das wird so sein, wir werden ihm nicht zustimmen. Aber ich lese Ihnen einmal vor, wogegen Sie in den letzten Jahren in diesem Hause in S3chen Integration gestimmt haben.

Ich nenne beispielsweise die Eingliederungsbeihilfen für ausländische Arbeitnehmer mit Kosten von immerhin fast 700 000 DM. Das wollten Sie nicht.

Sie W3ren gegen die Förderung des Informationszugangs für Migrantinnen und Migranten. Das war eine vergleichsweise

gering;; Summe von 25 000 DM im Jahr. Selbst das war Ihnen zuviel.

Sie waren gegen die Förderung des ehrenamtlichen Engage- ments von Migrantinnen und 1\lligranten. Dem Kollegen Pörksen werfen Sie nun vor, er habe etwas gegen das ehrenamtli

che Eng3gement von Audändern und stimme daher Ihrem Antrag nicht zu. Sie haben in diesem Hause bei dEn Haus

haltsberatungen dagegengestimmt.

Schließlich haben Sie auch der verstärkten Förderung von Verbänden wie b-eispielsweise der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in diesem Land - AGAB- nicht zugestimmt.

Dies sind konkrete Schritte der Integration, keine Festreden, keine Sonntagsreden, sondern konkrete Schritte, die wir über Jahre hinweg immer wieder in der Schulpolitik, in der l(indergartenpolitik, in der Sozialpolitik und in der WirLSchaftspoli

tik vollzogen haben und bei denen Sie immer wieder auf der

Bremse gestanden haben.

Nehmen Sie uns vor diesem Hintergrund wirklich nicht übel, dass vvir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Dle Praxis widerspricht eklatant dem, was Sie eben vorgetragen haben. Deshalbstimmen wirfürden Antrag von SPD und F.D.P.

Was die EU-Ausländer betrifft, so ist das, was Sie gefordert

_ haben, nicht praktikabel Deswegen lehnen wir es ab. Dies hat keinen anderen Grund.