Protocol of the Session on August 16, 2000

(Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das garantieren Sie! - Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer macht hier Angst?)

Im zweiten Schritt würden die Stadt11verke außerhalb dieses Landes auf unserem Gebiet tätig werden. Glauben Sie wirklich, dass unsere Stadtwerke den Kolossen aus Nordrhein

Westfalen gewachsen wären? Nein. Auch die ~vürden _durch

Ihre Initiative kaputtgehen, und das würde Arbeitsplätze kosten, Herr Kollege Rieth.

Zuruf des Abg. Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neuwied beispielsweise, wo Sie herkommen, liegt vor den Toren Köln~. Herr Kollege Rieth, diese wären die ersten, die ge

schluckt würden. Kein rheinland-pfälzisches Stadtwerk wäre in der Lage, sich dem Wildern anderer Gemeinden auf ihrem Gebiet zu widersetzen. Wollen Sie das wirklich in Kauf nehmen?- wrr werden unsere Stadtwerke vor Ihnen schützen.

Wir setzen dagegen auf Konsensregelungen und Kooperation zwischen den Kommunen. Da gibt die rheinland-pfäl

zische Gemeindeordnung genügend Ansatzpunkte. Deshalb_ hat auch die Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Sie sprechen in Ihrer Begründung davon, dass die Stadtwerke in ihrem Bestand bedroht sind.

Die Wahrheit ist, dass in keinem einzigen Fall die wirtschaftliche Betätigung ~iner Kommune aufgrund der Subsidiaritätsklausel untersagt oder behindert wurde- in keinem einzigen Fall. Warum machen Sie dann eigentlich solche Angstparoien?

Genauso falsch ist die Behauptung, das Regionalprinzip verhindere sinnvolle Kooperation. Das Gegenteil ist der Fall. Kooperationen finden in Rheinland-Pfalz vermehrt statt, und genau darin liegen die Chancen unserer Stadt\'Verke, auch für die Tätigkeitsfeld er,- bei denen zukünftig der Wettbewerb ausgeweitet wird.

(Beifall des.Äbg. Kuhn, F.D.P.- Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung bietet unseren Stadtwerken einen Bestands

schutz. Das verschweigen Sie.

Creutzmann, F.D.P.: So ist es!)

Sie unterscheidet präzise zwischen wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Betätigung.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, _BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Verfassungsgerichtshof stellt in seinem Urteil fest, dass die neu gefasste Klausel- ich darf zitieren-.,sich in der Praxis nicht zum Nachteil- der Kommunalwirtschaft ausgewirkt hat".

Das Urteil stellt weiterhin fest, dass den Gemeinden ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Es sagt auch, dass der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht verletzt wird, und es hebt hervor, dass durch unsere Regelung die Gemeinden vor -tmvertretbaren wirtschaftlichen Risiken geschützt werden.

Meine Damen und Herren vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch von der CDU, insofern verstößt Ihr Gesetzentwurf und Ihr Antrag nicht nur gegen die Verfassung, sondern er ist auch Inhaltlich überflüssig und würde vorhandene Stadtwerke in ihrem Bestand gefährden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall des Abg. Creutzmann, F.D.P.)

Wenn Sie also ein Minimum an Reputation in diesem Hause erhalten wollen, dann ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf und Ihren Antrag zurück, anderenfalls werden wir beides ablehnen müssen.

(Beifaii bei SPD und F.D.P.)

Ich erteile Herrn-Abgeordneten Schnabel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben 1998 der Änderung der Gemeindeordnung in Bez-ug auf die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen aus gutem Grund nicht zugestimmt.

Die verstärkte Subsidiarität hat die Wettbewerbsbedingun

gen zweifelsohne zum Nachteil der Kommunen verschoben.

(Dr. Schiffmann, SPD: Na, na! Das ist doch realitätsfremd I)

Wir wollen keine Schutzzonen für kommunale Unternehmen, aber wir wollen Wettbewerbsbedingungen, die für öffentliche und private Anbieter gleichermaßen gelten.

Beifall des Abg. Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen_und Herren, wir alle wissen, dass die Rahmenbedingungen kommunalen Handeinstrotz intensiv~r und er

folgreicher Modernisierungsbemühungen von Städten, Ge

meinden und Landkreisen nach wie vor sehr ungünstig sind. Der letzte Kommunalbericht des Landesrechnungshofs hat

dies leider wieder sehr deutlich bestätigt. Mehr als 600 Kommunen in Rheinland-Pfalz haben _einen unausgeglichenen Haushalt, und der Schuldenstand liegt mittlervveile bei 8,3 Milliarden DM.

Meine Damen und Herren, das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz über die Zulässigkeit kommunalwirtschaftlicher Betätigung hat den Kommunen zweifelsohne einige Sorgei.genommen, obwohl im Grundsatz die -verstärkte Subsic:Jictri'tät bestätigt wurde.

(Beifall des Abg. Bische!, CDU)

Lieber He-rr Kollege Schweitzer, das haben Sie nicht verstanden in Bezug auf das, was Sie gesagt haben, was Herr Bisehel und Herr Schnabel ausgesagt haben.

Außerdem gibt es den Hinweis, dass Eingriffe durch eine zweckentsprechende Handhabung und Auslegung des neuen Gesetzes vermieden werden müssen. Darüber hinaus wird den Kommunalunternehmen Bestandsschutz gewährt. Alles im Grunde genommen Dinge, die letztendlich positiv das unterstreichen, was wir ursprünglich einmal kritisiert haben.

Hier konnten die Gemeinden eine wichtige Klarstellung zu ihren Gunsten erreichen. So haben sie zum Beispiel bei der Frage, ob ein _Dritter den öffentlichen Zweck ebenso gut erfüllen kann, einen Spielraum eigener Beurteilung. Darüber haben wir im Vorfeld der Ge111eindeordnung nie diskutiert. Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auch und gerade auf die Güte der betreffenden Leistungen. Damit ist vor allem an die Nachhaltigkeit, das heißt Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit, gedacht. Je wichtiger eine durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigte Leistung für die Bürger _ist, desto größer ist das Bedürfnis nach einem krisenfesten, stetigen und möglichst ungestörten Angebot, und zwar zu sozial gerechtfertigten Bedingungen.

Meine Damen und Herren, aufgrund dieses für die Kommunen positiven Urteils des Verfassungsgerichtshofs sehen wir deshalb zurzeit keine Notwendigkeit,§ 85 der Gemeindeordnung erneut zu ändern; denn die Gemeinden konnten eine wichtige Klarstellung zu ihren Gunsten erreichen. So haben sie bei der Frage, ob ein Dritter den öffentlichen Zweck ebenso gut erfüllen kann, einen - wie ich schon gesagt habe Spielraum eigener Beurteilung.

Das ist im Grunde genommen das Entscheidende bei diesem Urteil des Verfassungsgerichtshofs: Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auch und gerade auf die Güte der betreffenden Leistung. Damit geht es vor allem um die Nachhaltigkeit und die Dauerhaftigkeit.

Meine Damen und Herren, auch die kommunalen Verbundunternehmen werden durch das UrteiLnicht gefährdet. Maßstab ist die zu erfüllende Gesamtaufgabe. Geschützt werden hierdurch insbesondere diejenigen Stadtwerke, die defizitäre Bereiche unterhalten müssen. Rosinenpic~erei wird dadurch

konkret und massiv verhindert und ausgeschlossen. Dies war auch im Vorfeld so in dieser Form nicht erkennbar.

Nicht zu verkennen ist jedoch die Problematik bei der Vergabe von Teilleistungen der kommunalen Betriebe. Konfliktsituationen werden häufiger vor den Gerichten zu klären sein.

Meine Damen und Herren, insgesamt belässt das neue Recht nach dem UrteJI des Verfassungsgerichtshofs den Kommunen einen beachtlichen Handlungsspielraum, indem diese sich auch weiterhin in angemessenem Umfang auf ihren angestammten Betätigungsfeldern wirtschaftlich betätigen können.

Meine Damen und Herren von der SPD und von der F.D.P.,

dies alles woilten Sie jedoch nicht, und insbesonere die F.D.P. wollte dies im Grunde genommen nicht so, wie letztendlich das Urteil des Verfassungsgerichtshofs derzeit aussieht.

(Creutzmann, F.D.P.: Das ist völlig falsch!- Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Ihr Ziel, die Selbstverwaltung in Rheinland-Pfalz mit dem neuen § 85 in der Gemeindeordnung einzuschränken und die Kommunen in ihrer Eigenständigkeit zu beschneiden, haben Sie nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs nicht erreicht. Auf den ersten Blick wurde durch das Urteil die verstärkte Subsidiarität bestätigt. Doch die Kommunen in Rhein

land-Pfalz werden in aer Praxis - zum Glück für die Kommunen- nur am Rande tangiert.