Protocol of the Session on August 17, 2000

(Kram er, CDU: Hört, hört!)

Es war sicher nicht alles richtig, was man damals geschrieben hat. Es ist sicher vieles zu Recht aufgegeben worden, aber es war nicht alles falsch, was damals geschrieben worden ist. Die Passage zum grundsätzlichen_ Verständnis von der Gleichmäßigkeit, der Gleichwertigkeit Wirtschaftlicher Tätigkeit und Besteuerung war richtig. Vor diesem Hintergrund kann __man manchmal schon ein bisschen Verständnis dafür.haben. Ich zi

tiere jetztdas ,.Handelsblatt" vom 20. Juni und einen konservativen Journalisten, Hans Mundorf. E.~:_meint, die SPD sei auf dem Weg zum programmatischen Nihilismus.

(Mertes, SPD: Keine Schweinerei!)

-- Keine Schweinereien, gell. Jetzt übernehme ich plötzlich die Position, die zurzeit einige in der SPD, allerdings vorläufig noch recht unerfolgreich, vortragen. Aber das nur am Rande.

Meine Damen und Herren, der Herr Staatsminister der Finanzen hat gemeint, kritische Einwände gegen die Steuerreform mit der Pauschalbezeichnung ,.Fundamentalisten" abtun zu können. Das istseine Sache.

Nur eben noch ganz nebenbei, irgendwann sollte uns - den Oppositionsfraktionen - die Landesregierung sagen, ob Regierungserklärungen vorher zugeschickt werden oder nicht. Dies sollte einfach im Sinne des Umgangs miteinander ge

schehen. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel- ich sage das so-,

_ ich habe- es 14 Jahre so gehalten, wenn die Regierungserklä

rung am Vortag um 15.00 Uhr nicht auf dem Tisch der Opposition lag, habe-ich selbst angerufen und begründet und ge

-__ sagt, wann sie kommt. ·Ich finde, es gibt ein paar solcher Din

ge im Umgang miteinander.

Jetzt war die Regierungserklärung nicht gerade von umwer

-fender Neuheit. Wie sollt-e sie es auch seih-. Aber trotzdem ha

be ich einfach die Bitte, dass uns die Landesregierung irgend

wann sagt, wie sie es diesbezüglich ·mit der ()pposition hält, weil wir dann auch ein bisschen wissen, wie die Landesregierung die Opposition grundsätzlich einschätzt.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, der große Mainzer Kardinal Volk hat in jeder Rede immer wieder gesagt: ,.Umgang ist das halbe Leben." Aucli das gehört dazu. Meine Damen und Herren,

vor allen Dingen, wenn jemand Stil proklamiert, sollte er sich selbst an ein Minimum von Stil halten.

(Beifall der CDU - Frau Schneider-Forst, CDU: So ist es!)

Jetzt komme ich noch einmal zu dieser Frage der Fundamentalisten zurück. Dann ist Herr Kirchhof ein Fundamentalist. Das ist ein bisschen merkwürdig. Es widerstrebt auch ein bisschen der allgemeinen Einschätz_!.lng. Kirchhof hat gesagt, dass diese Steuerreform einen Impetus in die Kapitalgesellschaft enthält, und dies sei tendenziell die anonymere Formder Wi rtschaftsorganisation.

Meine Damen und Herren, darauf muss man doch hinweisen. Natürlich hat der Manager auch unternehmergleiche Funk

tionen. Aber wenn er den Laden an die Wand gefahren hat, bekommt er den ,.goldenen Handschlag",_ oder der Herr Bundeskanzler kommt, und die Millionen werden gezahlt. Er geht doch kein persönliches-Risiko in Deutschland mehr ein. Die abgesichertste Berufsgruppe in Deutschland sind die Manager der großen Unternehmen, meine Damen und Herren. Das ist nun einmal so.

(Beifall der CDU)

Es gibt doch die Beispiele.

(Schwarz, CDU: Warum regst du dich auf, Schorsch?)

- Entschuldigung, weil ich auch von meiner Herkunft her- da spielt eine Backstube auch eine gewisse Rolle- die Personengesellschaft und die persönliche Haftung für.einen funda

mentalen Punkt halte und sehe, dass in den Kapitalgesell

schaften diese persönliche Verantwortung in den letzten Jah

ren in vielen Fällen nichtwahrgenommen worden ist._

(Schwarz, SPD: Wir haben es zwischen- zeitlich auch in Personengesellschaften I)

Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie bitte, der Einzelhandelskaufmann oder die Offene Handelsgesellschaft tun das Gleiche wie die Kapitalgesellschaft, und sie müssen mit ihr steuerpolitisch konkurrieren. Das ist ein Problem.

Meine Damen und Herren, wenn von Personengesellschaften die Rede ist, dann denken viele an den Bäckermeisterum die

Ecke und denken, das sind die Kleinen. Es gibt Große in Deutschland. Es gibt einen ganz Großen in Rheinland-Pfalz auf dem Feld der Chemie. Was diesbezüglich gedacht wird oder so etwas, sollte die Landesregierung vielleicht qann auch einmal in diesem Zusammenhang interessieren.

Meine Damen und Herren, der Vorstandsvorsitzende der Firma Merck--

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Dr. Gölter, gestatten Sie eine Zwisch_enfrage des Herrn Kollegen Schwarz?

Nein, die ist nicht ernst gemeint. Das sehe ich seinem Gesicht an. Ich kenne den Herrn nämlich.

(Heiterkeit im Hause)

Dazu ist mir das Thema zu ernst, dass wir Spielelien miteinander treiben können. Ich habe viel für Spielchen übrig und mache das manchmal selbst, aber-entschuldigen Sie bitte, darum --geht es mir jetzt im Augenblick nicht.

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat der Vorstandsvorsitzende der Firma Merck einen Artikel veröffentlicht. Daraus darf ich einmal zitieren: "Dass ein persönlich haftender Gesellschafter deutlich stärker ausgeprägt den Unternehmer

typus verwirklicht als der Vorstand einer Kapitalgesellschaft, dürfte unbestritten sein,"

Das ist natürlich auch ein Fundamentalist- das weiß ich-, alles Fundamentalisten, wobei mit dieser Aussage nicht dem Vor

stand die Unternehmerische Position bestritten werden soll.

"Rechtfertigt die Übernahme der persönlichen Haftung der Eigentümer einer Personengesellschaft, dass diese steuerlich gegenüber einer Kapitalgesellschaft diskriminiert werden? Sollen vielleicht Personengesellschaften wegen des FehJens der paritätischen Mitbestimmung bestraft werden?"

Am Schluss dieses Artikels kommt er zu der Bewertung, dass

"eine ganze Reihe von Regelungen schlicht und ergreifend" -das Wortsteht hier- "pervers in ihren Auswirkurigen sind".

Meine Damen und Herren, das heißt, hier ist ein dramatisches Problem. Kirchhof sagt- d·eshalb ist es gut, dass sich das Ver-_ fassungsgericht irgendwann damit beschäftigt-, dass hier die Gleichheitsfrage, die Freiheitsfrage und die Vereinigungsfreiheit angesprochen sind. Kirchhof verweist auf die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Rechtsform - Herr Kollege Kuhn - keine Rechtfertigung für Belastungsunterschiede sein darf.

Damit sind wir an einem ganz fundamentalen Punkt. Dieser Punkt muss weiter geklärt werden. Es ist so, auch wenn Sie es nicht gern hören, dass die Unternehmen bei dieser Steuerre

form _besser behandelt werden als der persönlich haftende Unternehmer. Es ist so, dass Gewinne in_ einer bestimmten Form - nämlich im Unternehme~) als höherwertige Besteuerung verbleiben; das ist auch eine Grundfrage gesellschaftspolitischen Verständnisses - besser besteuert werden als entnommene Gewinne.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund bleibt ein ganz grundsätzliches Problem. Das ist auch ein Teil der Strategie der Union gewesen. Ob die dann in allen Details usw. geschickt war, ist eine andere Frage. Das hilft uns hier jetzt alich nicht weiter.